Klaus Staeck: Pro NRW missbraucht die Meinungsfreiheit

Moderation: Dieter Kassel · 08.05.2012
Im NRW-Wahlkampf provozieren Rechtspopulisten mit Mohammed-Karikaturen die fundamental-islamischen Salafisten. Der Künstler Klaus Staeck hält das für inakzeptal - und schlägt vor, mit den juristischen Mitteln des Urheberrechts gegen die Pro-Bewegung vorzugehen.
Dieter Kassel: Heute Vormittag führt die rechtspopulistische Partei Pro NRW in Düren, zwischen Köln und Aachen liegt das, eine weitere ihrer Wahlkampfveranstaltungen durch. Wieder wird es dabei zu Provokationen kommen, denn auch bei dieser Veranstaltung darf Pro NRW islamkritische, manche Menschen sagen sogar, islamfeindliche Karikaturen zeigen.

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen und auch die Ministerpräsidentin wollten das zwar verhindern, aber das zuständige Gericht in Aachen hat das Zeigen dieser Bilder ausdrücklich genehmigt. Forderungen, Pro NRW solle es verboten werden, zumindest auf dieser Art von Veranstaltungen so zu provozieren, gibt es in Nordrhein-Westfalen vor allem deshalb, weil bei mehreren dieser Veranstaltungen schon Salafisten, die sich unter die Gegendemonstranten gemischt haben, gewalttätige Ausschreitungen provoziert haben. Am Samstag in Bonn sind dabei 29 Polizisten verletzt worden durch Steinwürfe und Messerstiche, zwei davon sogar schwer.

Was ist aber nun mit einem solchen Verbot? Kann man überhaupt Karikaturen, die grundsätzlich ja legal sind, bestimmten Organisationen nur bei bestimmten Gelegenheiten verbieten? Was hat das noch mit Freiheit der Kunst und freier Meinungsäußerung zu tun?

Darüber wollen wir jetzt mit Klaus Staeck sprechen. Er ist der Präsident der Berliner Akademie der Künste und seit über 40 Jahren erfolgreich mit seinen politischen Plakaten und Postkarten. Schönen guten Tag, Herr Staeck!

Klaus Staeck: Ich grüße Sie!

Kassel: Machen wir es mal ganz konkret jetzt mit Nordrhein-Westfalen. Diese Forderung des Innenministers und inzwischen auch der Ministerpräsidentin, bei diesen Veranstaltungen das Zeigen der Karikaturen zu verbieten, unterstützen Sie diese Forderung?

Staeck: Natürlich kann man auf die Idee kommen, dass da radikale Gruppen sich eines Bildes bemächtigen, zu dem sie nicht befugt sind. Mal ganz abstrakt gesagt, ich habe vor einer Stunde mit Kurt Westergaard, dem Urheber dieser zentralen Karikatur gesprochen, und er ist empört und hat schon vor Tagen versucht, über den dänischen Journalistenverband dieser Truppe, die sich da Pro NRW nennt, das verbieten zu lassen. Er kann das machen. Bei anderen ist es komplizierter, aber diese – ja, was ist das, eine Sekte, Pro NRW oder was immer – die benutzen ja dieses Bild als Waffe. Und da kann man schon auf die Idee kommen.

Trotzdem, die Meinungsfreiheit ist nun einmal bei uns das höchst geschützte Gut, in der Demokratie allemal, und deshalb wäre ich sehr vorsichtig mit so einem Anliegen an die Gerichte zu treten, die dann immer das abstrakt sehen. Dass ich selber auch kochen würde, wenn ich der Minister in NRW wäre, das ist selbstverständlich.

Kassel: Nun haben Sie gerade gesagt, Pro NRW benutzte diese Bilder, diese Karikaturen als Waffe. Wir haben am Samstag erlebt und auch am letzten Dienstag, am ersten Mai, dass Salafisten Messer und Steine als Waffen benutzt haben bei diesen Veranstaltungen. Ist das gleichwertig?

Staeck: Da haben sich zwei tolle Gruppen gefunden, ja. Nein, es ist nicht gleichwertig, aber schon natürlich Waffen in Anführungsstrichen. Bilder haben ja keine Messerspitze und auch keine Säge. Es ist aber schon ganz bewusst ja beabsichtigt, das ist doch gar keine Frage. Und wenn hier Polizisten verletzt werden in diesem Wahnsinnsstreit, natürlich muss die Demokratie da nachdenken zumindest, wie sie dem begegnet. Ich war immer ein Anhänger der wehrhaften Demokratie, nicht dieser Schlafwagendemokratie, die auf dem Sofa sitzt und überall zuguckt.

Nein, das ist gefährlich, wir haben jetzt da zwei Gruppen, die sich gegenüberstehen, und die Demokratie ist nun mal kein Trampolin, auf dem man nach Belieben herumhopsen kann in der Erwartung, dass irgendwann die Matte bricht. Das ist übel, die Meinungsfreiheit steht über alledem. Sie ist manchmal schwer auch zu verteidigen, wenn sie missbraucht wird, und das ist ein eindeutiger Missbrauch.

Denn wenn der Urheber sagt, ich will das nicht – ich hatte selber einmal ein Problem im Netz, dass irgend so eine rechte Gruppe meinte, ein Plakat für sich nutzen zu können. Es war sehr mühsam, das zu verhindern, zumal im Netz es noch einmal komplizierter ist als im analogen, realen Leben. Aber es muss eine Möglichkeit geben, diesen Missbrauch zu verhindern. Dass es am Gericht dann scheitert, das war vorauszusehen, deshalb wäre ich persönlich diesen Weg nicht gegangen, aber ich glaube, es gibt auch einen Schutz der Polizei, dass sie nicht zwischen diesen Wahnsinnigen hin und her geschickt wird, um dann noch mit Messern attackiert zu werden.

Kassel: Die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, ist natürlich immer ein hochstehendes Ziel. Aber auf der anderen Seite: Ich will jetzt nicht, ich tu es aber trotzdem, dieses uralte Zitat von Rosa Luxemburg mit der Freiheit der Meinung der Andersdenkenden bringen, aber auch wenn Pro NRW eine rechtsradikale Partei ist und, glaube ich, alle vernünftigen Menschen mit deren Zielen nicht einverstanden sind, so ist es im Moment zumindest auch ja eine legale Partei, die legale Wahlkampfveranstaltungen durchführt. Muss man da nicht sagen, da muss die Polizei eben auch diese Meinung der Andersdenkenden schützen vor den gewalttätigen Salafisten?

Staeck: Ja, die Demokratie ist manchmal sehr kompliziert und sehr schwer zu vermitteln. Und allen, die diese wunderbaren Regeln aufstellen, ich weiß nicht, ob die dann wirklich, wenn es mal ernst wird, wirklich für die Demokratie eintreten. Da hab ich so meine Zweifel in einer Zuschauerdemokratie, zu der wir uns langsam entwickelt haben.

Nein, ich hab ja eine klare Meinung dazu, und trotzdem muss man sich alle Gedanken machen, wie man zum Beispiel dem Recht des Künstlers zur Geltung verhilft. Er will das nicht. Er hat protestiert, dass diese Truppe, die sich NRW da ausgesucht hat und seine Sachen benutzt, dass das verhindert wird. Das wäre auch ein Eingriff zugunsten der Meinungsfreiheit und des Urheberrechts, um das ja auch im Augenblick sehr viele Leute sich streiten.

Kassel: Urheberrecht ist ein Weg, mit dem man es machen kann. Wir haben vor der Sendung auch mit Klaus Stuttmann geredet, selber Karikaturist, der gesagt hat, dass er Probleme mit rechtsradikalen Vereinigungen, die seine Karikaturen benutzt hatten, immer wieder mal hatte und dann auch versucht hat, das über das Urheberrecht einzudämmen. Andererseits könnte man auch sagen, wenn wir hier über Kunst reden und nicht über Journalismus, über Kunst reden, kann man doch sagen, ein Kunstwerk ist da, wenn es der Künstler geschaffen hat, und dann ist es doch eigentlich der Welt überlassen, was sie damit macht. Das sehen Sie anders?

Staeck: Das sehe ich nun wirklich anders, ja. Also alles ist dann doch vor Missbrauch zu schützen. Und hier ist es ja nun, wenn man die Meinung des Herrn Westergaards nun mal ernst nimmt und – er hat es mir vor einer Stunde noch einmal bestätigt, dass er empört ist, dass sich solche Leute auf sein Werk stürzen und es wirklich benutzen in einer Weise, um andere nur wieder zu reizen, damit es zu Auseinandersetzungen kommt, die nicht im Sinne der Demokratie sind. Demokratie ist eine Garantie für friedliches Auseinandersetzen über verschiedene Meinungen und Ideen. Und wenn hier Gruppen meinen, Sie könnten das bewusst unterlaufen, indem sie die Freiheitsgarantie missbrauchen, das meine ich mit der wehrhaften Demokratie.

Ich glaube, es gibt auch eine Feigheit, die sich als Toleranz tarnt. Das stelle ich immer wieder fest. Das sind immer so große Worte. Und wenn es dann konkret wird, dann helfen nur die Gesetze, und die sind nun mal in dem Falle die Garantie auf Meinungsfreiheit und das Urheberrecht. Womit der Urheber sagt: Ich will auf keinen Fall, dass meine Arbeiten in dieser Weise benutzt werden. Dann ist das auch ein Recht, das man versuchen kann, durchzusetzen, im Zweifel nicht mit der Polizei.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur heute Vormittag mit Klaus Staeck, dem Präsidenten der Berliner Akademie der Künste und selber Plakatkünstler. Herr Staeck, wenn ich Sie zitieren darf, Sie haben gerade eben gesagt, es gibt für Sie eine Feigheit, die sich als Toleranz tarnt. Ich finde, das kann man in diesem Fall auch umdrehen. Wenn zum Beispiel der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sagt, wie ich finde, völlig zurecht sagt: Auch diese Provokationen mit den Karikaturen durch Pro NRW rechtfertigen in keinster Weise die Gewalt, die von den Salafisten ausging. Dann kann man doch sagen, wenn wir jetzt aber, was der Innenminister ja auch sagt. Aber damit die Salafisten nicht wieder ihre Messer auspacken, dürfen diese Bilder nicht mehr gezeigt werden. Das kann man doch auch als Feigheit und Angst vor den Messerstechern bezeichnen.

Staeck: Sie merken, wie kompliziert das ist. Und wie schwierig es ist, jetzt einen Freiheitsraum noch für die zu definieren, die diese Freiheit genau abschaffen wollen. Das ist mein Ansatz. Und da gerät man schnell in Konflikte. Das will ich ja gern zugeben. Aber nur zu sehen, nehmen Sie doch das Beispiel NPD, wir könnten das ja ausweiten, die einfach kein anderes Ziel haben als diese Republik mit ihren Freiheitsgarantien, die wir alle gut finden und die wir genießen, abzuschaffen. Denen nun den großen Spielraum zu geben, diese Freiheiten zu missbrauchen, das habe ich immer als ein schweres Manko der Demokratie empfunden. Ich hab mich als DDR-Bürger noch damals – Was ist das für eine seltsame Demokratie, die man sogar durch Wahlen einfach abschaffen kann?

Kassel: Aber wenn wir – bei der NPD, das ist ein gutes Beispiel. Es gibt seit Ewigkeiten und natürlich durch die Morde der sogenannten NSU noch einmal angefacht, die Debatte über das NPD-Verbot. Es ist ja auch einmal versucht worden, ist dann an verfassungsrechtlichen Problemen gescheitert. Das kann man in der Tat auch auf Pro NRW beziehen, denn die sind nicht verboten, die treten zur Wahl an nächsten Sonntag in Nordrhein-Westfalen, und misst man da nicht mit zweierlei Maß, wenn man sagt, es ist eine legale Partei, aber so legal wie die anderen auch nicht, und deshalb darf sie auch nicht die Karikaturen benutzen.

Staeck: Noch mal. Ich bleibe – also ich will mich gar nicht auf diese große philosophische Debatte hier einlassen. Ich bleibe dabei, dass der Urheber dieser Karikatur sie aus einem ganz anderen Grund gemacht hat und diese Leute sich rechtswidrig anmaßen, die zu zeigen. Wir reden doch im Augenblick nur, ob die das zeigen dürfen oder nicht. Und das ist mein Ansatz. Ich brauche da gar keinen Innenminister oder wen auch immer. Sondern diese Leute missbrauchen ein Recht, ein Recht des Urhebers, des Künstlers, wir haben ja eben vom Künstler gesprochen, das mit seinen Sachen nicht nach Belieben verfahren werden kann. In dem Augenblick, in dem sie auch ins Gegenteil versetzt werden können.

Darum geht es für mich. Und ich habe, was weiß ich, 41 Prozesse hinter mir, also ich bin weiß Gott jemand, der Erfahrung hat in all diesen Dingen. Selbstverständlich habe ich immer versucht, wenn Leute, die meine Arbeiten dann in einen Zusammenhang bringen wollten, der genau auf die gegenteilige Wirkung hinauslief, als ich sie mir vorgestellt hatte, dass ich versucht habe, dagegen etwas zu unternehmen, das war für mich selbstverständlich. Und in dem Falle habe ich auch immer Recht bekommen. Ich habe überhaupt noch nie einen Prozess verloren, insofern bin ich wirklich ein idealer Gesprächspartner. Immer wird versucht von Leuten, die sich getroffen fühlen, um es so zu sagen, die Gerichte anzurufen, um das zu verhindern, und das habe ich ja genossen nun wirklich über all die Jahrzehnte, dass das Meinungsfreiheitsgebot über vielen anderen Gesetzen steht, und das wird auch verteidigt. Aber hier haben wir einen Fall, wo es auch in einer Weise missbraucht wird, was den Urheber anlangt. Ich bleibe mal bei dieser Definition, das reicht mir völlig. Da brauche ich die anderen Auseinandersetzungen gar nicht.

Kassel: Sagt Klaus Staeck, der Präsident der Berliner Akademie der Künste und, wie er gerade selber beschrieben hat, als Plakat- und Postkartenkünstler auch erfahren mit solchen Fällen des Missbrauchs. Dank Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Staeck!

Staeck: Ich danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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