Klinkenputzen in Tripolis und Bengasi

Katrin Laskowski im Gespräch mit Nana Brink · 16.02.2012
Die Nordafrika-Referentin beim Afrikaverein der Deutschen Wirtschaft, Katrin Laskowski, ist optimistisch, dass Deutschland wieder drittgrößter Handelspartner von Libyen werden kann. Die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu einem militärischen Eingreifen habe nicht geschadet.
Nana Brink: Ein Jahr ist es her, als in Libyen der Aufstand begann: Am 16. Februar 2011 gingen in Bengasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, mehrere Hundert Demonstranten auf die Straße. Was dann passierte, ist bekannt und endete mit dem Tod des Machthabers Gaddafi im Oktober. Zu Fall gebracht haben das Regime die Rebellen, die sich dann als Nationaler Übergangsrat formierten, und mit Unterstützung von NATO-Truppen – ohne Deutschland, das sich bekanntermaßen der UN-Resolution verweigert hat. Das hat weltweit nicht nur politischen Flurschaden angerichtet, sondern auch wirtschaftlichen, weshalb auch nicht bezeichnenderweise der deutsche Außen-, sondern der Wirtschaftsminister als Erster nach Libyen reiste, übrigens noch vor dem Tod Gaddafis. "Made in Germany": früher sehr gefragt im alten Libyen – auch im neuen? Und am Telefon ist jetzt Katrin Laskowski vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, sie ist die Koordinatorin des deutsch-libyschen Wirtschaftsforums. Einen schönen guten Morgen, Frau Laskowsi!

Katrin Laskowski: Einen wunderschönen guten Morgen!

Nana Brink: Vor dem Bürgerkrieg war die deutsche Wirtschaft der drittgrößte Handelspartner für Libyen. Wo steht sie ein Jahr nach Beginn des Aufstandes?

Laskowski: Ja, ein Jahr danach sind wir dabei, wieder zurückzuziehen nach Libyen. Die Unternehmen haben sich wieder auf den Weg gemacht und suchen wieder ihre Partner in Tripolis, um ihre Geschäfte weiterzuführen.

Nana Brink: War das schwierig?

Laskowski: Ja, selbstverständlich. Man muss sich natürlich die Lage vor Augen führen, wie die Sicherheitslage derzeit in Libyen aussieht. Die Einreise war gar nicht so einfach. Die Unternehmen haben sich angestrengt, über Ägypten oder Tunesien einzureisen. Mittlerweile ist das einfacher, aber man muss jetzt erst mal wieder die ganzen Strukturen finden und versuchen, darauf jetzt wieder aufzubauen.

Nana Brink: Hat das denn der deutschen Wirtschaft geschadet, dass sich die deutsche Politik im Sicherheitsrat, als es um ein militärisches Eingreifen ging, enthalten hat?

Laskowski: Wir haben das anfangs tatsächlich befürchtet, wir sind kurz nach dieser politischen Aussage mit einer Wirtschaftsdelegation nach Bengasi gereist, um genau das uns anzugucken, um ein Zeichen zu setzen. Und wir haben natürlich überall die Trikolore gesehen, Sarkozy war also in aller Munde und wir hatten ein bisschen Angst, dass die Deutschen da ein schlechtes Renommee davon getragen haben könnten, was aber tatsächlich nicht der Fall ist. Also, das wurde sehr schnell vergessen und die Deutschen sind genau da wieder, wo sie früher waren. Sie sind nämlich sehr begehrt, sie sind begehrte Geschäftspartner und die Beziehungen sind ausgezeichnet.

Nana Brink: Also nicht Frankreich, England und Italien, denn die standen doch eigentlich in der ersten Reihe vor allem beim lukrativen Ölgeschäft?

Laskowski: Ja, selbstverständlich, die stehen auch in erster Reihe. Das hat auch historische Gründe, warum Italien zum Beispiel natürlich ganz weit oben ist und mit zahlreichen Delegationen dort auch hinreist. Aber das Renommee der Deutschen ist nach wie vor hervorragend. Wir sind die Partner, mit denen sehr gerne zusammengearbeitet wird, weil wir ein sehr gutes Geschäftsverhältnis mit den Libyern immer hatten und einfach mit "Made in Germany" sehr, sehr gut punkten können.

Nana Brink: Sie verfügen ja im Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft über viel Erfahrung im Umgang gerade auch mit Libyen, Sie haben es erklärt. Wie lassen sich denn Geschäftskontakte in einem Land mit kaum funktionierenden staatlichen Strukturen aufbauen nach 42 Jahren Diktatur? Wie muss ich mir das konkret vorstellen?

Laskowski: Das ist tatsächlich eine sehr große Herausforderung. Also, man muss sich Libyen vorstellen als ein altes basisdemokratisches Land, das, wie Sie sagen, tatsächlich zentralistische Strukturen hatte. Sie sind es nicht gewohnt, der ganze Mittelbau der Behörden, der Administrationen fehlt, es fehlen Strukturen. Man hat sich früher in eine Richtung bewegt, man war zentralistisch organisiert, das fehlt komplett. Wir gehen so vor, dass wir unsere ganzen Partner, letzten Endes die Joint-Venture-Partner vergangener Wirtschaftsbeziehungen wieder aufgreifen, dort viel Präsenz zeigen …

Nana Brink: … das heißt, klopfen Sie da wirklich an die Tür, klopfen Sie da richtig …

Laskowski: … ja, ja, ja, ganz einfach, so, wie man das früher gemacht hat: Man reist dort hin, man knüpft Kontakte. Libyen hat einen ganz großen Vorteil: Erst mal sind die sehr aufgeschlossen, sehr offen, das ist ein sehr freundliches Volk, es ist sehr kooperativ in jeder Hinsicht und es hat eine relativ kleine Bevölkerung. Wir haben da ungefähr sechs Millionen Menschen in diesem riesigen Land, das heißt, man kennt die Leute dort unten, man kennt die Familien, man weiß, wer wen kennt. Also, es ist ja nicht so, dass jetzt mit dem neuen Regime plötzlich die Kontakte alle neu sind und da neue Menschen sind, so ist es ja nicht. Natürlich sind einige jetzt aus dem Ausland dazugekommen und einige sind rausgegangen, keine Frage. Aber die Netzwerke bilden sich relativ schnell wieder. Aber es ist tatsächlich ein Klinkenputzen, man muss vor Ort sein und die Leute wieder treffen.

Nana Brink: Welche deutschen Unternehmen, welche Branchen können in Libyen Geschäfte machen, können dort punkten?

Laskowski: Also, grundsätzlich ist natürlich der Bereich der Technologien sehr begehrt. Also, Maschinen- und Anlagenbau ist für die deutsche Wirtschaft schon immer ein großer Schwerpunkt gewesen, in der Ölindustrie haben wir nicht nur die Ölfirmen, sondern auch die Zulieferindustrie. Dazu gehört auch der ganze Bereich der Logistik, Infrastruktur ist ein Riesenthema, Straßenbau. Dort muss ja wirklich alles komplett wieder neu saniert werden. Wasserbau, also die ganzen Sanierungsarbeiten, die dort stattfinden. Im Siedlungsbau zum Beispiel, da gibt es zahlreiche Infrastrukturprojekte, wo die Deutschen beteiligt waren und auch weiterhin sein werden.

Nana Brink: Der neue libysche Staat muss ja auch eine Polizeistruktur aufbauen, ein neues Militär. Ist da nicht auch deutsches Know-how gefragt, was ja in der Vergangenheit auch schon war, so das Waffenembargo in Gänze aufgehoben wird?

Laskowski: Ja, sicherlich. Also, da ist es gefragt. Wir werden jetzt auch, wenn wir nach Tripolis reisen, den ein oder anderen Dienstleister dabei haben, der seine Konzepte vorstellen wird. Da ist allerdings abzuwarten …

Nana Brink: … welche Dienstleister, welche Dienstleister meinen Sie?

Laskowski: Dienstleister im Bereich der Sicherheit, wie kann ich zum Beispiel meine Ölraffinerien, wie kann ich meine Anlagen dort unten sichern, wie kann ich meine Pipelines sichern? Das sind alles Fragen, die sich natürlich die Investoren vornehmlich auch stellen, und dazu haben wir einige Anbieter aus Deutschland, die sich mit uns auf die Reise machen werden, wenn wir nach Tripolis reisen werden.

Nana Brink: Haben Sie ungefähr eine Vorstellung, welchen Umfang denn diese Beziehungen wieder annehmen werden? Ich habe es ja am Anfang gesagt, Deutschland war der drittgrößte Handelspartner. Wird das wieder so werden?

Laskowski: Ich bin sicher, dass das so werden wird. Wir haben den Vorteil, dass sich dort ganz neue Strukturen auftun, das heißt, die ganze Region. Wir reden da nicht nur von Libyen, wir reden auch von Tunesien, Ägypten, die Anrainerländer, die sich jetzt auch auf neue Wege begeben und neue Kooperationen suchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich in dieser Region wirtschaftlich sehr viel tun wird und die deutsche Wirtschaft davon absolut profitieren wird, weil sie halt ein sehr gutes Renommee hat nach wie vor.

Nana Brink: Katrin Laskowski war das vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Schönen Dank, Frau Laskowski, für das Gespräch!

Laskowski: Sehr gerne!


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