Klaus Töpfer zu Obamas Klima-Zielen

Ein Prozess, der in die richtige Richtung geht

Eine Wind-Turbine im Botanischen Garten in Washington ist vor der Kuppel des US-Kapitol zu sehen.
Obama will mit seinen Vorschlägen auch stärker auf Wind- und Sonnenenergie setzen. Klaus Töpfer unterstützt die Pläne. © dpa / picture alliance / Matthew Cavanaugh
04.08.2015
Der frühere Bundesumweltminister und ehemalige Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer begrüßt die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, die Schadstoffemissionen bis 2030 gegenüber 2005 um 32 Prozent zu reduzieren. Es überzeuge, wie konsequent Obama an die Dinge herangehe.
Der Prozess gehe in die richtige Richtung und werde letztlich dazu führen, "dass es wirklich zu einem Umbau der Stromerzeugung in den USA kommt". Obamas Ankündigung sei auch nicht nur ein Hinweis darauf, die Stromerzeugung von Kohle auf Gas umzustellen, sondern "eben auch in erneuerbare Energien hinein", betonte der frühere Umweltminister. "Und das, glaube ich, ist nicht nur eine ideologische Fixierung, sondern es ist eine Antwort auf die anderen ökonomischen Möglichkeiten, die wir durch erneuerbare Energien erreicht haben."
Töpfer räumte gleichzeitig ein, dass die angestrebte Reduktionsmenge zu gering sei. "Das reicht nicht." Auch habe der Weg über den präsidialen Erlass den "Schönheitsfehler", dass der Prozess sehr schnell rückgängig gemacht werden könne.
Klaus Töpfer
Klaus Töpfer© Schulzendorff
"Und die Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei in den USA, die sich jetzt schon warmlaufen, haben mehr oder weniger unisono und mit sehr, sehr markigen Sprüchen gesagt, also, wenn sie gewählt werden, werden sie das wieder abschaffen." Es sei jedoch gut zu wissen, dass die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, Obamas Klima-Ziele "sehr deutlich" unterstütze.

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Yes, he can, Barack Obama, spät, aber immerhin: Sein zentrales Versprechen aus dem Wahlkampf 2008 soll jetzt Politik werden in den USA. Eine Politik gegen den Klimawandel hat der Präsident angekündigt. Der CO2-Ausstoß soll bis 2030 um ein knappes Drittel sinken, vor allem Kohlekraftwerke dürften deshalb in den nächsten Jahren abgeschaltet werden. Gleichzeitig sollen Strom aus Wind und Sonne boomen.
Für den Mann, mit dem wir jetzt sprechen, dürfen das keine allzu neuen Ideen sein. Der ehemalige Chef des UNO-Umweltprogramms und frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Für Deutschland war er schon 1992 beim ersten großen Umweltgipfel in Rio mit dabei. Guten Morgen, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
Obamas Konsequenz "überzeugt"
Frenzel: Wie viel Hoffnung macht Ihnen das, was wir da aus Washington hören?
Töpfer: Was ja wirklich überzeugt, ist, wie konsequent Obama an die Dinge herangeht. Erinnern wir uns so ein bisschen: Im November letzten Jahres, gemeinsam mit China, eine zahlenmäßige Vorgabe für die Minderung von CO2 in den USA, 26 bis 28 Prozent bis 2025. Danach Elmau, der G7-Gipfel mit dem Beschluss einer Dekarbonisierung, also einer Beendigung der Belastung der Umwelt durch Kohlendioxid bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Und jetzt muss man das umsetzen, und da ist es konsequent, hinzugehen und zu sagen, gehen wir an den stärksten Belaster heran, und das sind nun einmal die stromerzeugenden Einheiten, es ist in besonderer Weise Kohle. Und dies ist jetzt auf die Agenda gesetzt worden mit einer sehr konsequenten Vorgehensweise, die dazu führen wird, dass doch Hunderte und Aberhunderte von Kohlekraftwerken nicht wirtschaftlich mehr überleben können und dass es wirklich zu einem Umbau der Stromerzeugung in den USA kommt.
Frenzel: Herr Töpfer, haben Sie sich auch gefragt, warum, lieber Barack Obama, erst jetzt?
Töpfer: Die Situation muss ja eingebunden werden in die innenpolitische Lage der USA. Obama hat am Anfang versucht, dies über die Parlamente zu erreichen. Er ist daran gescheitert. Seine vorgelegten Gesetze haben keine Mehrheit gefunden, was in der Aktualität der Republikaner, die ja das mit großem Nachdruck ablehnen, auch durchaus erwartbar sein können. Und nun geht er einen anderen Weg. Er geht mit präsidentiellen Erlassen vor, die er über die Umweltbehörde EPA durchsetzen kann. Das hat natürlich den Schönheitsfehler, dass ein so die Parlamente nicht mit einbindendes, nicht ein Gesetz schaffendes Verfahren, das schnell umgesetzt werden kann, aber eben auch schnell wieder geändert werden kann.
Hillary Clinton unterstützt Obamas Klima-Politik
Und die Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei in den USA, die sich jetzt ja schon warmlaufen, haben mehr oder weniger unisono mit sehr, sehr markigen Sprüchen gesagt, wenn sie gewählt werden, werden sie das wieder abschaffen. Das ist sicherlich die Begründung, warum er erst recht spät in seiner Präsidentschaft dies macht. Das gilt ja auch für andere Dinge. Es ist nicht das erste Mal, gerade in der zweiten Legislaturperiode, dass er mit diesem Instrument der Erlasse des Präsidenten die Dinge vorantreibt. Wie gesagt, es ist ein sehr klares Ziel, und es ist gut zu wissen, dass die voraussichtliche Kandidatin, dass Hillary Clinton dies sehr deutlich mit unterstützt.
Frenzel: Sie haben die Ankündigung der Chinesen genannt, Sie haben Elmau genannt, das Ziel der sieben wichtigsten Industriestaaten, sich zu dekarbonisieren, also auf die Kohle zu verzichten. Jetzt die Amerikaner. Es sind alles Ankündigungen. Krankt die ganze Klimapolitik nicht daran, dass sie immer nur von Ankündigungen lebt und selten von Taten?
Töpfer: Das, glaube ich, hat man lange sagen können, aber das gilt schon seit einiger Zeit nicht mehr. Sehen Sie, wenn wir in Deutschland es erreicht haben, dass bereits gegenwärtig etwa 30 Prozent unserer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kommen – ganz ehrlich gesagt, vor fünf, sechs Jahren wäre ich da noch äußerst skeptisch gewesen.
Und wenn Sie sehen, dass die Chinesen ja nicht nur gesagt haben, wir werden spätestens 2030 unsere CO2-Emissionen stabilisieren und senken, dass die in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits einen deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen gehabt haben. Sicherlich mitgetragen auch durch ein geringeres Wirtschaftswachstum in China, aber weit darüber hinausgehend eben auch durch eine Veränderung der Kostensituation, der wirtschaftlichen Situation.
Es ist durch die Maßnahme in Deutschland nicht zuletzt möglich geworden, dass die Technik etwa in der Solarenergie so vorangekommen ist, dass die Erntekosten von Sonne natürlich deutlichst abgesenkt sind und ganz ohne jeden Zweifel wettbewerbsfähig sind zu Kohle und zu anderen Energien. Deswegen ist ja das, was Barack Obama jetzt vorgelegt hat, nicht nur ein Hinweis darauf, wir verändern die Stromerzeugung von Kohle auf Gas, was auch noch eine große Rolle spielt und weiter spielen wird, sondern eben auch in erneuerbare Energien hinein. Und das, glaube ich, ist nicht nur eine ideologische Fixierung, sondern das ist eine Antwort auf die anderen ökonomischen Möglichkeiten, die wir durch erneuerbare Energien erreicht haben.
Umstieg durch technologischen Fortschritt und ökonomischen Anreiz
Frenzel: Aber selbst wenn diese Ankündigungen zu Taten werden, bleiben wir mal bei den Amerikanern, wären sie vielleicht ein großer Schritt für Amerika, aber ein ziemlich kleiner Schritt für den Klimaschutz. Schauen wir mal auf ein Detail: Obama will ein Drittel CO2-Ausstoß reduzieren, allerdings gemessen am Jahr 2005, und nicht, wie üblich, gemessen am Jahr 1990. Das bedeutet de facto, er spricht von einer Reduzierung um 15 Prozent etwa – reicht das?
Töpfer: Das reicht nicht. Ich glaube, das hat auch in den USA gegenwärtig niemand so gesagt, dass das reicht. Aber ich habe deswegen ja ganz am Anfang schon deutlich gemacht, das ist ein Prozess, der jetzt in die richtige Richtung läuft. Das wird auch die Verhandlungen in Paris genau kennzeichnen. Man wird eben nicht mehr, so glaube ich oder erwarte ich, den Weg gehen, über rechtlich bindende Ziele und Zeitpläne, so wichtig sie sind und so sehr stark daran gearbeitet werden muss, sondern man wird gehen über das, was dann nationale Vorschläge, Verminderungsvorschläge, die aber dann auch überprüft werden, die sich dadurch, dass sie in Angriff genommen worden sind, sich auch selbst beschleunigen. Dutzende und Aberdutzende Beispiele dafür kann ich aus meiner Erfahrung in der Umweltpolitik zeigen. Wenn Sie erst mal glaubwürdig sagen, wir wollen etwa aus SO2, bei Schwefeldioxid aus unseren Kohlekraftwerken raus, dann geht das alles viel schneller, weil technologische Fortschritte da sind und Ökonomie, die es mitträgt.
Frenzel: Aber glauben Sie denn, all das, also auch ein Paris ohne verbindliche Absprachen wird reichen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, also dass sich die Erde nicht um mehr als zwei Grad erwärmt, was ja vereinbart ist?
Töpfer: Wissen Sie, in diesen Fällen zu glauben, ist immer etwas schwierig. Ich halte mich da lieber gerne an die technologischen Veränderungen, an die Tatsache, dass die Notwendigkeit, gegen den Klimawandel zu handeln, nun wirklich eine global akzeptierte Tatsache ist. Dass dies mit vielen anderen Vorzügen verbunden ist, ökonomischen, aber auch gesundheitlichen Vorzügen. Die ganzen fossilen Energieträger sind für eine Welt, in der Wasser mehr und mehr ein Engpass wird, die falschen Technologien, wir brauchen wassersparende Energietechnologie. Viele, viele Argumente sprechen also in diese Richtung. Deswegen ist es nicht für mich ein Glaubensakt, sondern es ist vor allen Dingen eine Frage, wie weit sind wir technologisch und im Verhalten der Menschen gekommen, das Verhalten der Menschen, das sich auch bezieht auf politische Verantwortung.
Frenzel: Das sagt Klaus Töpfer, der ehemalige Bundesumweltminister. Herr Töpfer, ich danke Ihnen für Ihre Zeit.
Töpfer: Danke Ihnen ganz herzlich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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