Kinofilm "Die Maisinsel"

Antikriegsfilm der besonderen Art

Szene aus dem Film "Die Maisinsel" von George Ovashvili
Der Film zeigt fast dokumentarisch, wie eine Hütte und ein Maisfeld mitten im Fluss entstehen. © Verleih Neue Visionen
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 25.05.2015
Der Film "Die Maisinsel" spielt an einem Grenzfluss, der Georgien und die abtrünnige Provinz Abchasien trennt. Ein alter Mann und seine Enkelin lassen sich hier nieder. Der Streifen erzählt in ruhigen Bildern von Mensch und Natur, Krieg und Gewalt.
Ein alter Mann rudert mit seinem Nachen zu einer Sandbank mitten im Fluss. Er kniet nieder, lässt die Erde durch seine Finger rinnen. Es ist fruchtbares Schwemmland. Später lädt er Holz und Werkzeuge ab. Am nächsten Tag bringt er seine 16-jährige Enkelin. Sie lassen sich auf der kleinen Insel nieder.
George Ovashvili: "Während der heftigen Regenfälle im Frühling bringt der Fluss fruchtbare Erde vom Kaukasus herunter und es bilden sich kleine Inseln mitten im Flussbett. Die örtlichen Bauern bauen auf ihnen Mais an, denn Mais ist das Hauptnahrungsmittel für die Menschen dort. Mich hat das fasziniert, dass Erde angeschwemmt, dann bepflanzt wird und dann alles wieder neu beginnt, eine Art Zyklus des Lebens."
Der georgische Regisseur George Ovashvili erzählt in seinem zweiten Spielfilm "Die Maisinsel" sehr poetisch und in langen Einstellungen von der Arbeit mit der Erde, zeigt fast dokumentarisch, wie eine Hütte und ein Maisfeld mitten im Fluss entstehen.
Aber die ländliche Idylle trügt: durch die grüne Flusslandschaft verläuft seit 20 Jahren eine Demarkationslinie. Der Fluss Enguri trennt zwei feindliche Staaten, im Norden Abchasien, im Süden Georgien. Immer wieder nähern sich misstrauische Militärpatrouillen mit ihren Booten der kleinen Insel.
Wie in seinem ersten Film geht es dem 52-jährigen Regisseur auch hier um die Opfer des Krieges, um diejenigen, die durch Zufall in kriegerische Konflikte hineingezogen werden. "Die Maisinsel" ist kein Kommentar zu den aktuellen und vergangenen Krisen und Kriegen, Abspaltungen und Staatenbildungen um und in Georgien.
George Ovashvili: "Es ist für mich ein Film über den Menschen und seinen Kampf mit der Natur. Es geht um den Sinn und die Sinnlosigkeit unseres Handelns: Ist es wichtig sich gegenseitig für ein paar Quadratmeter Land zu töten, oder sollten wir versuchen mit dem zu leben, was wir von der Natur bekommen können?"
Der Großvater und seine Enkelin trotzen der Natur das Wenige ab, was sie zum Überleben brauchen. Sie sind abhängig von den Launen der Natur, von Wind, Regen und Gewitter. Der Fluss, der die kleine Insel geschaffen hat, kann sie auch jederzeit wieder vernichten. Der Film lebt von seinen Landschafts- und Naturbildern, fasziniert durch seinem langsamen, fast meditativen Erzählrhythmus und durch das ausdrucksstarke, aber fast wortlose Spiel der Protagonisten: Ein alter Mann, der der Natur noch einmal ein kleines Stück Land abjagen will, und ein in sich gekehrtes Mädchen, dass auf der Flussinsel zur Frau wird.
Kulturell Europa, geografisch Asien
In Georgien entstehen pro Jahr etwa vier Filme, manchmal auch weniger. Aber die wenigen Produktionen, die entstehen, laufen erfolgreich auf internationalen Festivals und oft auch in der weltweiten Kinoauswertung. Georgien ist ein Land, aus dem poetische und skurrile Geschichte kommen, sagt Eike Goreczka, der deutsche Koproduzent des Films:
"Es gibt eine sehr, sehr lange Tradition des Films in Georgien und ich glaube, diese Tradition des Filmemachens und diese eigenartige Position, in der Georgien steht, es ist Europa, kulturell, aber geographisch ist es schon Asien. Und dieser Zwiespalt auch sozusagen an der Grenze zum Islam zu stehen, mit der Grenze zur Türkei und zu Aserbaidschan, ich glaube das macht das aus."
"Die Maisinsel" ist ein fragiler Mikrokosmos, bedroht von einer ständigen Kriegsgefahr und der alles verschlingenden Strömung. George Ovishvili erzählt bei allen regionalen und kulturellen Bezügen eine universelle Geschichte, vom Leben und Überleben zwischen Krieg und Gewalt und von Mensch und Natur:
"Die Natur ist immer stärker als wir, aber wir können mit ihr leben, wenn wir einen Einklang finden. Aber wenn wir immer mehr wollen, dann nimmt sich die Natur am Ende, was ihr gehört. Unsere Hauptfigur weiß von Anfang an, wem das Land gehört, das er bestellt. Die anderen Menschen um sie herum wissen das nicht, nur deswegen sind sie fähig, sich gegenseitig zu töten."
"Die Maisinsel" ist ein Antikriegsfilm der besonderen Art. George Ovashvili bezieht keine Position zum Krieg und verweigert sich den festgefahrenen Freund- und Feindbildern. Das brachte ihm in seiner Heimat oft den Vorwurf mangelnden Patriotismus und mangelnden Engagements für die gerechte Sache ein. Aber "Die Maisinsel" ist eine ganz universelle Geschichte, ein mitreißender Film über die menschliche Existenz, ein Film über Leben und Sterben, langsam erzählt, aber niemals langweilig.

Georgien / Deutschland /Frankreich / Tschechien / Kasachstan 2014, 100 Minuten, OmU, Regie: George Ovashvili, Hauptdarsteller: Ilyas Salman, Mariam Buturishvili, Irakli Samushia, Tamer Levent

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