Klagenfurter Publikumspreis für Valerie Fritsch

Ein Literaturdorf und sein Tribunal

Porträtfoto der österreichischen Schriftstellerin Valerie Fritsch, die 2015 in Klagenfurt den Publikums- und den Kelag-Preis gewann
Die österreichische Schriftstellerin Valerie Fritsch, die 2015 in Klagenfurt den Publikums- und den Kelag-Preis gewann © dpa / APA / Gert Eggenberger
Von Holger Heimann · 06.07.2015
Sie war Mitfavoritin für den Hauptpreis der Kärtner Tage der deutschsprachigen Literatur. Am Ende freute sich die 26-jährige Österreicherin Valerie Fritsch über zwei andere Preise, darunter der des Publikums. Sie beeindruckt mit sprachlicher Opulenz und altmeisterlichem Ton. Zuvor hatte sie sich ziemlich forsch über den Wettbewerb geäußert.
"Es ist Valerie Fritsch."
Mit diesem knappen Satz und lautem Applaus endete gestern die Preisvergabe beim Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt. Das Publikum bewies hier Sinn für literarische Qualität – die Jury hatte Valerie Fritsch kurz vorher schon den Kelag-Preis zuerkannt. Und so nahm die gerade einmal 26 Jahre alte Grazerin noch einen zweiten Blumenstrauß und weiteres Preisgeld in Empfang. Dass sie den Hauptpreis verpasst hatte, war da kein Problem:
"Ich bin keinesfalls enttäuscht. Ich bin sehr sehr glücklich mit einem doppelten Preis. Es ist ein surreales Bild in Kärnten, das ein Literaturdorf wird und ein Tribunal, das über einen zu Gericht sitzt. Und es gibt Texte. Es ist alles ganz absonderlich. Demnach bin ich jetzt sehr glücklich."
Die Zufriedenheit war ihr anzumerken unmittelbar nach der Preisverleihung in Klagenfurt, aber auch enorme Erschöpfung. Fritsch hatte den Wettbewerb vorab ziemlich forsch und ein wenig überpointiert als "Hunger Games" des Literaturbetriebs apostrophiert, bei denen "viele schöne, eigenartige, aber vielleicht auch furchtbare und kränkende Dinge passieren". Doch die schönen Dinge dürften für sie dann doch bei weitem überwogen haben.
In eine Mitfavoritenrolle geschrieben
Ohnehin hatte sich Valerie Fritsch mit ihrem sprach- und bildmächtigen zweiten Roman "Winters Garten", der ganz in der Tradition österreichischer Todessehnsucht steht, schon früh in eine Mitfavoritenrolle geschrieben. Von einem Grundton der Vergänglichkeit ist auch der in Klagenfurt prämierte Text durchzogen. Beeindruckend vor allem die sprachliche Opulenz und der beinah altmeisterliche Ton der jungen Autorin. Dabei hatte diese sich zunächst auf ein ganz anderes künstlerisches Feld verlegt und Fotografie studiert:
"Nach diesem Studium war ich restlos davon überzeugt, dass ich schreiben möchte, statt fotografieren. Für mich sind das zwei sehr verschiedene Dinge. Ich weiß nicht, ob man die Bildhaftigkeit des einen in das andere Medium übertragen kann. Auf einer bewussten Ebene tue ich das nicht, auf einer unbewussten vielleicht schon."
Erinnerungen aus der Ferne
Fritsch, die sich durchaus auch selbst gern ablichtet, veröffentlichte 2010 ihren ersten Roman, "VerkörperungEN". Seither hat sie sechs weitere Bücher herausgebracht und dabei verschiedene Genres und Textformen erprobt. Die Experimentierfreude entspricht dabei ihrem Selbstverständnis als Autorin:
"Ich sehe die 26 Buchstaben des Alphabets als Handwerkszeug, mit dem ich arbeiten kann. Man kann damit Lyrik schreiben, Theatersachen, Prosatexte, Filme Liebesbriefe, Hass-E-Mails. Man kann verschiedene Ausdrucksformen finden, das finde ich sehr spannend. Im Augenblick sitze ich gerade an einem Drehbuch für einen Spielfilm. Ich begebe mich da in ganz andere Bilderwelten, tatsächlich ins bewegte Bild, und wir werden sehen, was herauskommt."
Neugier ist ein prägender Grundzug von Valerie Fritsch. Sie ist die Triebkraft, die dafür sorgt, dass die Autorin zu oft monatelangen Reisen aufbricht – vornehmlich nach Afrika. Aus der Ferne bringt sie die Erinnerung an Stimmungen, Farben und Gerüche mit, die sich dann auf verschiedene Weise in ihren Geschichten niederschlagen. Von Klagenfurt aus aber ist Valerie Fritsch erst einmal nach Graz gefahren – um sich ein bisschen zu erholen.
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