Koalitionsvertrag

Besser geht’s nicht

Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags
Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags © dpa / pa / Kumm
Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 30.11.2013
Was sich mit dem schwarz-roten Vertrag abzeichnet, ist ein Zweckbündnis. Das ist nichts für politische Romantiker, die einem großen Wurf hinterherträumen. Und dennoch: Das Ergebnis ist so schlecht nicht, meint Peter Lange.
"Besser geht’s nicht". So lautet der Titel eines Spielfilms aus dem Jahr 1997. Darin wird ein ziemlich neurotischer und biestiger Schriftsteller, gespielt von Jack Nicholson, durch den Umgang mit einer liebenswerten und charmanten Kellnerin, gespielt von Helen Hunt, halbwegs zivilisiert.
Besser geht’s nicht – das könnte auch die Überschrift über dem Koalitionsvertrag sein, den Union und SPD in dieser Woche vorgestellt haben. Angela Merkel hat die neurotische SPD und die Narzissten im eigenen Lager domestiziert. Und herausgekommen ist dabei eine Verabredung – kein Vertrag – für gemeinsame Politikziele, die exakt ihre Handschrift hat und ihrem Politikverständnis entspricht: kühl kalkuliert, staubtrocken, ohne idealistische Überhöhung und exakt das formulierend, was beide Parteien leisten können, wenn sie bis an ihre Grenzen gehen.
Und das Ergebnis ist so schlecht nicht. Das lässt sich zu allererst daran ablesen, dass alle damit unzufrieden sind. Wenn es den Anschein hat, dass die SPD mehr durchsetzen konnte, dann liegt das schlicht daran, dass die Union im Wahlkampf außer Mütterrente, Maut und dem Verzicht auf Steuererhöhungen kaum Ziele formuliert hatte. Weiter mit Merkel – das war es im Grunde.
Die Rentenpläne sind Geschäfte zu Lasten Dritter
Die nunmehr politisch Verlobten haben, wie das bei Koalitionsverhandlungen leider üblich ist, ihre Ehe auf Kosten der Hochzeitsgäste vorfinanziert. Die Rentenpläne sind Geschäfte zu Lasten Dritter. Interessanter ist, was der Koalitionsvertrag aussagt über den Wandel der Einstellungen und Werte in der Union. Dass hier geborenen Ausländern bei der Staatsbürgerschaft nicht mehr der Loyalitätskonflikt zugemutet wird, sich zwischen ihrer tatsächlichen Heimat und der ihrer Eltern zu entscheiden, ist Ausdruck dieses Wertewandels. Noch vor 15 Jahren ging in Sachen Doppelpass gar nichts. Und nur durch die Verhetzung und Skandalisierung dieses rot-grünen Projekts wurde ein Roland Koch in Hessen Ministerpräsident.
Oder nehmen wir das Thema Mindestlohn. Von dem Getöse der Lobbyisten sollte man sich nicht beirren lassen. Die aufgeklärten Geister in der Wirtschaft wissen längst, dass eine Konkurrenz, die sich nur im Lohndrücken abspielt, alle zu Verlierern macht. Es gibt inzwischen einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass Dumpinglöhne schädlich sind – für die Betroffenen, für redlich arbeitende Unternehmen, für die Verbraucher und für die Staatskasse. Wie immer es geändert wird – dass es geändert werden soll, das ist gut so.
Visionäre scheitern an den Mühen der Ebene
Das Kernproblem mit diesem Koalitionsvertrag besteht darin, dass er – um die Zustimmung der SPD-Basis zu erreichen – einen Grad von Verbindlichkeit und Konkretion vermittelt, der zu einer Hypothek der neuen Regierung werden kann. Denn ein Koalitionsvertrag ist im rechtlichen Sinne kein Vertrag, sondern nur eine Absichtserklärung der beteiligten Parteien, ihre Abgeordneten im Parlament zu diesem oder jenem Vorhaben veranlassen zu wollen. Koalitionsvertrag hin oder her – die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin kann er am Ende nicht aushebeln und jeder Abgeordnete ist letztlich nur seinem Gewissen verpflichtet.
In der politischen Praxis wird das keine große Rolle spielen. Koalitionsverträge sollte man sowieso nicht zum Nennwert nehmen. Noch nie ist so eine Absprache zu hundert Prozent umgesetzt worden. Außerdem - um ein Wort des SPD-Politikers Peter Struck aufzugreifen – verlässt kein Gesetz das Parlament so, wie es die Regierung hineingegeben hat. Und schließlich: Die bedeutendsten Vorhaben der letzten drei Wahlperioden standen in keinem Koalitionsvertrag: Agenda 2010, Eurorettung, Abschaffung der Wehrpflicht und Merkels Rolle rückwärts in der Energiepolitik nach Fukushima.
Was sich nun abzeichnet, ist ein Zweckbündnis. Das ist nichts für die politischen Romantiker, die noch immer einem großen Wurf hinterherträumen, einer Vision.
Visionäre und Charismatiker, heißen sie Kennedy oder Obama und – ja - auch Willy Brandt, scheitern zumeist, wenn es in die Mühen der innenpolitischen Ebene geht. Wo die Latte besonders hoch liegt, ist der Fall besonders tief, wie es zuletzt die FDP erfahren hat. Damit muss man bei dem dritten Kabinett Merkel vermutlich nicht rechnen.
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