Klimaschutz

Die USA sind wieder "Wettbewerber in der Klimapolitik"

Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington
Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington © dpa / picture-alliance / Matthew Cavanaugh
Klaus Töpfer im Gespräch mit Gabi Wuttke · 03.06.2014
30 Prozent weniger CO2 bis 2030 – das sind US-Präsident Obamas Pläne für die amerikanischen Kohlekraftwerke. Klaus Töpfer vom Potsdamer IASS-Institut findet, dass Amerika damit wieder eine Führungsrolle im Klimaschutz übernimmt.
Gabi Wuttke: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht. Vor acht Jahren brannte der Weltklimarat der Vereinten Nationen diesen Satz in viele Köpfe ein. Aber es dauerte, bis auch die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr zaudern wollen. Präsident Obama will den Kohlekraftwerken an den Kragen. In 16 Jahren sollen sie 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen.
Barack Obama: "Heute kommen etwa 40 Prozent des Kohlenstoffausstoßes in Amerika aus Kraftwerken. Aber es gibt keinerlei landesweit geltenden Obergrenzen dafür, was bestehende Kraftwerke in die Luft blasen dürfen, keine. Das ist nicht klug, das ist nicht sicher und es hat keinen Sinn."
Wuttke: Die USA peilen also erstmals ein verbindliches Klimaschutzziel an. Vernunft soll regieren. Aber erfüllt Obamas Ankündigung die Erwartung von Klimaschützern in aller Welt? Am Telefon begrüße ich Klaus Töpfer, den langjährigen Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Ex-Bundesumweltminister, heute Direktor des Nachhaltigkeitsinstituts IASS in Potsdam. Einen schönen guten Morgen, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Wenn Obama das durchboxt, geben die USA endlich ein maßgebliches Signal für den weltweiten Klimaschutz?
Töpfer: Als psychologisches Signal kann man das gar nicht überschätzen, das ist eine große Sache. Und die Reaktionen, die wir in Deutschland und weltweit haben, bestätigen das ja auch. Es zeigt: Die Amerikaner, die USA sind dabei, wieder Führungsrolle auch in diesem Teilbereich weltweit zu werden. Das ist vor der so wichtigen Konferenz 2015 in Paris ein wirklich ganz, ganz wichtiges Signal.
Und es zeigt natürlich auch, dass der Präsident alle Möglichkeiten ausschöpft, denn dieses durch die Parlamente in den USA zu bekommen, wäre extrem schwierig, und deswegen geht er den Weg über die Umweltbehörde. Und dies wird sicherlich auch ein Grund dafür sein, dass so intensivst auch auf die gesundheitlichen Risiken dieser Emissionen hingewiesen wird.
Wuttke: Aber er geht auch den Weg, anzusetzen beim CO2-Ausstoß der USA im Jahr 2005. Sie haben schon gesagt, Obama setzt damit ein Signal. Offensichtlich aber doch auch vor allem ein politisches, indem er sich schon mal ein bisschen für die Geschichtsbücher schönrechnet. Aber tut er das für die Umwelt dann auch?
2005 als Bezugsjahr ist geschickt gewählt
Töpfer: Ich bleibe zunächst einmal bei der positiven Seite. Sicher, Sie haben völlig recht, das Jahr 2005 ist nicht ganz ohne Bedacht gewählt, das war nebenbei auch in seiner Ankündigung in Kopenhagen bei dem doch gescheiterten Klimagipfel damals 2009 der Fall. Warum 2005? In der Zwischenzeit, gerade in dieser Zeit hat die USA ihre Energieversorgung drastisch verändert, es ist ein neuer, wenn Sie so wollen, Energieträger dazugekommen, das sogenannte Schiefergas, das Shale Gas, das bei uns zu Recht mit großen Vorbehalten betrachtet wird, um es mal ganz vorsichtig zu sagen.
Das Gas wird aber in den Kraftwerken jetzt zunehmend verbrannt, hat einen wesentlich geringeren CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Strom, das ist der große Vorteil. Und seit 2005 bis heute sind die Emissionen von CO2 aus Kohlekraftwerken um etwa 13 Prozent gesunken, sodass knappe 50 Prozent des Gesamtziels bereits im Kasten sind, um es mal etwas lax zu sagen.
Fracking-Anlage in Pennsylvania, USA
Fracking-Anlage in Pennsylvania, USA© picture alliance / dpa / Jim Lo Scalzo
Aber ich sage noch einmal, es ist auch und gerade unter dem Gesichtspunkt, dass man flexibel das umsetzen kann, ja nur das absolute Muss. Da wird sicherlich auch eine Veränderung in Technologien kommen und er wird zeigen, dass wir in der Klimapolitik endlich, endlich wieder einen Wettbewerber auch zu Europa und Deutschland haben.
Plädoyer für flexible Lösungen
Wuttke: Und wie lax ist es für Sie, dass Obama den Kohlekraftwerksbetreibern weitgehend offenlässt, wie sie das CO2 reduzieren?
Töpfer: Diese Frage nach Flexibilität ist auch bei uns immer und immer wieder eine sehr wichtige. Wenn wir sagen, die Lösung muss verbunden werden mit einem Preis für CO2, dann ist das ja auch eine Flexibilisierung, wenn Sie so wollen. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, wie wir bei uns sehen. Und deswegen ist es schon eine klare Vorgabe, 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß aus Kohlekraftwerken bis 2030. Wir haben selbst im IASS vor Kurzem einen Vorschlag vorgelegt, wie man das etwa mit einer sehr auch kreativ gestalteten Begrenzung der Emissionen aus Kohlekraftwerken bewältigen kann.
Es gibt also auch bei uns selbst diese Überlegungen, wir sind nicht die Einzigen, die darüber nachdenken. Wir müssen auch in Deutschland deswegen zu einem Kohlekonsens kommen, der auch wiederum flexibel sein soll und muss. Ob wir das mit besseren Effizienzzielsetzungen erreichen, ob wir das erreichen, was ich in besonderer Weise mit unterstreiche, über den noch verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien, dies sei dann sicherlich ein Stück offengelassen.
Entscheidend ist, dass die klimapolitische Ausrichtung auf CO2 damit noch mal deutlich unterstrichen wird, und alle diejenigen, die meinen, da würde in USA oder vielleicht auch in China nur drüber geredet, aber nicht gehandelt, sind jetzt doch ein bisschen nachdenklicher, hoffe ich.
Und Sie werden sehen, auch China wird auf diesem Gebiet nicht zuletzt auch angestoßen durch diese Entscheidung vorangehen. Dort sind die Wirkungen des Klimawandels ja nicht mehr rein theoretisch, ganz im Gegenteil, wir sehen sie sehr drastisch, nebenbei in den USA in Teilbereichen ebenfalls.
Klaus Töpfer, Leiter des Institute for Advanced Sustainability.
Klaus Töpfer, Leiter des Institute for Advanced Sustainability.© picture alliance / dpa / Markus Scholz
Wuttke: Sie haben ja schon von der ökonomischen Vernunft gesprochen. Aber, Herr Töpfer, als letzte Frage: Was glauben Sie, was brauchte es, um die Amerikaner aufzurütteln und auf seine Seite zu ziehen? So etwas wie den Hurrikan Sandy? Oder hat Obama letztlich doch sehr lange ein ziemlich dickes Brett gebohrt?
"Wir müssen handeln"
Töpfer: Ja, dass man die letzte Variante sehen muss, ist ganz sicher richtig. Es gibt sehr viele kritische Kommentare, wie sicher ist das abgedeckt, die wissenschaftliche Seite. Und das ist ja auch nicht von vornherein nur zu kritisieren. Wissenschaft ist immer verbunden mit Kritik, mit Überprüfung, mit der Notwendigkeit, noch weitere Beweisstücke zu liefern. Aber das eben darf nicht zu einem Alibi für Handeln werden.
Wir müssen handeln, die Indizien, die wissenschaftlichen Kenntnisse sind so, dass gehandelt werden muss, und deswegen wird auch das Vorgehen von Obama ganz sicherlich unter politischen Gesichtspunkten in den USA sehr, sehr viele, na ja, Diskussionen auslösen und sie weitertragen. Ich sage noch einmal: Es ist eine Herausforderung, diese Entscheidung, auch für die anderen in der Welt, nicht zuletzt für Europa und Deutschland.
Wuttke: Sagt Klaus Töpfer im Deutschlandradio Kultur. Herr Töpfer, besten Dank und schönen Tag!
Töpfer: Danke Ihnen sehr herzlich, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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