Kirche von unten

Von Wolfgang Stenke · 10.03.2005
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs debattierten hohe katholische Kleriker bereits über die Frage, wie Christen nach Ende des Krieges dem besiegten Feind gegenübertreten sollten. Unter Führung eines Bischofs, der sich im Widerstand gegen die Besatzer hervorgetan hatte, riefen sie zur Versöhnung auf und gründeten "Pax Christi". "Pax Christi" hat sich seither zu einer internationalen Organisation entwickelt, in der christliche Pazifisten weltweit eintreten für die Sache des Friedens.
Pax Christi ist zunächst auf der einen Seite eine katholische, das heißt von der Kirche akzeptierte, offizielle Einrichtung, die das Wort ´katholisch´ deshalb verwenden darf.

Der 1991 verstorbene Publizist Walter Dirks, der Nestor des deutschen Linkskatholizismus und schon zu Zeiten der Republik von Weimar Mitglied der katholischen Friedensbewegung, über die Laienorganisation "Pax Christi".

Das bedeutet natürlich eine große Erweiterung der Möglichkeiten in den Gemeinden, (,,,) der Papst steht sozusagen dahinter. Auf der anderen Seite war es uns von vornherein klar, dass die Herstellung des Friedens eine ungemein politische Aufgabe ist, und wir mussten halt versuchen, das beste aus dieser kirchenamtlichen Situation zu machen und so viel an Pazifismus herauszuholen, wie in dieser Verfassung drinsteckte.

Pax Christi, heute von den Vereinten Nationen als Nicht-Regierungsorganisation registriert und weltweit engagiert gegen Krieg, Rüstung und Terror, wurde am 10. März 1945 von 40 französischen Bischöfen gegründet.

Damals war Frankreich erst wenige Monate von deutscher Besatzung befreit. Ausgerechnet in dieser Situation rief Pierre-Marie Théas, genannt der "rote Bischof", zum "Gebetskreuzzug für den Frieden der Welt" auf. Und ausdrücklich wollte der Bischof auch die Deutschen in diesen Kreuzzug eingeschlossen sehen.

Théas wird als einer der "Gerechten unter den Völkern" in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem geehrt. Er protestierte 1942 in Hirtenbriefen gegen die Deportation der französischen Juden in die deutschen Vernichtungslager und wurde selbst interniert. Und dennoch mahnte er, als die deutschen Besatzer ihm am 14. Juli 1944 im Lager Compiègne erlaubten, eine Messe zu feiern, die vor der Deportation stehenden Gefangenen zur Versöhnung mit dem Feind:

Trotz allem müsst ihr mit dem Segen über den Rhein gehen und nicht mit einem Fluch auf den Lippen.

In diesem Geist betrieb Théas, der 1946 von Pius XII. zum Bischof von Lourdes ernannt wurde, auch nach dem Krieg den Brückenschlag zu den besiegten Deutschen. Schon 1947 lud er eine deutsche Delegation zur Wallfahrt nach Lourdes ein - dem Zentrum der Pax-Christi-Bewegung.

Wir waren am Anfang ein reiner Gebetskreuzzug für den Frieden und haben uns erst mausern müssen in den 70er und 80er Jahren zu einer politischen Bewegung, die auch keine Angst davor hat, zu anderen Bewegungen Kontakt aufzunehmen.

Joachim Hoffknecht, Präsidiumsmitglied von Pax Christi und Gefängnisseelsorger im niedersächsischen Wolfenbüttel.

Da haben wir sicher auch gelernt von den alten Friedensaktivisten aus dem Friedensbund Deutscher Katholiken, die uns Anregungen gegeben haben, die dann im Zuge des ‚Bensberger Kreises’, der sich auch aus Pax Christi heraus zusammengefunden hat, diese Bewegung immer politisch forciert hat und angetrieben hat und gesagt hat: ‚Ihr könnt nicht nur beten, ihr müsst auch aus dem Evangelium Konsequenzen ziehen, die dann politischer Art sind.

Die Politisierung der katholischen Friedensbewegung - vom Gebetskreuzzug zur Nichtregierungsorgansiation, die heute in Sri Lanka oder Kolumbien Bürgerkriegsparteien an runde Tische holt - vollzog sich vor allem während der Proteste gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluß in den 80er Jahren. Da lag die Laienorganisation der friedensbewegten katholischen Christen häufig im Dissens mit der Amtskirche. - "Kirche von unten" - eine Kabarettgruppe von Pax Christi auf dem Düsseldorfer Katholikentag:

Glaubt Ihr an das Gleichgewicht des Schreckens? Glaubt Ihr an die Bombe? – Wir lieben die Bombe!

Auch heute ist Pax Christi nicht immer auf der Linie der Amtskirche. Zum aktuellen Problem der Armutsbekämpfung formuliert die Organisation ebenso abweichende Stellungnahmen wie bei der Bewertung der Position der katholischen Bischöfe im 3. Reich. Damals forderte die Mehrheit des Episkopats die Gläubigen auf, den kriegerischen Parolen des Staates zu folgen. - Joachim Hoffknecht:

Und dafür steht die Entschuldigung noch an, da bohren wir weiter. Aber im Großen und Ganzen haben wir heute, was Fragen des Friedens betrifft - und eben auch des gerechten Friedens - ein Einverständnis mit der offiziellen katholischen Kirche.