Koch-Mehrin plädiert für gesetzliche Frauenquote in Unternehmen

Silvana Koch-Mehrin im Gespräch mit Christopher Ricke · 26.01.2011
Die FDP-Europaabgeordnete und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin, hat die Bemühungen des Weltwirtschaftsforums in Davos begrüßt, den Frauenanteil unter den Teilnehmern zu erhöhen. Um die Gleichberechtigung zu beschleunigen, könnte man eine Frauenquote in der Wirtschaft per Gesetz einführen.
Christopher Ricke: Es sind mächtige Männer, ja, überwiegend Männer, die sich beim Wirtschaftsforum in Davos treffen, und es ist auch schon das Thema: Warum sind das eigentlich in den vergangenen Jahren fast nur Männer gewesen, warum war da immer so selten eine Frau darunter, wie zum Beispiel die Bundeskanzlerin Angela Merkel, und warum ändert sich das jetzt zugunsten der Frauen? Weil es eine Frauenquote in Davos gibt. Das Weltwirtschaftsforum hat sich selbst eine 20-Prozent-Latte auferlegt. Silvana Koch-Mehrin sitzt für die FDP im Europaparlament, sie ist Vizepräsidentin des Parlaments. Guten Morgen, Frau Koch-Mehrin!

Silvana Koch-Mehrin: Guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Ist das eine gute Idee mit der 20-Prozent-Frauenquote für Davos?

Koch-Mehrin: Also ich glaube, jede Idee, die dabei hilft, dass der Anteil von Frauen erhöht wird, ist erst mal positiv, und dass man vom Weltwirtschaftsforum so aktiv die Sache angeht und die strategischen Partner des Forums auffordert, doch möglichst viele Frauen zu schicken, das halte ich für eine ausgesprochen gute Sache und auch sehr ermutigend im Sinne von mehr Vielfalt und mehr Ideenreichtum.

Ricke: Jetzt kann man ja eine Skala anschauen, die fängt an mit einer freundlichen Bitte, dann geht man über eine deutliche Aufforderung hin bis zu einer verpflichtenden Quote. Wo auf dieser Skala ist denn der Zeiger richtig eingestellt?

Koch-Mehrin: Ich glaube, da muss man unterscheiden, von wem sozusagen diese Vorgabe kommt. Das Weltwirtschaftsforum kann ja nicht eine solche Quote erlassen. Es kann darum bitten, es kann auffordern, dass möglichst viele Frauen bei den Teilnehmern sind, aber es kann dann letztendlich nicht bis zum Schluss bestimmen, wer da teilnimmt, aber überhaupt, dass es Thema ist, ist schon ein richtiger Schritt.

Wenn man bei gesetzgeberischen Initiativen sich das anschaut, dann gibt es natürlich wiederum ein anderes Instrumentarium, und da ist die EU-Kommission ja beispielsweise auch recht ehrgeizig. Die Vizepräsidentin der Kommission, Frau Reding, hat ja angekündigt, dass sie den Frauenanteil sehr erhöhen will in Vorständen, in Aufsichtsräten von Unternehmen, und eben auch mit einer Quote gedroht oder gewedelt und gesagt, also wenn sich da nicht von selbst ausreichend schnell was tut, dann machen wir da ein entsprechendes Gesetz. Also, das ist dann sozusagen die andere Seite.

Ricke: Da hat ja Frau Reding eine starke Gegnerin, Ihre Parteifreundin Nadja Hirsch, die sich ausdrücklich gegen die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in Vorständen ausspricht. Entsprechend hat sich auch der Sozialausschuss im EU-Parlament verhalten. Warum bremst denn gerade eine Frau aus Ihrer Partei diese Fraueninitiative aus der europäischen Spitze?

Koch-Mehrin: Es ist ja so, dass selbst wenn man sozusagen zu Hause bei seiner Familie ist, so gern man sich hat, man nicht immer jederzeit einer Meinung ist, und ich glaube, auch bei diesem Thema ist es so. Also ich habe eine andere Haltung: Ich halte es für gut, dass diese Möglichkeit geäußert wird, und ich hoffe darauf, dass sich in Unternehmen – eben bevor man zu einem solchen Instrumentarium greifen muss – die Einsicht durchsetzt, dass es tatsächlich auch was bringt, wenn mehr Frauen an der Spitze sind, dass sich das auszahlt im wahrsten Sinne des Wortes.

Ricke: Das sagt ja auch die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, und die verweist darauf, dass es gar nicht darum geht, freundlich zu den Frauen zu sein, sondern dass es gut für die Unternehmen ist. Die hätte ganz gerne eine Quote in der Wirtschaft. Frau von der Leyen gehört nicht Ihrer Partei an, sondern der CDU, Ihrer Partei aber gehört ja wiederum der Wirtschaftsminister an, Rainer Brüderle, und der sagt: Die Frauen schaffen das doch auch ohne Quote, weil sie gut sind. Wo stellt man sich denn jetzt aus Ihrer Position hin, an die Seite des Parteifreundes, des Mannes, der gegen die Quote ist, oder an die Seite der Frau, die vielleicht ähnlich denkt, aber in der falschen Partei ist?

Koch-Mehrin: Also beide haben ja in gewisser Weise recht, also Rainer Brüderle schildert ja die Dinge zutreffend, dass Frauen das schaffen werden, und man sieht es ja auch: Mädchen haben inzwischen die besseren Schulabschlüsse, viele Studienbereiche sind von Frauen dominiert, und wenn man das in diesem Tempo weitermacht, dauert es geschätzte 500 Jahre und wir haben dann die Gleichberechtigung voll da. Von den Regierungs- und Staatschefs sind es inzwischen ungefähr 20, die Frauen sind. Also es tut sich was, wir sind da schon auf einem Weg.

Aber wenn man sich das anschaut: Bei den Unternehmen, den umsatzstärksten in der Welt, dann sind es weniger als 3 Prozent, die da Frauen an der Spitze haben. So, und ich gehöre dann eher zu denen, die sagen: Das geht mir zu langsam. Ich möchte das beschleunigen, weil warum sollten wir uns in einer so rasant verändernden Welt die Möglichkeit nehmen, die Leute, die zu den besten Köpfen gehören, Männer wie Frauen, entsprechend auch zu fördern?

Und das ist immer wieder das gleiche Spiel: Solange es nicht eine ausreichende Anzahl von Männern oder Frauen – also auch Männern in sozusagen einem frauendominierten Beruf – gibt, dann kommt der nächste Schritt hin zu einer wirklich gleichberechtigten Verteilung viel langsamer, als es eigentlich sinnvoll wäre. Und deswegen glaube ich, sollte man da jetzt nicht so ein großes Buhei drum machen, dass man möglicherweise auch über Quoten nachdenkt. Wie gesagt, ich würde mir wünschen, dass man mit allein der Ankündigung einer solchen Möglichkeit schon ziemlich viel in Gang setzt.

Ricke: Silvana Koch-Mehrin von der FDP, vielen Dank, Frau Koch-Mehrin!

Koch-Mehrin: Danke Ihnen!