Klassik und Moussaka

Wie Mauern weggegessen werden

Die Hornistin Sarah Willis mit ihrem Instrument.
Die Hornistin Sarah Willis liebt ihr Instrument © picture alliance / ZB
Von Anna Bilger · 11.12.2013
Sarah Willis liebt das Horn und klassische Musik und Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Willis verbindet in ihrer Internetshow "Prelude and Food" klassische Musik und Essen.
"Es war einfach von Anfang an mein Instrument... es klingt vielleicht Kitsch, aber es war meins."
"Das Horn für mich ist ein Instrument, das kommt sehr nah an die menschliche Stimme. Es ist einfach mein Weg mich auszudrücken."
"Mit Horn kannst Du im Orchester spielen, kannst Duette spielen, Quartette, Du bist nicht alleine. Für mich ist es ein viel geselligeres Instrument ..."
Dass Sarah Willis gerne Menschen um sich hat, merkt man sofort. Sie ist herzlich, fröhlich und zugewandt. Es mag an ihren britisch-amerikanischen Wurzeln liegen – aber da ist noch mehr: Man spürt, wie sehr sie das liebt, was sie tut. Und wie gerne sie andere mit ihrer Leidenschaft und Begeisterung anstecken möchte – für ihr Instrument das Horn und für klassische Musik.
"Für so viele ist klassische Musik ist so ein Tabu fast. Die haben Angst, dass sie an der falschen Stelle klatschen ... Und ich finde diese Mauern, diese Wände müssen wir runternehmen."
Dafür tut sie eine Menge. Sie ist auf Twitter und Facebook unterwegs, sie gibt digitale Masterklassen. Sie trifft Hornspieler und andere klassische Musiker zum Liveinterview für ihre eigene Website: „Horn-Hangouts“ nennt sie diese Begegnungen.
Und seit kurzem lädt Sarah Willis befreundete Musiker, Dirigenten, Schauspieler und Musikliebhaber zum gemeinsamen Kochen vor die Kamera.
"Jungs, welcome to the kitchen!"
"Wir werden eine Moussaka kochen und zwar eine bulgarische ..."
„Prelude and food“ ist keine Kochshow
„Prelude and food“ heißt diese Fernseh-Show fürs Internet. Sarah Willis empfängt ihre Gäste in einer Berliner Wohnküche, um mit ihnen zu kochen, zu essen, zu plaudern und zu musizieren. Da steht dann Cellist Alban Berg eben noch am Herd um Moussaka zu kochen, und zeigt zehn Minuten später, dass er auch mit grüner Schürze und Backofenhandschuhen Cello spielen kann.
Essen mag der Anlass sein, warum sich alle zusammenfinden, aber „Prelude and Food“ soll keine Kochshow sein. Auch hier geht es der 44-jährigen Sarah Willis darum, klassische Musiker locker und in einem ganz anderen Umfeld zu präsentieren, näher dran zu sein an Menschen, die sich vielleicht bislang nicht für Klassik interessiert haben.
„Um klassische Musik eine Chance zu geben in unserer modernen Welt, müssen wir einfach unsere Türen ein bisschen aufmachen und teilen. Und auch dass wir nicht so langweilige und steife Pinguine sind im Frack- sondern das ein bisschen persönlicher zu machen, ein persönliches Gesicht zu zeigen.“
Sarah Willis sitzt barfuss in Jeans und Bluse in ihrer eigenen Küche, trägt die langen braunen Haare offen, kaum Make-Up. Die Küche geht ins Wohnzimmer über: viel Holz, viel Licht, ein paar ausgewählte Möbelstücke. Ein alter Frackkoffer als Tisch, daneben stehen drei rote Klappsessel – erstanden beim internen Fundus-Verkauf der Berliner Staatsoper.
„Ich habe eigentlich zu spät davon gehört – und ich war so traurig, weil ich war zehn Jahre da und ich wollte unbedingt welche haben. Da hab ich angerufen und die haben gesagt. Wir haben keine einzelnen mehr, aber drei zusammen – und ja, her damit. Jetzt habe ich Stuhl eins, zwei, drei aus dem ersten Rang, erste Reihe Staatsoper.“
1991 wird Sarah Willis in Barenboims Staatskapelle aufgenommen. Zuvor hat sie Horn in London und Berlin studiert. Geboren wird 1969 sie in den USA, dort arbeitet der Vater Ende der 60er Jahre als Journalist. Ihre Mutter ist Balletttänzerin und Britin.
„Da hab ich auch ne englische Pass. So ich habe eine Passport ( britisch betont) und eine Passport (amerikanisch betont)!“
"In der Schule fanden die mich alle komisch"
Mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern lebt sie in den nächsten Jahren dort, wo der Job des Vaters sie hin verschlägt: in den USA, Tokio und Moskau.
„Mein Vater war Auslandskorrespondent und hat immer irgendwelche Promis zuhause interviewt oder Bücher geschrieben und weil wir viele Länder gelebt haben und immer wieder umgezogen sind, haben wir als Kinder gelernt gesellig zu sein und haben auch gelernt, dass Promis ganz normal sind und man redet ganz normal mit denen.“
Schließlich lässt sich die Familie in London nieder – da ist Sarah Willis 13 Jahre alt. Bislang hat sie Klavier gespielt - ihre Großmutter mütterlicherseits war Pianistin - und braucht nun ein zweites Instrument, weil sie später Musik studieren möchte. Klarinette oder Flöte schlägt man ihr vor – sie aber verliebt sich ins Horn:
„Als ich das Horn entdeckt habe, dachte ich vom ersten Unterricht an, das will ich machen. Aber in der Schule fanden die mich alle komisch, weil ich lieber üben wollte als auf irgendwelche Partys zu gehen. Und ich hab mein Asyl gefunden in mein Jugendorchester, wo jeden Sonntagabend, wenn die anderen Fernsehen guckten oder so was, wir haben zusammen geprobt. Das war für mich der Highlight der Woche.“
Und noch immer ist das Musizieren mit anderen für sie das Schönste, was es gibt. Seit zwölf Jahren spielt sie nun mit den Berliner Philharmonikern – es ist der Job von dem sie schon als Teenager geträumt hat – und der sie heute noch fast jeden Tag glücklich macht.
„You are only as good as your last concert – sagen wir bei uns. Du bist nur so gut, wie Dein letztes Konzert. Und das ist eine ständige Arbeit mit sich selbst, dass man mit der Psyche auch fit bleibt. Weil der Stress ist gar nicht so ohne. Aber wenn es klappt – das ist ein absoluter Traum. Wir sind im musikalischen Paradies bei uns im Orchester.“