Klose zieht negative Bilanz der Ära Bush

Moderation: Leonie March · 10.06.2008
Anlässlich des Deutschland-Besuchs von US-Präsident George W. Bush hat der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose scharfe Kritik an dessen Politik geübt. Bushs außenpolitische Entscheidungen seien größtenteils "konfrontativ" gewesen und hätten die Stellung der USA massiv geschwächt.
March: Viele von Ihnen werden froh sein, dass diese Ära zu Ende geht mit dem Abschiedsbesuch in Meseberg, denn gemocht haben die Deutschen George W. Bush eigentlich noch nie. Seinen Wahlsieg 2000 haben viele für unrechtmäßig gehalten, Bush selbst für einen christlich-fundamentalistischen Eiferer, den Alleingang im Irak für einen fatalen Fehler. Proteste und Demonstrationen haben Bush deshalb begleitet, wohin er auch reiste in Deutschland. Gleichzeitig bemühte sich die Kanzlerin, die Beziehungen zum Weißen Haus zu verbessern, die in der Amtszeit Schröders stark abgekühlt waren.

Über das deutsch-amerikanische Verhältnis spreche ich jetzt mit dem SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Guten Morgen, Herr Klose!

Klose: Guten Morgen!

March: "Freundlich distanziert" - lässt sich das Verhältnis zwischen Washington und Berlin so beschreiben?

Klose: Inzwischen eigentlich nicht mehr. Es war sehr distanziert zu Zeiten von Bundeskanzler Schröder. Das hat sich mit Angela Merkel deutlich verbessert und entkrampft. Und heute würde ich nicht mehr sagen, dass es distanziert ist.

March: Freundlich distanziert?

Klose: Eher freundlich - ohne das Wort distanziert.

March: Unter Gerhard Schröder war das ja noch anders. Sie haben ihm damals vor fünf Jahren schwere Fehler im Umgang mit Washington vorgeworfen. Er habe Deutschland in eine Abseitsposition geführt, meinten Sie damals. War der Kurs von Angela Merkel deshalb richtig?

Klose: Darf ich vielleicht zu Schröder noch etwas sagen. Ich habe seine Entscheidung gegen den Irak-Krieg nie kritisiert und habe die für richtig gehalten. Ich hatte die Angst, dass durch diesen Krieg so etwas wie Huntingtons "Clash of Civilizations" ausgelöst werden könnte, und ich bin nicht sicher, ob es nicht wirklich passiert ist.

March: Aber die Haltung gegenüber Washington fanden Sie falsch?

Klose: Die Haltung gegenüber Washington fand ich insofern problematisch, als Schröder nach meiner Einschätzung den Streit benutzt hat, um eine Art von antiamerikanischem Bundestagswahlkampf zu führen und ich finde, das darf ein Kanzler nicht machen.

March: War der Kurs von Merkel deshalb also richtig?

Klose: Ich glaube, dass Angela Merkel es richtig gemacht hat. Sie hat die Situation entkrampft. Sie ist eine Frau, die ihre Meinung klar sagt, aber sie agiert nicht konfrontativ und das ist die Sprache, die die Amerikaner verstehen, mit der sie auch umgehen können.

March: Im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stehen ja seit Beginn des Irak-Kriegs die außenpolitischen Fehleinschätzungen von George Bush. Wie fällt denn Ihre Bilanz seiner Außenpolitik aus?

Klose: Sie ist überwiegend negativ. Mir fällt überhaupt nur ein Punkt ein, wo man Bush wirklich loben muss. Das war die Art und Weise, wie er unmittelbar auf die Anschläge auf New York und Washington reagiert hat, wie er sozusagen Amerika emotional aufgefangen hat. Als besonders wichtige Geste empfand ich es damals, dass er in dieser Situation bewusst eine Moschee besucht hat, um zu zeigen: Es sind nicht die Muslime, die jetzt hier ins Fadenkreuz geraten, sondern die Terroristen. Das war eine wichtige Geste. Ansonsten, glaube ich, waren viele seiner außenpolitischen Entscheidungen, um das Adjektiv noch mal zu gebrauchen, konfrontativ und sie haben Amerika in eine Situation gebracht, in der es heute deutlich geschwächt ist.

March: Jetzt am Ende seiner Amtszeit will Bush ja noch die Weichen für eine Lösung im Nahost-Konflikt stellen. Hat er dieses Thema zu spät auf die Agenda gesetzt?

Klose: Das kann man seinem Vorgänger und ihm vorhalten. Beide, Clinton und er, haben das Thema erst am Ende ihrer Präsidentschaft entdeckt. Ich kann nur hoffen, dass ein neuer Präsident vielleicht es mal umgekehrt macht und am Anfang versucht, eine Lösung zu finden. Das macht schon deshalb sehr viel Sinn, weil das Problem so kompliziert ist und im Zusammenhang mit vielen weiteren Problemen zu sehen ist, dass man es nicht in kurzer Zeit gewissermaßen im Konferenztempo erledigen kann.

March: Seit Jahren fordert Bush ja nun ein härteres Vorgehen gegen den Iran. Rechnen Sie damit, dass er auf seiner Abschiedstour in Europa noch einmal massiv dafür werben wird?

Klose: Ich nehme an, das Thema wird angesprochen werden, wobei ich das Gefühl habe, es geht den Amerikanern im Augenblick darum, härtere Sanktionen durchzusetzen. Das werden sie wahrscheinlich auch schaffen. Ich hoffe nicht, dass es zu einer militärischen Option kommt, obwohl davon in letzter Zeit die Rede war. Das würde Amerika in große Schwierigkeiten bringen und ich glaube auch nicht, dass das amerikanische Volk bereit wäre, sich auf ein weiteres Abenteuer dieser Art einzulassen.

March: Bush hat dem Iran ja in den vergangenen Wochen immer wieder mit einem Militäreinsatz gedroht. Wie bewerten Sie das?

Klose: Er hat es jedenfalls nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite gibt es ja eine Reihe von Indizien, die in eine andere Richtung deuten. Sehen Sie mal: wenn die Amerikaner in Polen eine Raketenabwehr einrichten, in Polen und in Tschechien, dann gehen sie offenbar davon aus, dass der Iran eines Tages Nuklearmacht sein könnte. Wenn die Amerikaner in massivem Umfang Waffen an die Golf-Anrainer, aber auch an Ägypten, Jordanien und die Israelis liefern, dann bauen sie offenbar eine Gegenposition auf gegen den Iran. Das heißt, sie fahren nach meiner Einschätzung zweigleisig.

March: Und Sie glauben, dass auch dieser Konflikt dann den Nachfolger noch beschäftigen wird?

Klose: Der wird den Nachfolger beschäftigen, aber damit das ganz klar ist: der beschäftigt natürlich auch uns Europäer, denn der Iran ist unser Nachbar, wenn Sie so wollen. Von Amerika ist er ziemlich weit entfernt.