Kirche gegen Krone

Von Jens Brüning · 14.02.2006
Es war einer der ersten Höhepunkte im jahrhundertelangen Machtkampf zwischen Kirche und Krone: 1076 verhängte Papst Gregor VII. den Kirchenbann über den deutschen König Heinrich IV. Zwar ging Heinrich ein Jahr später nach Canossa, doch der Konflikt zwischen weltlicher und kirchlicher Macht sollte noch viele Generationen folgender Päpste, Könige und Kaiser beschäftigen.
"Ich verbiete dem König Heinrich die Leitung des ganzen Reiches der Deutschen und in Italien, weil er in nie da gewesenem Übermut gegen die heilige Kirche sich erhoben hat. Ich löse alle Christen vom Bande des Treuschwurs, den sie ihm leisteten; ich untersage, dass irgendeiner ihm noch als König diene."

Papst Gregor VII. war äußerst zornig über den deutschen König Heinrich IV. Der nämlich hatte durch Boten mitteilen lassen:

"Der König sowie die Bischöfe Deutschlands und Italiens befehlen dir, von deinem Stuhl herabzusteigen, den du entgegen dem Recht durch gewaltsamen Raub innehast. Ihr aber, Römer, werdet am nächsten Pfingstfest aus der Hand des Königs einen anderen Papst erhalten; denn dieser da ist nicht Papst, sondern ein reißender Wolf."

Papst Gregor VII. und König Heinrich IV. stritten bereits seit Jahren um die Vorherrschaft in Kirchenfragen: Gregor hatte, seit er Papst war, das Ziel verfolgt, den Klerus von der Bestimmung durch weltliche Herrscher zu befreien. Zwar trat er sein Amt erst an, nachdem der deutsche König zugestimmt hatte, erließ aber alsbald ein Dekret mit folgendem Wortlaut:

"Wenn jemand künftig ein Bistum oder eine Abtei aus der Hand eines Laien annimmt, so soll er weder als Bischof noch als Abt gelten. Wir versagen ihm die Gnade St. Peters und den Eintritt in die Kirche, so lange er sein Amt nicht aufgibt."

Kaisern, Königen und niedrigeren Fürsten sollte dieselbe Strafe auferlegt werden, wenn sie jemanden in eine kirchliche Würde einsetzten. König Heinrich hatte versucht, den Papst abzusetzen, um seine Vormachtstellung zu behaupten. Im Gegenzug sprach der Papst den Bann nicht nur über den König aus, sondern auch über dessen kirchliche Verbündete in Mainz und in der Lombardei. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht in Deutschland. Wanderprediger waren unterwegs und verkündeten allenthalben die Botschaft, dem König könne verziehen werden, wenn er die Kirche als die ihm übergeordnete Herrin anerkenne.

Der König geriet zunehmend in Isolation. Die deutschen Fürsten versagten ihm die Gefolgschaft. Sie forderten ihn auf, bis zu einer feierlichen Versammlung der Reichsfürsten in Augsburg die Regierungsgeschäfte niederzulegen und sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Er verlöre seine königliche Würde, wenn er sich nicht binnen Jahresfrist des über ihn verhängten Bannes entledigen könnte. An den Papst richteten die deutschen Fürsten die Bitte, nach Deutschland zu kommen, um den Zwiespalt beizulegen.

In seiner Bedrängnis kam König Heinrich die rettende Idee: Wenn er seine Macht in Deutschland behalten wollte, musste er Papst Gregor vor dem Augsburger Treffen aufsuchen und die Lösung vom Bann erreichen. Im tiefsten Winter brach er nach Italien auf. Sein Biograf Lampert von Hersfeld berichtete vom Alpenübergang Heinrichs IV.:

"Bald auf Händen und Füßen kriechend, bald auf die Schultern ihrer Führer gestützt, glitten sie manchmal auf dem glatten Boden aus, fielen hin und rutschten ein ganzes Stück den Berg hinunter. Mit großer Lebensgefahr erreichten sie die Ebene."

Der Papst hatte sich schon in Richtung Augsburg in Bewegung gesetzt. Nun, da König Heinrich die Grenze nach Italien bereits überschritten hatte, bezog Papst Gregor rasch die Burg im toskanischen Canossa. Nach einigen Sondierungsgesprächen, bei denen Gregor zunächst hart blieb, zog Heinrich barfuß und im Pilgergewand vor die Burg von Canossa und flehte drei Tage lang um Vergebung. Am Abend des dritten Tages wurden ihm die Bedingungen mitgeteilt, unter denen der Papst den Bann zu lösen bereit war.
Er erreichte durch diese Handlung zweierlei: Er erhielt die Zurücknahme des Bannes und hinderte durch sein persönliches Eingreifen die bedenkliche Zusammenkunft mit seinen Gegnern.

So stellte sich Heinrich IV. in diesem Kräftemessen letztlich als der Schlauere heraus, da er seinen eigenen Sturz abwendete. Der Papst erwies sich zwar als Richter über den weltlichen Herrscher, düpierte aber die deutschen Fürsten, die mit des Papstes Hilfe Gericht über den König abzuhalten gedachten. Einen späteren Bannspruch von Gregor gegen Heinrich konterte der mit der Einsetzung eines Gegenpapstes. Erst mit dem Wormser Konkordat von 1122 kam der Investiturstreit zu einem Ende. Da waren Heinrich und Gregor längst tot.