Kino

Eine Freundschaft im Krieg

Der Dokumentarfilm "The Green Prince" des israelischen Regisseurs Nadav Schirman
Im Gazastreifen ist der Wiederaufbau auch drei Monate nach den Angriffen der israelischen Armee kaum vorangekommen. © Deutschlandradio / Igal Avidan
Von Igal Avidan · 24.11.2014
Der eine ist Palästinenser und Sohn eines Hamas-Führers. Der andere Israeli und Geheimdienstler. Eigentlich müssten sie Feinde sein, aber sie werden Freunde. In "The Green Prince" erzählt Dokumentarfilmer Nadav Schirman ihre Geschichte.
Mit seinem dritten Film kehrt der Israeli Nadav Schirman erneut in die Welt des Nahost-Konflikts zurück. Doch für ihn dient diese Geschichte lediglich als Hintergrund, um von der unglaublichen und wahren Freundschaft zwischen dem palästinensischen Informanten und seinem israelischen Geheimdienstler zu erzählen.
Nadav Shirman: „Für mich geht es in den drei Filmen um Beziehungen, mehr als um Spionage oder Terrorismus. Mein erster Film, der ‚Champagne Spion' handelt von einer Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater ist ein Mossad-Agent. Mein zweiter Film ‚In the Darkroom' ist die Geschichte von der Frau und der Tochter von Carlos, dem ‚Schakal'."
Zu „The Green Prince" wurde Filmemacher Nadav Schirman von Mosab Hassan Yousefs Autobiographie "Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist" inspiriert. Die Sicht eines Insiders auf die Hamas faszinierte den Regisseur. Aber für den Film brauchte er vor allem den früheren israelischen Geheimdienstler Gonen Ben Itzhak. Denn er wollte einen Film über Beziehungen drehen, die selbst enormem Druck standhalten.
Nadav Schirman: „Es ist eine sehr besondere Beziehung. Ich habe mit vielen Agentenhändlern gesprochen und alle reden über Liebe zu ihren Quellen, Liebe! Und das ist sehr merkwürdig, denn sie schicken diese Menschen auf sehr gefährliche Missionen, aber sie lieben sie trotzdem, diese Quellen."
Ein verrücktes Angebot
Dabei begann diese Freundschaft mit einer Falle. Mit 18 Jahren wird Yousef, dessen Vater – der Chef der Hamas im Westjordanland – seit Jahren im Gefängnis sitzt, verhaftet. Der israelische Inlandsgeheimdienst bietet dem Studenten an, Informant zu werden. Für den Palästinenser Yousef ist das ein unmoralisches, ja verrücktes Angebot, denn er würde seinen Vater niemals verraten, wie er im Film erzählt:
„Mit Israel zu kollaborieren ist das Schändlichste, was man in meiner Kultur machen könnte. Es ist sehr schlimm, wenn jemand seine Mutter vergewaltigt. Aber wenn er für Israel spioniert, ist die Schande noch viel größer."
Mosab Hassan Yousef hasst israelische Uniformierte, weil sie seinen geliebten Vater, einen bescheidenen und hoch angesehenen islamischen Geistlichen, jahrelang hinter Gitter brachten. Der israelische Geheimdienst ist für ihn schlichtweg „der Satan". Yousef erwartet, dass dieser ihn mit einer Pistole an der Schläfe zur Kollaboration zwingt. Aber nichts dergleichen passiert. Geheimdienstler Gonen Ben Itzhak wirkt stattdessen nicht nur freundlich, sondern auch fürsorglich. Ihn interessiert lediglich, dass der 18-jährige Palästinenser ein anständiges Leben führt.
Gonen Ben Itzhak: „Die Rekrutierung eines Agenten ist eine Kunst, eine sehr schwere Kunst. Man muss alles über denjenigen verstehen, der vor dir sitzt – seine Sichtweise, seinen Hintergrund, seine Familie, seinen Werdegang und seine Bedürfnisse. Und wenn du das weißt, kannst du ihn dazu bringen, Dinge zu tun, die er sonst niemals machen würde – für dich oder besser gesagt für die Regierung. Das tust du, indem du seine Schwächen erkennst und sie ausnutzt."
Gonen Ben Itzhak ist der zweite Held dieses Films. Ein israelischer Patriot, der immer wieder erfolgreich und zugleich moralisch handeln will. Manchmal umgeht er die Vorschriften, um Yousef nicht zu verlieren, bis er schließlich aus diesem Grund entlassen wird. Im Film erzählt er zum ersten Mal von seiner Arbeit als Geheimdienstler. Er musste zum Beispiel einmal führende Terroristen laufen lassen, um seinen Informanten Yousef zu schützen.
Nadav Schirman verwebt gekonnt Interviews, die er separat mit seinen beiden Protagonisten in kahlen Räumen führt, mit Dokumentaraufnahmen aus der Konfliktzone und inszenierten Szenen, die Spannung erzeugen.
Fehlendes Vertrauen
„The Green Prince" ist nach dem Spielfilm „Bethlehem"bereits der zweite israelische Film in zwei Jahren, der die Beziehung zwischen einem palästinensischen Informanten und seinem israelischen Agenten thematisiert. Anders als im Film „Bethlehem" gelingt es dem Hamas-Prinzen hier, die Loyalität zu seinem Vater trotz der Arbeit als Informant zu bewahren. Seine enge Freundschaft mit dem Israeli Gonen besteht bis heute und kann ein Beispiel für Israelis und Palästinenser abgeben, sagt Regisseur Nadav Schirman:
„Diese besondere Beziehung war möglich, weil beide ein großes Risiko eingegangen sind. Wenn man auf die Politik zwischen Israelis und Palästinenser schaut, gibt es kein peace process, weil niemand das Risiko auf sich nimmt, dem Anderen zu vertrauen."
Diesem Friedensprozess fehlt zur Zeit also der Regisseur, der sich ein Happy End vorstellen kann, wie in „The Green Prince".
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