Klavierwerke von Boulez und Debussy

Schwarze Ordnung, weißes Chaos

Zeitgenössische Aufnahme des französischen Komponisten Claude Debussy. Debussy wurde am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye geboren und starb am 25. März 1918 in Paris.
Der Komponist Claude Debussy © picture alliance / dpa
09.04.2015
Pierre Boulez hat Claude Debussy stets bewundert – als Komponist, Dirigent, Pianist und Essayist verdankte er dem Vorbild viele Anregungen. Nicolas Hodges und Michael Wendeberg führen ausgewählte Klavierwerke der beiden zusammen in der Kölner Philharmonie auf.
„En blanc et noir": In weiß und schwarz teilt Claude Debussy die Musik in seinem gleichnamigen Spätwerk für zwei Klaviere (1916) ein. Der Titel reflektiert das Aussehen der Klaviertastatur ebenso wie das junge Medium Film, und er zollt der Kriegszeit Tribut, die nicht zuletzt auf dem Feld der Musik zu deutsch-französischen Gefechten führte. Auch wenn das rund eine Generation später begonnene Klavierschaffen von Pierre Boulez ganz anders klingt, gibt es hierzu einen direkten Zusammenhang: Boulez spielte „En blanc et noir" 1956 selbst – gemeinsam mit Yvonne Loriod – in Donaueschingen und fügte sein Werk „Structures I" für zwei Klaviere an.
Nicolas Hodges und Michael Wendeberg greifen diese Idee in ihrem Kölner Konzert auf und betrachten Debussys Musik sozusagen als Ouvertüre für das Schaffen von Boulez. Die einleitenden späten Etüden Debussys exponieren etliche Spieltechniken, ohne deren Beherrschung Boulez' Musik nicht interpretiert werden kann. Und die ihrerseits späten „Incises" von Boulez sind ohne Debussys Arpeggien-Etüde kaum vorstellbar.
Klanglich weit entfernt von seinem Vorbild Debussy ist Boulez im 1. Buch seiner „Structures" (1951-52). Es gilt als ein Höhepunkt der seriellen Musik, in der alle Elemente mathematischen Formeln untergeordnet sind. Die Individualität des Komponisten tritt völlig hinter die Struktur des Werkes zurück – mit der paradoxen Folge, dass diese maximale Ordnung vom Ohr als äußerst chaotisch wahrgenommen wird. Der Komponist György Ligeti verglich die Struktur der „Structures" mit „dem An- und Ausblitzen des Neonlichtnetzes einer Großstadt" und folgerte süffisant: „Der Komponist spaziert daher als ein Wesen, das sich selber an der Leine führt." Im später entstandenen 2. Buch der „Structures" ließ sich Boulez dann auf virtuose Art sozusagen selbst von der Leine.
Als Einführung zum Konzert sendet Deutschlandradio Kultur am 8. April um 20.03 Uhr das Quartett der Kritiker, das sich im Vorfeld dieses Konzerts mit der Klaviermusik von Pierre Boulez beschäftigt hat.
Kölner Philharmonie
Aufzeichnung vom 12. März 2015
Claude Debussy
Etüden für Klavier (2. Buch)
Pierre Boulez
Klaviersonate Nr. 1
"Incises" für Klavier
"Structures" für zwei Klaviere (1. Buch)
Claude Debussy
„En blanc et noir" - Drei Stücke für zwei Klaviere
Pierre Boulez
"Structures" für zwei Klaviere (2. Buch)
Nicolas Hodges, Klavier
Michael Wendeberg, Klavier