Kleine Alleskönner

Von Michael Lange · 01.07.2012
Vor zehn Jahren diskutierte ganz Deutschland über embryonale Stammzellen. Diese Zellen waren so wandlungsfähig, dass Wissenschaftler ihnen zutrauten, die Medizin zu revolutionieren. Sie könnten zu Nervenzellen werden und Alzheimer oder Parkinson heilen, oder sie entwickelten sich zu Muskelzellen und könnten kranke Herzen reparieren.
Das Problem war die Gewinnung der Zellen. Um an die embryonalen Stammzellen zu gelangen, mussten winzige Embryonen getötet werden. Deshalb waren die Züchtung der Zellen und die Forschung damit durch das deutsche Embryonenschutzgesetz verboten. Um dennoch bei dieser Forschung mitzumachen, wollten deutsche Wissenschaftler embryonale Stammzellen aus dem Ausland importieren.

Am 1. Juli 2002 trat das Stammzellengesetz in Kraft. Von nun an durften die Forscher Zellen importieren, wenn dafür keine weiteren Embryonen getötet werden mussten. Insgesamt 71 mal in zehn Jahren erlaubte das Robert-Koch-Institut in Berlin den Import embryonaler Stammzellen. Die Forschung mit den kleinen Alleskönnern boomt. Die Anwendung in der medizinischen Praxis jedoch lässt auf sich warten. In ganz Europa wurde bislang nur ein einziger Patient mit Zellen behandelt, die aus embryonalen Stammzellen hervorgegangen waren.

Unterdessen haben Grundlagenforscher gewöhnliche menschliche Körperzellen so umgewandelt, dass sie ähnliche Fähigkeiten besitzen wie embryonale Stammzellen. Sie wandelten Hautzellen in Stammzellen um oder sogar direkt in Nervenzellen. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Manches deutet darauf hin, dass die neuesten Ergebnisse der Stammzellenforschung die embryonalen Stammzellen überflüssig machen.