Kino mit Barockkulisse

Von Heike Schwarzer · 03.07.2008
Die Filmnächte in Dresden erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit. Die Mischung aus Film, Konzerten und Party zieht gut 130.000 Besucher an. Aus der Taufe gehoben wurden die Filmnächte vor fast 20 Jahren von Jörg Polenz.
Zurückhaltend und still, ja fast brav – so wirkt Jörg Polenz mit seinen blauen Augen und den jungenhaften 44 Jahren nur im ersten Moment. Doch wenn er von den Filmnächten erzählt, die er vor 18 Jahren mit zwei Freunden gründete, und von dem, was er plant und ersinnt an dem Ort, wo Dresden am barocksten ist …

"Grüne Wiese, Entspannung, Dresden – ah! - das muss natürlich alles bleiben. Aber diese schöne Freitreppenanlage, wo jeder Tourist draufschaut, der Dresden besucht, das da Stadt und Land nicht sagen, das ist eine Art Spanische Treppe wie in Rom ..."

… ja, wenn Jörg Polenz in inspirativer Laune ist, dann flattern seine Hände in mediterraner Art wild durch die Luft und man ahnt, dieser eigentlich ruhige Mann braucht Visionen. Und zu bremsen ist er kaum.

"Aber das passiert mir ständig. Ich hab die Bühne in Bregenz gesehen. Das ist für mich ganz klar. So eine ZDF-Arena kann auch nach Dresden gehören. Theoretisch! Wir haben die Kulisse, wir haben diesen Ort. Warum soll die WM 2010 nicht von Dresden aus laufen. Da muss ich nicht nachdenken."

Viel Weiß durchzieht die grauen, kurzen Haare. Zweifeln ist seine Sache nicht. Jörg Polenz handelt lieber. Am liebsten schnell. Aber einen langen Atem, den hat er auch.

"Wir hatten 1991, glaub ich, zehn Tage Veranstaltungen. Wir haben ein einfaches Gerüst hingebaut mit Holzplatten als Leinwand. Das waren so 6000 Besucher oder so was."

Im letzten Jahr kamen 130.000 Besucher mehr. Die Leinwand ist, seit dem Flutjahr 2002 eine mobile High-Tech-Bühne und – nach Aussagen der Organisatoren – die weltweit größte ihrer Art. Freiluftkultur vor barocker Postkartenkulisse: vor Semperoper, Hofkirche, Zwinger, Frauenkirche und das jeden Tag.

"Dieses Jahr haben wir 11 Konzerte, ich glaube 62 Filmveranstaltungen. Wir machen eine Party zu 'Sex and the city'…"

Die Filmnächte am Elbufer sind heute eine riesige Volksveranstaltung, die Jörg Polenz gemeinsam mit zwei weiteren Organisatoren stemmt.

"Eigentlich ist das Programm der Durchschnittsextrakt, wenn man so will, von drei verschiedenen Weltbildern. Im Prinzip wird das demokratisch entschieden."

Jörg Polenz ist in Dresden geboren und aufgewachsen, drei Geschwister und die Eltern wohnten auf 70 qm. Seine Familie sei seine wichtigste Lebensschule, erklärt der studierte Klubhausleiter, der seine ersten Filmrollen bei der NVA einlegte und Ende der 80er Jahre in der Kulturabteilung von Dresden-Süd landete. Aus Mangel an Aufgaben dachte er sich ein Filmfest aus. Berlin und Gera, damals waren das die einzigen staatlichen Spielfilmfestivals in der DDR.

"Ich bin nach Berlin gefahren zu verschiedenen Botschaften, nicht nur der polnischen und sowjetischen, sondern auch zur französischen und ungarischen und hab überall Filme zusammengesucht. Das ganze Programm wurde überhaupt nicht vorgestellt, nicht genehmigt, gar nichts. Wir haben Plakate gedruckt ohne Genehmigung und das war natürlich ein Rieseneklat."

Nach der Wende durfte er vom Goethe-Institut als Gründer des ersten nichtstaatlichen Filmfestivals in der DDR geadelt, zwei Jahre als Referent für ostdeutsche Filmkultur quer durch Lateinamerika touren.

"Ich hatte dann Einladungen zum Beispiel vom Weizsäcker zum Neujahrsempfang, da war ich verdienter Bürger plötzlich. Ich wusste gar nicht woher und wieso. Und das ging dann so Schlag auf Schlag. Das war natürlich verrückt."

Doch am Ende der DDR noch hatte man Polenz für dieses nichtstaatliche Festival fristlos entlassen. Der Dresdner packte seinen Rucksack, nicht weil er sich für einen Aussteiger hielt, sondern weil er neugierig war und frei.

"Es gab die Möglichkeit, ein Transitvisum nach Rumänien zu bekommen und dann hielt der Zug irgendwo auf sowjetischem Territorium und wir sind einfach ausgestiegen und los. Bis runter nach Afghanistan in die Grenzregion, Sibirien, alles. Ich denke, ich habe die Sowjetunion denk ich mal kennengelernt."

In Georgien lernte Polenz damals Aleko Adamia kennen. Der Künstler aus Tblissi hat ihm später ein großformatiges farbsprühendes Ölbild gemalt. Jörg Polenz hat es in sein Arbeitszimmer gehängt. Es zeigt die Dresdner Barockkulisse zu den Filmnächten.

Gleich neben dem Schreibtisch steht noch ein guter alter Begleiter. Seine Gitarre, mindestens 25 Jahre alt. Für seine Kinder Gustav, der gerade sechs Jahre alt geworden ist, und die zweijährige Fabiola, spielt er das, was er am liebsten mag. Das holt ihn wieder runter.

Jörg Polenz wirkt wie ein gestandener Familienvater und Selfmademan, aber er kennt auch harte Zeiten. Er hat enge Familienmitglieder in den Tod begleitet. Und vielleicht ist es das, warum er in seinem Leben nicht lange warten will.
Ein neues Filmfest, Weltfilmpremieren und Großschirme mit 400 qm Spannfläche.

"Ich bin ich ausgefüllt mit 1000 Ideen, ich merk, dass ich auch nach 18 Jahren Filmnächten kann ich nachts manchmal nicht schlafen, weil es so viele Dinge gibt, die ich mir vorstellen kann und die ich umsetzen will. Das macht mich positiv gesehen verrückt."