Kloster Neuzelle in der Niederlausitz

Heiliges Theater von europäischem Rang

Die Neuzeller Passionsdarstellung vom Heiligen Grab -.Himmlisches Theater
Die Neuzeller Passionsdarstellung vom Heiligen Grab © Imago / Rainer Weisflog
Von Dieter Bub · 29.03.2015
250 Jahre alt sind die Figurentafeln aus der Leidensgeschichte Jesus, beherbergt werden sie vom Kloster Neuzelle in der Niederlausitz. Seit Jahren werden die Figuren renoviert – immer mehr von der Pracht kommt zum Vorschein. Immerhin geht es um Europas größtes Passionstheater.
Sonntag 22. März: Heilige Messe in der Barockkirche von Neuzelle – Passionssonntag, noch zwei Wochen bis Ostern. St. Marien ist für die Katholiken aus der kleinen Gemeinde und der Umgebung der Niederlausitz Zentrum ihres Glaubens und Pfarrer Florian ihr Seelsorger, der neben der opulenten barocken Ausstattung eine besondere Kostbarkeit der Kirche zeigt.
"Hier in der Heiliggrab – Kapelle, da sehen sie drei Bilder, drei Hauptbilder, drei Szenen: die Kreuzigung, die Grablegung und dort drüben die Verspottung durch die Soldaten. Das ist Teil der liturgischen Ausgestaltung der Kirche und diese Bilder, die sie hier sehen stehen eigentlich immer da. Hier ist Karfreitag und Karsamstag die so genannte Grabwache und dann sind hier die Stunden der stillen Anbetung für die Pfarrgemeinde."
Die drei Figurentafeln aus der Leidensgeschichte Jesu sind nur ein sehr kleiner Teil aus Europas größtem Passionstheater mit fünf Bühnenbildern aus 240 Einzelteilen, von denen 220 über ein Vierteljahrtausend überdauert haben. Es ist ein kunstgeschichtlicher Schatz, von dem ein Ausschnitt 1863 zum letzten Mal gezeigt wurde. Jetzt ist dieses "Himmlische Theater" in einem eigenen neuen unterirdischen Museum wieder eröffnet worden.
Üppige Arrangements der Barockzeit
In einem dämmrigen Licht, der ursprünglichen Beleuchtung mit Öllampen, den Schusterkugeln nachempfunden, über die beiden Szenen der Kreuztragung und des Judaskuss mit einer Höhe von sechs, einer Breite von fünf und einer Tiefe von sechs Metern eine geheimnisvoll magische Wirkung aus. Martin Salesch, der Leiter des Museums erliegt noch immer der Faszination, die von diesen üppigen Arrangements der Barockzeit ausgeht.
"Wir haben hier die Szene der Kreuztragung. Jesus trägt das Kreuz durch die Straßen von Jerusalem. Diese Szene ist auf der Bühne aufgebaut. Es sind also verschiedene Kulissenebenen, die diese Raumwirkung verursachen. Es ist zentralperspektivisch aufgebaut, ganz so, wie man es in den Barocktheatern hatte. Und flankiert wird diese Szene von verschiedenen Figurengruppen, Wachen, weinenden, klagenden Personen aber auch mahnenden Personen. Das wird also von verschiedenen Personen kommentiert, aus dem Neuen aber auch aus dem alten Testament."
Das Kloster in der Niederlausitz war Mitte des 18. Jahrhunderts eine prachtvolle Bastion des böhmischen Katholizismus in der protestantischen Diaspora.
"Es ist tatsächlich einzigartig. Es gibt zwar verschiedene Heiliggrab-Kulissen auch aus dem 18. Jahrhundert aber keines mit diesem ideologisch didaktischem Programm, wie wir es hier in Neuzelle haben. Das ist die Gegenreformation, die sich hier ganz deutlich manifestiert. Abt Gabriel, der Auftraggeber dieses Heiligen Grabes – der 1751 Josef Seyfried, einen böhmischen Künstler damit beauftragt hat, der wollte die Bevölkerung, die ja zum großen Teil evangelisch war, für den katholischen Glauben gewinnen und hat die Passionsdarstellungen genutzt, um ganz allgemein über christlich – katholische Theologie zu informieren."
Jesuiten wollten alle Sinne ansprechen
Den Figuren und Gruppen sind Bibelzitate beigefügt, mit denen der Betrachter belehrt werden soll. Die Jesuiten im Kloster wollten nach dem Vorbild des weltlichen Barocktheaters mit prachtvoll beeindruckenden Bildwerken überzeugen und alle Sinne ansprechen. Mit dem Projekt waren innerhalb von zwei Jahren vermutlich zwei Dutzend Maler und Zimmerleute beschäftigt.
Dass dieses Passionstheater 250 Jahre nahezu unbeschadet überstanden hat, grenzt für Experten an ein Wunder. Die Restauratorin Brigitte Bergmann:
"Der Zustand war relativ gut, wenn man betrachtet wieviel Jahrzehnte oder fast Jahrhunderte in Nebengebäuden, wie zuletzt im Turm der barocken Klosterkirche diese Teile lagerten, haben sie das doch relativ gut überstanden."
2001 begann die dreijährige Arbeit für das erste Bühnenbild "Der Garten mit dem Judaskuss". Besonders schwierig war die Entfernung des hochgiftigen Hylotox, ein DDT – und Lindan haltiges Mittel gegen Holzwurmfraß.
"Nach Abnahme von Staub und Schmutz, Vogelkot und Wasserschäden sind sie in einem erstaunlich gutem Zustand, weil diese Malerei ja einfach beeindruckend ist, immer noch trotz gewisser Schäden.
Es ging in erster Linie um eine Erhaltung des überkommenen Bestandes dieses großen Bühnenbildes dieser vielen Teile. Wir haben also rein konservatorische Maßnahmen getroffen."
Die Restaurierung von zehn lebensgroßen Figurentafeln auf zusammengefügten und ausgeschnittenen Brettern und die hohen Kulissen mit Leinwandbögen dauerte drei Jahre. 2012 folgte das zweite Projekt. Zur 750 Jahrfeier des Klosters 2018 soll das nächste Bild vollendet sein.
Bühnenbilder in ihrer ursprünglichen Pracht
Jetzt sind die ersten beiden Bühnenbilder in ihrer ursprünglichen Pracht vollendet, die 1756 für die Gläubigen ein beeindruckendes Schauspiel waren.
"Die Idee war, dass man der Bevölkerung, dem Volk dieses Passisonsgeschehen nahebringen wollte und das in einer so umfangreichen Form, dass wahrscheinlich am Beginn des Aufbaus des Passionstheaters, also im 18. Jahrhundert fast jeden Tag eine neue Szene dargestellt wurde, um dieses Geschehen bildhaft zu machen und man hat es der Bevölkerung zeigen wollen, die zu dieser Zeit nicht alle lesen und schreiben konnten. Und vielleicht die Passionsgeschichte auf diese Weise verinnerlichen sollten und sie sollten offensichtlich auch mehrere Tage im Kloster weilen, um diese Zeit mit dem Wandel der einzelnen Szenen aufzunehmen?"
Heute ist das "Himmlische Theater" wieder geöffnet. Eine Vorstellung en suite aus der Zeit des Barock.
Mehr zum Thema