Klimawandel nach Vulkanausbruch 1816

Schnee im Hochsommer

Ausbruch des Vulkans Popocatepetl in Mexiko; Aufnahme vom 6. Juli 2013
Vulkanausbruch des Popocatepetl in Mexiko 2013. Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora hatte ungleich größere Ausmaße. © picture alliance / dpa
Von Günther Wessel · 24.04.2015
Eine riesige Aschewolke ließ keine Sonnenstrahlen mehr auf die Erde: Nachdem 1815 der indonesische Vulkan Tambora ausgebrochen war, änderte sich das Wetter weltweit. Ein Hungerjahr folgte. Die Cholera brach aus. Gillen D'Arcy Wood macht in "Vulkanwinter 1816" die dramatischen Folgen von Klimaveränderungen deutlich.
Der Ausbruch des Tambora am 10. April 1815 war der größte Vulkanausbruch der letzten tausend Jahre. 1500 Meter Bergspitze wurden bei der Explosion weggesprengt, insgesamt 150 Kubikkilometer Gestein – zum Vergleich: Der Bodensee fasst 50 Kubikkilometer.
Danach schlug das Klima drei Jahre lang Kapriolen: 1816 war auf der Nordhalbkugel das "Jahr ohne Sommer". In Mitteleuropa verfaulten und erfroren die Saat auf den Feldern, an der Ostküste Nordamerikas schneite es mitten im Hochsommer, in China gab es Hochwasser, während in Indien der Monsun ausblieb und die Ernte verdorrte.
Das Hungerjahr 1816/17 löste Siedlertrecks in die USA aus
Gillen D'Arcy Woods Verdienst ist es, dass er Phänomene, die sich weit entfernt voneinander und auch mit zeitlichem Abstand vom Vulkanausbruch ereignen, zu einer historischen Erzählung verbindet: Das Hungerjahr 1816/17 war einer der Auslöser für den ersten großen Siedlertrecks in den USA - über die Appalachen in den Mittleren Westen. Auch erfolgte nach 1817 die erste große Auswanderungswelle von Europa nach Nordamerika.
Parallel dazu verbreitete sich die erste weltweite Choleraepidemie: Von Nordindien aus trugen Hungernde den Erreger ins regenreichere Bengalen. Britische Truppen brachten die Krankheit nach Nepal und Afghanistan, von dort verbreitete sie sich weiter Richtung Mekka und Europa. Als die Cholera 1832 New York erreichte, wusste niemand, dass sie eine Folge des Vulkanausbruchs von 1815 war.

Beeinflusste der Ausbrauch die Werke Turners und Constables?

Gillen D'Arcy Wood fügt Bausteine zusammen. Er schreibt über Literatur und Malerei – es ist kein Zufall, dass Mary Shelley ihren "Frankenstein" nach sturmumtosten, düsteren Gewittertagen im Sommer 1816 am Genfer See schrieb und auch keiner, dass die Bilder William Turners, John Constables und Caspar David Friedrichs in den Jahre 1815/1816 besondere Farbspektren aufwiesen. Wie es auch kein Zufall ist, dass die englische Marine ab 1820 intensiv nach der Nordwestpassage suchte, ein Vorhaben, bei dem zahlreiche Männer erfroren.
Die Wetterveränderungen nach dem Vulkanausbruch hatten in den Jahren bis 1818 für große eisfreie Flächen im Polarmeer gesorgt, wie Walfänger berichteten. Als die Expeditionen starteten, waren die Klimabedingungen im Polarmeer aber wieder normal. Fazit des Autors: Ohne dass es die Menschen wussten, betraf der Vulkanausbruch sie weltweit und zwar über mehrere Jahrzehnte.
Dieses gut lesbare und faktenreiche Buch ist auch ein Weckruf: Wenn eine kurzfristige Klimaveränderung von drei Jahren solche Folgen zeitigt, wie werden denn die künftigen Auswirkungen eines sich über Jahrzehnte hinziehenden Klimawandels mit Dürren und Flutkatastrophen, Missernten und Hungermärschen aussehen? Gillen D'Arcy Wood gibt einen ersten Eindruck dazu. Schön wird es nicht.

Gillen D´Arcy Wood: Vulkanwinter 1816 - Die Welt im Schatten des Tambora
Aus dem Englischen von Heike Rosbach und Hanne Henninger
Theiss Verlag, Darmstadt 2015
336 Seiten, 29,95 Euro