Kleine Kerle in großen Nöten

25.09.2013
Eine Bande von Halbwüchsigen will eine Bank ausrauben und gerät zwischen die Fronten von Polizei, Mafia und Pädophilen. Die dramatischen Ereignisse in Christian Frascellas anrührendem Roman "Sieben kleine Verdächtige" erzählen auch vom desolaten Italien der 80er-Jahre.
Der Titel klingt nach sieben Zwergen, nach Märchen eben. Diese Anspielung ist bewusst gewählt – und sie lässt auf ein gutes Ende hoffen. Christian Frascellas neuer Roman spielt im Italien der 1980er-Jahre und erzählt von sieben Jungen um die zwölf, die eine verrückte Idee haben: Sie wollen die städtische Bank ausrauben. Das klingt kindisch und komisch. Schnell aber entwickelt die Geschichte eine solche Dramatik, dass sie nicht mehr lustig ist. Die Jungen geraten zwischen die Fronten von Polizei, Mafia und einem Pädophilenring. Sie werden bedroht, erpresst, verfolgt, zusammengeschlagen. Dass sie dann doch aus diesem Desaster heil rauskommen, das hat wirklich was von einem Märchen.

Obwohl Christian Frascellas zweiter Roman von Zwölfjährigen erzählt, haben wir es auf keinen Fall mit einem Kinderbuch zu tun. Struktur und Sprache, die sprunghafte Erzählperspektive und auch eine ganze Portion Brutalität sind nicht kinder-kompatibel. Wenn Zwölfjährige hier im Mittelpunkt stehen, dann darum, weil sich an ihnen am besten zeigen lässt, in welch desolatem Zustand Italien in den 80er-Jahren war. Kriminalität und Gewalt bestimmen den Alltag. Und die Kinder sind die Leidtragenden.

Frascella folgt jedem der Jungen in seine Familie, da bekommen wir die ganze Breite kindlicher Schrecken zu Gesicht: Armut und Gewalt, Betrug und Krankheit. Sie werden von ihren Vätern verlassen oder verprügelt, von Jugendlichen erpresst, von Sporttrainern ausgetrickst und von Lehrern drangsaliert. Aber sie sind noch nicht so kaputt wie ihre großen Brüder, sie stehen auf der Kippe. Alles ist offen.

Bemerkenswert ist, wie Frascella die Spannung aufbaut. Die kleinen Ganoven, die ja von Anfang an keine Chance haben, werden in immer dramatischere Ereignisse hineingezogen. Einschließlich eines spektakulären Showdowns. Zugleich bewahrt der Roman eine Leichtigkeit, die von Anfang an signalisiert, dass es zum Schlimmsten nicht kommen wird. Diese Balance aus Schrecken und Komik, Lustigem und Rührendem ist wirklich lesenswert.

Geschrieben ist "Sieben kleine Verdächtige" in einem knappen, leichten Ton. Sensibel sind Frascellas Jungen-Portraits. Man spürt, wie sehr dem Autor diese kleinen Kerle, ihre Freundschaft und ihre Zukunft am Herzen liegen. Mitleid und Verständnis hat er für ihre Probleme, Achtung für ihren Mut und ihren Witz. Ganz wunderbar erzählt ist die zarte Annäherung eines kleinen, dürren Kerls an "Speckbacke", ein dickes Mädchen. Das ist – wie das ganze Buch – traurig und rührend, witzig und poetisch zugleich.

War "Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe" auch eine Generationenstudie der 15- bis 18-Jährigen, so ist "Sieben kleine Verdächtige" auch eine Milieu- oder Gesellschaftsstudie. Ernst und lustig, amüsant und analytisch zugleich wird da dem Italien der 80er-Jahre auf den Zahn gefühlt - der Zeit, in der Christian Fraschella selbst Jugendlicher war. Und man merkt dieser Mischung aus Verzweiflung und Lebensfreude an, dass er all dies sehr gut kennt.

Besprochen von Sylvia Schwab

Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2013
318 Seiten, 22,90 Euro