Kirche

Huub Oosterhuis für Lebenswerk geehrt

Der niederländische Dichter und Liedtexter Huub Oosterhuis.
Huub Oosterhuis erhält am 19.11.2014 den Predigtpreis für sein Lebenswerk. © picture alliance / dpa / Suzanne van de Kerk
Von Michael Hollenbach · 16.11.2014
In den Kirchen soll schöner und klarer geredet werden. Dafür verleiht der Verlag für die deutsche Wirtschaft den ökumenischen Predigtpreis. Für sein Lebenswerk erhält dieses Jahr der niederländische Dichter Huub Oosterhuis die Auszeichnung. Seine Lieder prägen die Gottesdienste und Liturgien auch in Deutschland - in evangelischen wie katholischen Kirchen.
"Ich steh vor dir mit leeren Händen" gehört zu den bekanntesten Liedern von Huub Oosterhuis. Geschrieben hat es der niederländische Dichter Ende der 60er Jahre, als er Pfarrer der Amsterdamer Studentenekklesia war - einer Hochschulgemeinde, die sich nach Konflikten um den Zölibat und das Priesteramt von Rom lossagte.
"Die Ekklesia entwickelte sich rasch zu einer Werkstätte und einem Experimentierfeld, nicht nur für das neue geistliche Lied, sondern auch für die ganze Erneuerung der liturgischen Sprache. Aber von Anfang war das Lied, oder besser gesagt der Gesang der wichtigste Gegenstand dieser Erneuerung."
Mensch im Mittelpunkt
Nicht die Kirchenpolitik stand im Mittelpunkt der Studentengemeinde, sondern die Entwicklung einer neuen Art, Gottesdienst zu feiern. Man wollte sich von den verkrusteten hierarchischen Strukturen und Liturgien der römisch-katholischen Messe verabschieden:
"Seit den 60er Jahren entwickelten wir in der Studenten-Ekklesia im Geist des 2. Vatikanischen Konzils einen ganz anderen Typus der liturgischen Feier, die in der erster Linie nicht durch den Kult Gottes charakterisiert wird, sondern dadurch, dass die Menschen zusammenkommen, um etwas zu verkündigen und den Dienst des Wortes, vor allem die Bibel, zu vermitteln."
In der Amsterdamer Gemeinde, die bis heute existiert, steht nicht der Priester im Mittelpunkt der Feier:
"Es gibt eine Abwechslung von Stimmen, es kann in verschiedener Art und Weise gesprochen werden: erzählend, flehend, laut und bewegt, sachlich informierend."
In seinen Liedern und Gebeten spricht der Niederländer auch die Zweifel der Menschen an:
"Herr, wenn Du existierst, so komme dann in unsere Mitte"
Auch wenn Oosterhuis der einflussreichste Erneuerer des katholischen Kirchenlieds ist, haben einige niederländische Bischöfe seine Lieder zensiert. Die Bistümern Utrecht und 's-Hertogenbosch setzten etliche seiner Lieder auf den Index: Sie seien für den liturgischen Bereich ungeeignet. Das Vorgehen der Bischöfe kann sich Huub Oosterhuis nur so erklären:
"Da sie die immer biblische Herkunft meiner Texte offensichtlich nicht erkennen, muss ich davon ausgehen, dass es sich um meine Person handelt."
Auch bei der Neuauflage des deutschsprachigen katholischen Gesangsbuchs im vergangenen Jahr sollten aus dem "Gotteslob" zunächst die Oosterhuis-Lieder verbannt werden. Doch nach Protesten sind auch im neuen Liederbuch fünf Texte zu finden, im evangelischen Gesangbuch sind es vier.
"Herr, unser Herr, wie bist Du zugegen"
Die Texte des Niederländers sind eine Bibelexegese, die versucht, sich am modernen Leben zu orientieren. An dieser Ausrichtung an der Moderne mangele es der römisch-katholischen Kirche nach wie vor, meint Oosterhuis:
"Ich vermute, das hat vor allem zu tun mit der Art und Weise, wie die Kirche in den letzten Jahrhunderten oft fungierte: als ein autoritäres, konservatives, anti-modernistisches, sich selbst heiligendes Institut mit einer grundsätzlich unveränderlichen Lehre und Liturgie. Auch nach Vaticanum II hat die dringend gefragte Erneuerung sich nicht durchgesetzt - dank der letzten drei Päpste."
Doch auch Huub Oosterhuis hofft auf Veränderungen durch Papst Franziskus - allerdings: Anders als die so genannte Kirchenvolksbewegung streitet er nicht innerhalb der römisch-katholischen Kirche um Reformen. Er hat seinen eigenen katholischen Weg etabliert. Wobei sich der heute 81-Jährige, der mehr als 600 Kirchenlieder geschrieben hat, als ein Teil einer Bewegung versteht:
"Ich gehe nicht einfach meinen eigenen Weg. Den Weg, den wir schon 50 Jahre gehen, ist gerade der der Basisbewegungen, noch immer sind wir Teil einer Bewegung in den Niederlanden, die inzwischen mehr als 20 selbstständige Ekklesias umfasst, die unabhängig vom Bistum funktionieren. Wir konzentrieren uns weniger auf den Streit mit den kirchlichen Behörden, als auf die inhaltlich-biblisch-theologische Erneuerung. Und wir hoffen natürlich, dass der Geist des neuen Papst Franziskus auf die Dauer auch Raum für eine andere Kirche mit einer anderen Liturgie schaffen wird. Aber die Frage ist, ob und wie die römische Kirche ihre rigiden Formen und Gedanken und die Vergangenheit mit ihren Missbrauchsskandalen überleben kann."
Kirche soll Lehrhaus sein
Für die Feier der Liturgie seien die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens entscheidend, sagt der Theologe. Die Christen müssten immer wieder ein Bewusstsein dafür entwickeln, woher ihr Glaube stamme:
"Um dieses Bewusstsein zu fördern und zu pflegen sollte die Kirche mehr ein Lehrhaus als eine Lehrgewalt sein, vor allem für die, die für die Liturgie verantwortlich sind. Das Lehrhaus ist ein jüdisches Institut, in der Synagoge wird nicht nur gefeiert, sondern auch gelehrt, denn man soll wissen, was man feiert und wovon man singt. Wo Liturgie fehlt, fällt die Gemeinde auseinander. Wo das Lehrhaus als Projekt fehlt, fängt die Liturgie an, hohl zu klingen."
Am Mittwoch erhält der 81-Jährige nun den Ökumenischen Predigtpreis verliehen. Damit wird der große Einfluss des Niederländers auch in deutschen Gemeinden gewürdigt. Denn Oosterhuis ist nicht nur an der Basis beliebt: Selbst bei Bischofsweihen erklingen gelegentlich seine Lieder.
Mehr zum Thema