Klingende Biografie

Rezensiert von Adelheid Wedel · 27.01.2006
Das Hörbuch "Mozart. Leben in der Musik" bringt dem interessierten Laien den Komponisten näher. Dabei bedient es sich der Vorteile des Mediums, so dass dem Hörer ein akustisches Zeitkolorit geboten wird. Lesungen aus den Briefen Mozarts korrespondieren mit Auszügen aus seinen Werken.
Welch ein Glück, dass es vor 250 und auch vor 220 Jahren weder Telefon noch elektronische Post gab. So ist es dem Federkiel, dem Papier, der Tinte und natürlich dem Fleiß des Schreibers zu verdanken, dass wir heute so authentische Zeugnisse aus Mozarts Zeit haben, die uns helfen, sein Leben zu betrachten.

"Allerliebstes Bäsle Häsle! Ich habe heute den Brief schief von meinem Papa haha auch richtig in meine Klauen bekommen strommen. Ich hoffe, Sie werden auch meinen Brief Trief, welchen ich ihnen aus Mannheim geschrieben, erhalten haben schaben. Desto besser, besser desto."

Diesen Brief unterzeichnet Mozart mit "der alte junge Sauschwanz Wolfgang Amade Rosenkranz". So launige, spaßige Briefe sind erhalten geblieben und erfreuen uns noch heute in ihrer Frische und Direktheit. Vor allem die Briefe Mozarts bilden das Gerüst für dessen Lebensbeschreibung, verfasst von Corinna Hesse.

Der Verlag kündigt "Mozart. Leben in der Musik" als klingende Biografie an und in der Tat, hier hat der Hörbuchhörer einen Vorteil gegenüber dem Leser von Biografien. Mit dieser Mischung von Wort und Musik gelingt eine ganz besondere Form der Darstellung, biografische Daten werden mit den Klängen unterlegt, die zu jener Lebenszeit entstanden.

"Als der Vater krank ist und Wolfgang nicht an sein geliebtes Instrument darf, macht er lautlos Musik in seinem Kopf. Er schreibt seine 1. Sinfonie."

Da erübrigt sich jede Beschreibung, man bekommt praktischerweise die Musik gleich mitgeliefert. Allerdings werden die Kompositionen nie aus-, sondern lediglich angespielt. Für den empfindlichen Musikliebhaber sicher eine Qual. Aber der Hörer, der neugierig auf Informationen aus Mozarts Leben ist, wird dankbar sein für auch musikalische Informationen. Und mehr wollen die Einspiele nicht sein als eben Untermalung und vielleicht Impulsgeber für einen Konzertbesuch demnächst oder den CD-Kauf von Mozarts Musik.

Überhaupt haben es sich die Verlagsgründerinnen von Silberfuchs zum Ziel gemacht: Sie wollen ihre Begeisterung für klassische Musik weitergeben, mit dem Hörer gemeinsam die Kunstfülle entdecken. Dabei haben sie auch an ein junges Publikum gedacht, das auf diese Weise an klassische Musik herangeführt werden soll. Mit dieser Mozart-Ausgabe, der zweiten Produktion des jungen Labels, könnte es ihnen gelingen, denn Corinna Hesse hat einen Text verfasst, der völlig uneitel, in flüssigem Erzählton mitteilt, was sie aus dem Leben des Komponisten ausgewählt hat, um dem musikalischen Laien ein Werk zu erschließen. Dabei wird vor allem der Zusammenklang von Leben und Komposition betont.

Die Autorin bietet ihre Wertungen an. Die "Zauberflöte" nennt sie die "Mutter aller Musicals", eine Sammlung von Evergreens; mit der Oper "Idomeneo" schreibt Mozart seine "künstlerische Unabhängigkeitserklärung"; Don Giovanni ist der Verführer, der das Leben zur Kunst erklärt, ein Außenseiter, der die Gesetze der Gesellschaft nicht anerkennt. Diese Oper hat Mozart im Todesjahr des Vaters geschrieben.

Dem komplizierten Vater-Sohn-Verhältnis spürt das Hörbuch ebenfalls nach. Wir erfahren, dass der Vater den Sohn ermahnt, nur ja das Populare beim Komponieren nicht zu vernachlässigen. Es dauert lange, bis sich der Sohn emanzipiert und seinerseits dem Vater Ratschläge gibt, beispielsweise er solle seinen Stolz bewahren, auch wenn ihn die "Hofschranzen gar schief ansehen".

Immer wieder sind es die Briefe, die den Menschen Mozart am deutlichsten nachzeichnen, die seine Gedanken und Gefühle offenbaren. An seine Frau Constanze schrieb er die zärtlichste Post:

"Du kannst nicht glauben, wie lang mir die Zeit ohne dich war. Ich kann dir meine Empfindungen nicht erklären. Es ist eine gewisse Leere, die mir halt wehe tut. Ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört. Immer fort dauert. Ja von Tag zu Tag wächst."

Der Schauspieler Henning Westphal liest diesen Brief vor. Er gestaltet mit seiner Kunst das gesamte Hörbuch. Er passt die Tonlage den jeweiligen Rollen an, die er übernehmen muss, er ist der Vater Leopold, ist Mozart selbst, er liest zeitgenössische Berichte und auch die Kommentare und Verallgemeinerungen der Autorin. Das ist alles sehr bescheiden und überschaubar. Im Interesse des Erzählflusses vielleicht auch sinnvoll.

Dennoch meldet sich bei mir der Wunsch, ich hätte gern für Mozart eine eigene Stimme, etwas, das sich heraushebt, das ausschließlich die Hauptfigur bedient.

Ein wenig geheimnisvoll stellt der Text im 16-seitigen Beiheft die Frage nach dem Rätsel Mozarts, nach dem Ursprung seiner Genialität. Dieses Hörbuch will das Rätsel nicht lösen, aber es begibt sich auf Spurensuche und setzt dabei Markierungen. Selbst Gerüchte werden erwähnt, erörtert, bisweilen widerlegt. So wird zum Schluss die Legende vom völlig verarmten Mozart, der vergiftet wurde und ein Armengrab bekommt, in die Realität geholt:

"Tatsache ist, dass er an einer Infektion stirbt. Hitziges Frieselfieber nennt man das. Sein Begräbnis ist schlicht. Wie in Wien damals üblich. Kein Grabstein, keine große Trauerfeier."

Corinna Hesse liebt die Musik Mozarts. Sie nennt es ein Glück der Nachwelt, dass sie noch heute von diesem Klang zehrt. Hinzuzufügen ist, dass es einem Wunder gleicht, wenn Musik, die vor reichlich 200 Jahren entstand, auch heute ihr Publikum findet.

"Mozart hat die Sprache der Musik nicht neu erfunden, aber er hat mit ihr seelische Dimensionen erreicht wie kein anderer Komponist."


Corinna Hesse: "Mozart. Leben in der Musik"
Silberfuchsverlag 2006.
2 CDs, Spieldauer 95 Minuten, 22 Euro
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