Kleiner leben

Minihäuser und Bauwagen als Wohnformen der Zukunft?

Tiny House ( Minihaus ) fuer den kleinen Geldbeutel, so sollen wieder mehr Leute nach Detroit gelockt werden.
Für den kleinen Geldbeutel: Minihaus in den USA. © picture alliance / Benjamin Beytekin
Von Brigitte Schulz · 05.12.2016
Die Tiny-House-Bewegung aus den USA hat mittlerweile auch Deutschland erreicht: Nur ein paar Quadratmeter Wohnfläche und ein Fahrgestell, das macht ein solches kleines Häuschen aus. Doch in der Deutschland werden die Anhänger mit widersprüchlichen Gesetzen ausgebremst.
"Man muss in so einem Wagen mal drin gewesen sein, dann kann man das nachempfinden, dieses Glück, auch in so einem Wagen zu wohnen. Also für mich ist das ein Stück Glück."
"Ich will ein selbstbestimmtes, würdiges Leben haben, und das ist nur zu verwirklichen, wenn ich mir einen kleinen Wohnraum schaffe, so Kapsel, eine Raumkapsel."
"Mich hat von Anfang an fasziniert, so einen mobilen Wohnraum zu haben, den man einfach mitnehmen kann. Das ist ein kleines Haus, Tiny Haus, ist schon ein Schlagwort geworden."
Das Wohnen in Tiny Houses – übersetzt "winzige Häuser" - ist eine Bewegung aus den USA, die mittlerweile Deutschland erreicht hat. Die Minihäuser oder Bauwagen stehen auf Rädern und können mit einem Zugfahrzeug transportiert werden. Für viele sind sie mittlerweile zum Dauerwohnsitz geworden: kostengünstig, ökologisch und effizient. Gravierender Nachteil: Das Wohnen in Tiny Houses oder Bauwagen ist in Deutschland oft illegal oder bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.

"Hier ist der Bauwagen mit dem zentralen Eingang, dahinter folgt mein Wohnabteil, besteht aus Sessel und Bett, Einbaumöbeln. Dann gehen wir ins Bad, klein, aber oho, passt alles. Ich hab hier die Dusche, daneben die Waschmaschine, Handwaschbecken. Hier ist meine Kompost-Trenntoilette, riecht nicht, wie sie merken, ist völlig geruchsneutral."
Bad Belzig, 70 Kilometer vor Berlin. Am Waldesrand lebt Tischlermeister Richard Wandel zurzeit in seinem selbst gezimmerten Schindelwagen, auch Bau-oder Zirkuswagen genannt. Drei Meter breit und acht Meter lang ist das mobile Heim: Sein gewölbte Dach verleiht ihm Höhe; im Innern duftet es nach Kiefernholz. Tritt man auf die Terrasse, steht man auf einer Wiese mit Blick auf den Wald.

Das Hab und Gut auf einen Blick

Wie viele Tiny-House-Anhänger hat Wandel schon einige Wohnformen ausprobiert: Er war Hausbesetzer, Familienvater in einer großen Altbauwohnung in Berlin und lebte viele Jahre auf dem Land. Was hat ihn bewogen, sein Leben auf 21 Quadratmeter Wohnraum zu reduzieren?

"Die Übersicht: Mein Hab und Gut habe ich mit einem Blick erfasst, ich kann sparsam leben, also ich hab nicht diesen Druck, unheimlich viel zu schaffen, weil meine Nebenkosten im Bauwagen liegen bei berechnet etwa 17 Euro im Monat, und das ist erstmal eine sehr sparsame Wohnform. Saubermachen geht ruckzuck, ja und es ist muckelig, ich glaube, wir Menschen haben noch Höhlenbewusstsein aus der Steinzeit in uns."
Richard Wandel heizt mit Holz, durch die gute Isolierung ist es den ganzen Tag über warm. Strom liefert eine Solaranlage und Wasser bezieht er über einen Gartenschlauch, der ans öffentliche Wassernetz angeschlossen ist. Die Trocken- oder Komposttoilette wird regelmäßig entleert und ihr Inhalt als Dünger genutzt, Späne aus Rindenmulch wirken geruchsneutralisierend.
"Jedes Holz muss immer geschliffen werden, die Handarbeit bleibt. Am Schluss, wenn man dann drüberfährt, ah, ist das schön!"
Wandels Schindelwagen steht auf dem Gelände des Bad Belziger Ökokombinats, ein Firmenverbund von ökologischen Unternehmen. Auch Richard Wandel hat hier eine Halle gemietet, in der der Tischlermeister mittlerweile Bauwagen für eine immer größer werdende Fangemeinde anfertigt:
"Erst einmal politisch interessierte Menschen, die der durchgedrehten Konsumgesellschaft entgehen wollen und einfach sich auf das Wesentliche besinnen wollen. Im Augenblick zeichnet sich ab, dass es eine eher reifere Klientel ist, die das Geld haben und sich damit auch ihren Jugendtraum erfüllen können oder jetzt den Mut fassen, ihr Leben zu verändern."

Das Haus verkauft, ein Tiny House bauen lassen

Die Bauwagen von Richard Wandel sind so ausgestattet, dass man dauerhaft darin leben kann. Sie kosten etwa 40.000 Euro – eine Summe, für die die 63-jährige Elisabeth Adler einen Kredit aufnehmen musste. Bereut hat sie das nicht:
"Ich habe das große Haus verkauft, bin woanders hingezogen, hatte ein Haus gemietet, dann ist das ziemlich schiefgegangen mit dem Vermieter, und da habe ich sehr viel Geld investiert. Und dann habe ich gesagt: 'Nie wieder!' Wenn ich noch mal umziehen will oder muss, dann mit meinem Haus, dann nehme ich alles mit, was drin ist. So, dann können wir mal reingehen. Ich hab ein Wohn-Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer und eine Küche und ein Bad, und das alles im Wagen unterzubringen, war eine Denksportaufgabe..."
Elisabeth Adler hat ihren Wohnraum von 125 Quadratmetern auf 24 reduziert. Sich ganz bewusst für oder gegen einen Gegenstand zu entscheiden, auch das ist Teil der Tiny-House-Philosophie:
"Hauptthema für mich persönlich ist eigentlich die Ruhe und die Freude, die ich an der Natur habe. Ich finde es herrlich, auf der Terrasse zu sitzen und die Meisen sitzen nebendran am Futterhäuschen und bringen ihre Familie mit und zeigen denen dann, wie man ein Futterhäuschen anfliegt. Kann ich stundenlang sitzen, brauche ich keinen Fernseher."
Innenansicht eines Tiny House
Innenansicht eines Tiny House© Deutschlandradio Kultur / Brigitte Schulz
Elisabeth Adler und Richard Wandel laden öfter Freunde zum Essen in ihre Bauwagen ein, fünf Leute passen an den Tisch. Nur bei größeren Familientreffen weichen sie auf ein Restaurant aus. Beide wären rundherum zufrieden mit ihrem neuen Leben, wäre da nicht die Rechtsunsicherheit: Nur auf einigen Campingplätzen ist das dauerhafte Wohnen in einem mobilen Heim legal, doch das kommt für sie momentan nicht in Frage. Bauwagen als Dauerwohnsitz sind laut Bauordnung und Flächennutzungsplan nicht erlaubt; sie sind auch keine offizielle Meldeadresse. Die Rechtsunsicherheit bleibt, auch wenn Richard Wandel und Elisabeth Adler sich nicht als Dauerwohner sehen. Für sie sind ihre Bauwagen Prototypen, deren ökologische Nachhaltigkeit sie testen, indem sie den Energieverbrauch und die Klimabedingungen im Innern genau dokumentieren.
"Es ist schon Nervensache, als Jugendlicher oder als junger Mensch kann man mit diesen Unwägbarkeiten gut zurechtkommen, wenn man was tut, was eigentlich ja verboten ist, aber mit zunehmendem Alter wünscht man sich eben Frieden. Und wenn man den nicht bekommt, weil die Behörden oder die Nachbarn einfach das nicht gut finden und einem da Knüppel zwischen die Beine legen, das ist der Nachteil."

Ein Ort zum zur Ruhe kommen

Sechshundert Kilometer von Bad Belzig entfernt steht ein kleines Haus auf Rädern mitten auf einer Wiese in der Schwäbischen Alb: Besitzerin ist die 49-jährigen Ulrike Schaich. Es ist ein kühler Abend im Herbst; der Blick aus den vier Fenstern fällt nur auf Himmel, Felder und das bunte Laub der sich verfärbenden Bäume. Ulrike Schaich legt Holzscheite in den Ofen, und bald schon wird es kuschelig warm.
"Mein Leben ist ziemlich komplex und ich hab tausenderlei Dinge unter einen Hut zu bringen, stell mich in meinem Berufsalltag und im Familienalltag immer sehr viel ein auf andere Menschen und ich hab gemerkt, wenn ich da jetzt nicht einen Ort habe, an dem ich wirklich auch zur Ruhe kommen kann, dann schnapp ich irgendwann mal über. Und das Tiny House ist für mich dieser Ort. Ich kann hier wirklich die Tür hinter mir zu machen und bin weg von der Welt, und das ist ungeheuer erholsam."
Ulrike Schaich arbeitet halbtags als Pfarrerin, ihr Hauptwohnsitz ist eigentlich der restaurierte Bahnhof von Ohmenhausen, ein dörflicher Stadtteil von Reutlingen. Der Bahnhof steht unter Denkmalschutz und wurde so ausgebaut, dass fast alles Gemeinschaftsräume sind – nur der Sohn hat ein eigenes Zimmer. Ihr Traum von einem mobilen Zuhause reicht bis in die Kindheit zurück, als sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern im Wohnwagen in Urlaub fuhr: Ihren sonst sehr ernsten Vater erlebte sie in dieser Zeit als zugewandt, glücklich und entspannt. Die positiven Gefühle, die sie mit dem Leben im Wohnwagen verbindet, waren ein wichtiger Grund für den Kauf des Tiny House.
Auch Ulrike Schaich hat die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, legal in einem Tiny House zu wohnen. Obwohl die Wiese ihr gehört, darf es dort nicht stehen, denn laut Flächennutzungsplan ist dies keine Wohnfläche. Der Flächennutzungsplan regelt in den Gemeinden, wo gebaut werden darf und welche Flächen dem Wohnen, der Erholung oder dem Gewerbe vorbehalten sind. Ulrike Schaich musste sogar eine Baugenehmigung beantragen, um das Häuschen später auf ihrem Grundstück vor dem eigenen Haus aufzustellen – das Verfahren läuft. Eine Hürde ist dabei die Bauordnung: Diese schreibt beispielsweise vor, dass man an das Strom- und Abwassernetz angeschlossen sein muss, bestimmt die Höhe der Wände und wie die Dämmung beschaffen sein soll. Eine Trockentoilette ist gar nicht vorgesehen:
"Man braucht ja nicht so viel in einem Tiny House. Ich brauche auch kein Stromnetz, ich habe ein Solarpanel, das reicht mir an Strom und ich sorge selber dafür, dass mein Abwasser ordnungsgemäß entsorgt wird, das ist in Ordnung. Müll, da braucht es eine Mülltonne, die ich mitbenutzen darf. Wenn es da eine Möglichkeit gäbe, dass man da nachweisen kann: Ich hab dafür gesorgt, dass alles in Ordnung ist und ich muss nicht jeden einzelnen Aspekt so solide geregelt haben wie ein Häuslebesitzer mit einem festen Haus, das wär schon sehr praktisch."

Die Bauordnung überdenken

Ulrike Schaich glaubt, dass man in Hinblick auf die Tiny House-Bewegung die Bauordnung neu überdenken und anpassen sollte – dann könnte man mit den Minihäusern sogar die Wohnungsnot lindern. Als neulich an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt im benachbarten Nürtingen eine Veranstaltung zum Thema "Wie wollen wir wohnen? stattfand, hat sie ihr kleines Haus vor die Hochschule gefahren – als Anschauungsmodell. Anschließend baute man mit Flüchtlingen zusammen ein Tiny House, das nun als Bibliothek oder Gemeinschaftsraum genutzt werden kann. Ulrike Schaich ist überzeugt, dass die kleinen Häuser auch sozial Schwachen ein autonomes Leben ermöglichen könnten:
"Ich denke, das ist wirklich eine Möglichkeit, wie man günstig wohnen kann und sich trotzdem reich fühlen kann, weil man einfach alles hat, was man braucht und das einfach auf eine schöne Art.
Ich sehe tolle neu gebaute Häuser, die mit viel Finanzeinsatz hingestellt werden, daneben sehe ich Menschen, die wirklich um das Allernotwenigste jeden Tag neu kämpfen müssen und für die das auch eine große Entlastung wäre. Wenn man da Wohnraum auf die Art und Weise haben könnte, dass ein Mensch für sich selber sorgen kann, dass er autark sein kann, das gibt ja auch wieder Kraft. Und er fühlt sich dann auch kompetent in seinem Leben, das ist eine Qualität."
Der Amerikaner Jay Shafer gilt als Gründer der Tiny-House-Bewegung, die 2008 durch die Immobilienkrise in den USA einen Aufschwung erfuhr. Was als Lifestyle der Überflussgesellschaft begann: to downsize, also den Wohnraum verkleinern und sich auf das Wesentliche im Leben besinnen, ist in den USA auch eine Lösung für soziale Probleme geworden. Opportunity Village in Eugene, Oregon, beispielsweise umfasst 30 Tiny Houses, die ehemals Obdachlosen eine neue Bleibe sichern. Finanziert wird das durch Spenden.
Vor allem in städtischen Vororten der USA entstehen immer mehr Tiny-House-Gemeinschaften mit Menschen, die sich bewusst für diese Lebensart entscheiden. Im Gegensatz zu den amerikanischen Trailer-Parks oder deutschen Wagenburgen umfassen sie nur wenige Mobilheime; das Gemeinschaftsleben und der ökologische Gesichtspunkt stehen immer im Vordergrund. Ulrike Schaich hofft, dass diese Bewegung auch in Deutschland weiter wächst:
"Ich denke, die besten Chancen, die wir haben, dass es in Zukunft leichter werden könnte, vielleicht ein Tiny House aufzustellen, zu bewohnen, dass es über einen Konsens in der Gesellschaft geht. Wenn die Leute nicht die Befürchtung haben müssen oh, da kommen jetzt irgendwelche abgedrehten Spinner, sondern wenn man da einfach zeigen kann, das ist eine gute und eine solide Art, wie man leben kann, dann denke ich, wird der Konsens größer, dass man sagt, doch, das wollen wir zulassen, dass so was einfach eine Möglichkeit ist."

Jedes Tiny House ist anders

Mittlerweile haben sich einige Handwerker auf den Bau der mobilen Winzighäuser spezialisiert – zum Beispiel Tischlermeister Christian Bock im hessischen Bad Wildungen, der auch das Tiny House von Ulrike Schaich baute und mit ihr zusammen plante. Jedes Haus ist anders und auf die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Kunden ausgerichtet.

"Mein eigentlicher Traum ist, das so ursprünglich und rustikal wie möglich zu machen und so auch den Bezug zur Natur zu bekommen: Damit es warm wird, macht man sich Holz klein und heizt damit und holt sich Wasser rein, wenn man kochen will und solche Sachen."
Die Tiny Houses von Christian Bock sind in der Regel nur acht bis elf Quadratmeter groß. Dass Menschen ein Leben lang in einem solch winzigen Haus wohnen, kann er sich deshalb nur schwer vorstellen, auch Familien rät er eher ab.
"Ich glaube nicht, dass das eine Dauerlösung ist für jemanden, aber einen bestimmten Lebensabschnitt, wenn ich sage, ich habe für fünf oder gar neun Jahre irgendwo eine Stelle, wo ich wohnen möchte. Es gibt viele Leute, die eine Trennung hinter sich haben und die erstmal überlegen, wie geht es weiter, für so was kann ich es mir gut vorstellen. Man muss das erstmal ausprobieren, weil man ja mit einer Beschränkung leben muss, von der Größe und den Sachen, die man um sich rum hat. Da muss man schon den Willen zu haben, sich einzuschränken.
Ein Studentenpaar lässt sich das Holzhaus auf Rädern anfertigen, weil es in Kopenhagen studieren und die horrenden Mieten für ein Zimmer nicht zahlen will. Aufgestellt wird es bei Bekannten in einem Vorort der Stadt – was in Dänemark eher möglich ist als in Deutschland. Christian Bocks Kunden nutzen ihr Tiny House auch als Jagdhütte, Gästewohnung oder Büro.
"Diese verschiedenen Briefkästen spiegeln auch die Vielfalt des Platzes wider. Für Postboten gar nicht so einfach, deswegen haben wir uns so ein Nummernsystem überlegt, hier ist eine Liste, die nach Nachnamen geordnet und dann durchnummeriert ist. Da haben wir Glück hier schon. Unser Gelände ist schon lange öffentlich anerkannt, das heißt, wir können uns schon lange anmelden offiziell, und das ist toll."
Dass man ein Leben lang in einem mobilen Heim wohnen kann und das ganz legal, zeigt das Wagendorf Karow am Rande Berlins. Hier leben 180 Menschen als Gemeinschaft zusammen, ihre Unterkünfte reichen von einfachen Blech- oder Zinkbauwagen bis hin zu größeren luxuriösen Holzhäusern – alle stehen auf Rädern und sind umgeben von Grün. Die Bewohner sehen sich nicht als Tiny-House-Anhänger: Das Wagendorf Karow besteht seit 1993 und ist damit älter als die Bewegung aus den USA.

"Wir machen ein alternatives Modell, keine Aussteiger in dem Sinne, sondern voll Einsteiger auf alternative Wohnformen. Ich fass das immer so zusammen, dass wir hier einen Querschnitt der Gesellschaft sind. Wir haben Leute, die sind Workaholics, die arbeiten rund um die Uhr, jetzt mal als ein Extrem, und wir haben Langzeitarbeitslose, und dazwischen haben wir Künstler, Honorarkräfte, wir haben ganz normale Angestellte, zum Beispiel in der Kindererziehung; dann haben wir auch viele, die studiert haben."

Zwei Kinder in der Wagenburg großgezogen

1993 stellte die Stadt das Grundstück als Ausweichfläche für Wagenburgen zur Verfügung, die in anderen Stadtteilen geräumt wurden. Doch nur ein Wagenburger ließ sich anfangs in Karow nieder, gefolgt von Irina Höfker, die mittlerweile schon 23 Jahre hier lebt:
"Was ich ganz genau wusste, dass ich in einer Gemeinschaft wohnen wollte. Als ich das Gelände zum ersten Mal besucht habe, da wohnte halt nur dieser eine Mensch da, sonst war es komplett leer und ich dachte wow, hier ist alles möglich, hier hat man ne Riesenspielfläche mit Garten, Holz, Metall und das war für mich so das Ding, dass ich dachte, hier kann ich versuchen, in einer Gemeinschaft zu wohnen und gucken, wie sich das für mich anfühlt."
Ihren ersten Wagen hat Irina Höfker selbst gebaut – zwei Kinder zog sie später darin groß:
"Vor allem so zwischen zwei und drei, wo die dann sehr am Erforschen sind ihrer Umwelt: In dem Winter, das war ganz schwierig, da dachte ich, zu dritt in einem ziemlich kleinen Wagen, ich dreh durch, dachte, den Winter überlebe ich nicht. Aber im nächsten Winter war das nicht mehr so, weil da waren die schon älter."
Irina Höfker besitzt heute drei Wagen, in denen sie mit ihrem Freund wohnt: In einem befindet sich das Bad mit Waschmaschine, eigebauter Badewanne, die Küche und eine Wohnecke, ein anderer dient als Schlafzimmer und der dritte als Musik-Übungsraum – die 42-Jährige ist Musikerin und Erzieherin.
Jedes Grundstück hat einen Garten, fließendes Wasser und eine Komposttoilette, die Abwässer werden durch Pflanzenkläranlagen gereinigt und abgeführt.
"Das ist das Gemeinschaftscafé, da kann jeder kommen und essen, das wird meistens durch Essensspenden gestaltet, das wird auch gut angenommen, hier trifft sich so ein bisschen die Leute vom Dorf und Leute von außerhalb, auch manchmal mit Künstlern, manchmal finden Aktionen mit Künstlern statt."

Das Wagendorf ist eine Sondernutzungsfläche

Heute ist das Wagendorf Karow ein eingetragener Verein: Die Bewohner treffen sich jeden Montag in einer Mitgliederversammlung, um gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Es gibt einen Naturkindergarten und einen Waldgarten mit ökologischen Projekten – beides kann von allen Berlinern genutzt werden. Der Pachtvertrag ist unbegrenzt; die Kündigungsfrist beträgt anderthalb Jahre. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen hier eine Ausnahme zu, denn das Wagendorf gilt durch seine Umweltprojekte und die Gemeinschafsidee als "Sondernutzungsfläche" mit experimentellem Charakter.
"Das hängt vom guten Willen des Bezirks ab. Bis jetzt haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Bezirk, deshalb konnten wir noch das neue Gelände dazu pachten. Sie haben in diesem neuen Vertrag eine tolle Präambel geschrieben, wo drinsteht, dass dieses Wagendorf mit die Vielfalt der Gesellschaft darstellt. Und da habe ich so empfunden, der Bezirk hat verstanden, worum es uns geht und wir stellen für die auch einen Gewinn dar, weil wir eine Vielfalt sind unserer Gesamtgesellschaft."
Zu einem offiziellen Interview erklärte sich vom zuständigen Berliner Bezirksamt niemand bereit, obwohl eine Mitarbeiterin am Telefon sagte, sie persönlich unterstütze und schätze das Wagendorf. Das ist kein Einzelfall: Kaum eine Kommune, die Mobilheime akzeptiert, möchte sich dazu äußern. Einen Erklärungsversuch wagt der Stadtgeograph Paul Neupert:
"Es ist ein juristischer Graubereich, die haben von dem Interview nichts, die können dadurch nichts gewinnen. Es ist eben ein sensibles Thema sowohl bei den Betreibern als auch eben von der Verwaltungsseite aus. Die Erfahrung hab ich auch gemacht bei meinen Studien, es ist eben ein Thema, über das viele Leute nicht gerne reden wollen."
Paul Neupert studierte an der Humboldtuniversität Berlin Geographie der Großstadt; er forschte zu Obdachlosigkeit und Gentrifizierung und schrieb seine Masterarbeit über mobiles Wohnen – die erste wissenschaftliche Erhebung zum Thema Dauerwohnen auf Campingplätzen in Deutschland.

"Für das Wohnen auf den Campingplätzen, das ist es ja, was ich mir genauer angeguckt habe, würde ich definitiv sagen, dass es ne prekäre Wohnform ist, dass dort die bestehenden Wohnverhältnisse nicht hinreichend gegen Kündigung und Verlust der Wohneinheit abgesichert sind."
In Deutschland besteht ein Widerspruch: Melderechtlich ist es möglich, legal auf einem Campingplatz zu leben, der Paragraph 10 der Baunutzungsverordnung verbietet dies jedoch: Campingplätze sind der Erholung vorbehalten.

"Die Kommunen haben nun die Möglichkeit da mit einer Duldung Ausnahmen zu ermöglichen, die können das eben dulden, aber diese Duldungen haben nie wirklich eine Verbindlichkeit, die können immer wieder zurückgezogen werden."

Viel Rechtsunsicherheit für diese Wohnform

Was für Parzellen auf Campingplätzen gilt, gilt auch für legale Wagenburgen und geduldete Einzelstellplätze. Sogar wenn eine Kommune diese akzeptiert, kann das Bundesland sein Veto einlegen: So geschehen in Nordrhein-Westfalen, wo das Dauerwohnen auf Campingplätzen seit einiger Zeit verboten ist. Vor allem durch diese Rechtsunsicherheit sieht Paul Neupert in der Tiny-House-Bewegung keine Chance, um steigenden Mieten und Wohnungsnot zu begegnen:

"Wenn man wieder diesen sozialen Wohnungsbau etabliert, kann man auch diese ganze Problemlage, die wir hier überall sehen, ein bisschen entschärfen und da muss sich der Staat dann wieder in seiner Verantwortung zurechtfinden und günstige Mieten ermöglichen - dann brauchen wir nicht darüber reden, ob man nicht mit transportablen Unterkünften da Abhilfe schaffen kann."
Trotz allem ist auch Neupert dafür, die Gesetze unter bestimmten Voraussetzungen zu lockern:
"Wo es vielleicht wirklich überlegenswert ist, ist der Punkt Wagenburgen und Bauwagenplätze und so, also Leute, die das als eine Lebensstilentscheidung wählen, Leute, die kollektiv zusammenleben, Sachen im Konsens entscheiden, da kann man schon hinterfragen, ob man da nicht eine gewisse Öffnung macht, um den Leuten auch so eine Lebensform zu ermöglichen."
Mobiles Wohnen als Lebensstil ja, als Lösung für Wohnungsnot und hohe Mieten nein, so Neupert. Denn stellte man Tiny Houses in Großstädten in großem Umfang auf, würde die ursprüngliche Idee der Bewegung ad absurdum geführt:

"Dieses ganze Tiny-House-Konzept basiert ja eigentlich auf dieser Idee vom Leben im Grünen, das ist so eine Lebensstilfrage: Man möchte sich zurückziehen, man möchte ein bisschen was Grünes haben, aber wenn ich mir vorstelle, eine Uni in München hat ungefähr 50.000 Studierende, wenn ich auch mir auch nur für ein Fünftel von denen überlege, wie könnt ich da mit Tiny Houses rund um die Uni eine Wohnraumversorgung sicherstellen, dann habe ich ein Problem, weil dann ist da nicht mehr viel mit Grün, dann hab ich da Haus an Haus an Haus an Haus, das kriegt eher so einen Slumcharakter, das ist dann nicht mehr schön und das ist dann auch nicht mehr ökologisch. Also in solchen Stadtzentren muss man mehr-etagig bauen, ansonsten funktioniert das einfach nicht."

Im Internet gut vernetzt

Viele Tiny-House-Anhänger träumen davon, mit anderen zusammenzuleben – ein Campinglatz oder in ein Wagendorf käme für die meisten jedoch nicht in Betracht:

"Alles, was über sechs oder acht Leute geht, ist mir zu groß, und ich könnte mir vorstellen vielleicht so mit drei oder vier Gleichgesinnten auf einem Grundstück könnte das funktionieren, möglicherweise mit einem Gemeinschaftsraum dazu, Waschküche, Küche oder so, Bibliothek finde ich interessant."
Hans-Peter Brunner baut sich sein Tiny House selbst: Noch steht es auf einer Wiese bei Freiburg; bis es fertig ist, hütet der 63-Jährige die Wohnungen und Häuser von Freunden in der Umgebung.
Hans-Peter Brunner ist über das Internet gut mit anderen Tiny-House-Besitzern vernetzt, sie beraten sich gegenseitig zu rechtlichen Aspekten oder darüber, auf welchem Anhänger man das Haus am besten transportieren kann. Und sie haben vieles gemeinsam: sind risikofreudig, unkonventionell, kreativ und ihr Leben hatte schon einige Brüche. Hans Peter Brunner beispielsweise hatte ein großes Holzhaus für sich und seine Familie fast ganz alleine gebaut, durch die Scheidung hat er es wieder verloren – eine bittere Erfahrung, wie er sagt. Mit 50 konnte er aufgrund einer Krankheit nicht mehr als Lehrer arbeiten, er machte eine Lehre als Tischler und zog nach Frankreich. Das kleine mobile Haus soll ihm Sicherheit geben:

"Meine Rente ist nicht besonders großzügig ausgefallen, und ich möchte einfach meine Selbstständigkeit bewahren, ich möchte keine Unterstützungen von staatlicher Seite in Anspruch nehmen und ich möchte trotzdem ein würdiges Dasein haben."
Ein wichtiger Aspekt dieser Unabhängigkeit dabei ist, dass das Haus Räder hat – 5000 Euro extra gab Hans Peter Brunner für das Fahrgestell aus, damit sich das Haus einfach transportieren lässt:
"Also für mich spielt das eine große Rolle, die Mobilität, irgendwie die Möglichkeit haben, wenn es wirklich drauf ankommt, das Ding anzuhängen und irgendwo hinzufahren, und wenn es nur ein paar Kilometer weiter ist. Denn mit diesem Haus auf diesem Anhänger kann ich, wenn ich möchte, heute Nachmittag, wenn ich das entsprechende Zugfahrzeug habe, loslegen und wenn es sein muss, bis ans Nordkap fahren."

In Frankreich sind die Gesetze nicht so streng

Die Mobilität ist nur ein Aspekt - natürlich möchte auch er sich in seinem Häuschen dauerhaft niederlassen. Die Rechtsunsicherheit bereitet ihm dabei im Moment kein Kopfzerbrechen:

"Ehrlich gesagt, absolut keine Idee wo ich das Tiny House aufstellen soll, aber ein großes Vertrauen, dass ich den Platz finden werde."
Falls er hier keinen geeigneten Stellplatz findet, wird er über die nahe gelegene Grenze nach Frankreich ziehen: Dort sind die Gesetze nicht so streng und es gibt Gemeinden, die Land an Tiny-House-Besitzer verpachten.
Jeder hat seine eigene Strategie und Zukunftsvisionen: Richard Wandel aus Bad Belzig beispielsweise beauftragte einen Architekten damit, eine sogenannte Bauvoranfrage auszuarbeiten, um die baurechtlichen Aspekte seines Wagens zu klären – bei positivem Bescheid stellt er einen Bauantrag. Sein Ziel ist, später einmal mit andern auf einem Grundstück zusammenzuleben. Da dafür viele kostspielige Gutachten nötig sind, möchte er einen Förderverein gründen, der dies finanziert. Außerdem ist er im Gespräch mit Gemeindevertretern, die signalisiert haben, dass sie sich unter bestimmten Voraussetzungen durchaus vorstellen können, Land zu verpachten:
"Ich streite dafür, dass das noch in meiner Lebenszeit möglich wird, sich einen Briefkasten und eine Klingel draußen anzuhängen, und dass der Postbote kommt und ganz normal 'guten Morgen' sagt und die Post abgibt. Aber ich bin zuversichtlich, die Zahl der Menschen nimmt stetig zu, die diese Wohnform wollen und die Politik kann die Augen davor nicht ewig verschließen, dass es da gesetzliche Änderungen braucht, um diese Wohnform zu ermöglichen."
Übrigens: Interviewpartner für dieses Thema zu finden, war schwer, denn niemand möchte Ärger mit den Behörden bekommen. Die Interviewten glauben, dass es mittlerweile viele Tiny-House-Besitzer gibt, die illegal in ihren Mobilheimen wohnen: Diese leben unterhalb des Radars, wie sie es selbst nennen. Alle, die in dieser Sendung sprachen, taten es, weil sie hoffen, durch Öffentlichkeitsarbeit etwas an der Situation zu verändern.
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