Kino

"Dann würden sie hinter den Tresen fallen"

Ein Studiomikrofon
Detlef Bierstedts Arbeitsinstrument: Mikrofon in einem Tonstudio © Deutschlandradio / Bettina Straub
Von Elmar Krämer · 01.05.2014
Seine Stimme hat wohl fast jeder schon einmal gehört - aber sein Gesicht kennt wohl kaum jemand: Seit 1994 synchronisiert Detlef Bierstedt den Hollywood-Superstar George Clooney. Dass Bierstedt Schauspieler wurde, daran hatten die DDR entscheidenden Anteil.
Ausschnitte aus Kino-Trailern: "Ihr wurdet ausgewählt, weil wir euer Fachwissen und eure Fähigkeiten brauchen." - "Man kann Menschen einer ganzen Generation auslöschen, ihre Häuser niederbrennen, aber sie werden immer einen Weg zurück finden." - "Gibt es da unten jemanden, der an Sie denkt, wenn er nach oben schaut?"
So kennt man ihn – oder zumindest seine Stimme. Als George Clooney, als Helden, als grinsenden Strahlemann, als Hollywood-Superstar, als Frauenschwarm und Rampensau.
Filmausschnitt: "Wir müssen so nah an die Front wie nur möglich."
US-Schauspieler und -Regisseur George Clooney bei Dreharbeiten des Films „The Monuments Men“ in Goslar (Niedersachsen).
Der US-Schauspieler und -Regisseur George Clooney© picture alliance / dpa / Swen Pförtner
Doch der erste Eindruck von dem Mann, der George Clooney seine deutsche Stimme leiht, ist ein ganz anderer: groß, Glatze, freundliche Augen. Wirkt ruhig und unglaublich entspannt.
"Ja, hallo, schönen guten Tag, mein Name ist Detlef Bierstedt."
Wir treffen uns in einem Tonstudio in Berlin-Grunewald. Mikrofon, Stehpult, durch eine Glasscheibe der Blick in die Regie:
"Das ist so ein typischer Arbeitsplatz, das ist eine sogenannte Sprecherkabine, die hier sogar sehr komfortabel ist, weil, sie hat ein eigenes Fenster. Normalerweise sind die noch viel kleiner und haben kein Fenster, so dass man immer nach einer halben Stunde in Schweiß ausbricht, wenn man Sprachaufnahmen macht."
Sprachaufnahmen sind seit über 30 Jahren sein Job – etlichen amerikanischen Superstars hat er seine Stimme geliehen, unzählige Hörbücher und Hörspiele gesprochen.
Ausschnitt, Hörspiel Dracula: "Willkommen. Die Kutsche, die Sie zum Schloss vom Grafen Dracula bringen wird, steht dort drüben. Ich nehme ihr Gepäck."
"Bums, haben sie mich abgelehnt"
Detlef Bierstedt, Jahrgang 1953, wächst in Ost-Berlin auf, in einfachen Verhältnissen.
"Meine Eltern sind ganz ganz einfache Menschen, mein Vater hat als Kohlenträger gearbeitet, weil, nach dem Krieg musste er seine Familie ernähren. Er hat Schriftsetzer gelernt und meine Mutter war Putzfrau – also ganz einfache Super-Menschen, denen ich alles zu verdanken habe. Mein Vater hat nämlich dafür gesorgt, dass ich nicht zur FDJ gegangen bin. Er hat nämlich gesagt: 'Du trägst kein blaues Halstuch. Wir hatten gerade die braunen Halstücher und du gehst zur Schule, um lesen und schreiben zu lernen.'"
Nichts deutet darauf hin, dass er mal mit Lesen sein Geld verdienen wird. Nach der Schule lernt er Maurer, will aber nicht ein Leben lang mit der Kelle in der Hand auf der Baustelle stehen:
"Also Baufachschule – mich beworben, da saßen vier Dozenten mir gegenüber und sagen: 'Herr Bierstedt, sie sind unser bester Bewerber.' Denke: 'Na, endlich klappt mal was in diesem Land.' Blättern die Akte durch - 'Huch, Sie sind ja gar nicht in der FDJ'. Dann haben sie mir den Aufnahmeantrag rübergeschoben und gesagt: 'Dann unterschreiben Sie doch jetzt hier die Mitgliedschaft.' Da hab ich gesagt: 'Sie haben mir doch eben gesagt, ich bin der beste Bewerber, da möchte ich jetzt doch wegen meiner Leistungen immatrikuliert werden und nicht wegen 'ner Unterschrift.' Bums, haben sie mich abgelehnt."
Aufgeschlossen gegenüber allem, was nicht mit dem Staat zu tun hat, gerät er an eine Laientheatergruppe und bekommt dort den entscheidenden Tipp:
"Da haben wir uns drüber unterhalten, was man so werden könnte, und da hab' ich erzählt, dass ich nicht studieren kann, weil ich nicht in der FDJ bin. Und da haben die gesagt, als Schauspieler braucht man kein Abitur."
Bierstedt probiert es aus: Bewirbt sich an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Ost-Berlin und wird im zweiten Anlauf genommen.
"Ich hatte Maurer gelernt und plötzlich stand ich da in einer Klasse mit 26 Schauspielstudenten. Entweder waren sie Schauspielerkinder oder hatten Requisiteur gelernt, die hatten alle eine Affinität zum Theater – ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich da erwartet."
1976, nach der Schauspielschule, fängt Detlef Bierstedt am Hans-Otto-Theater in Potsdam an. Mittlerweile ist er verheiratet und Vater und immer noch unzufrieden mit der DDR. Die Bierstedts stellen einen Ausreiseantrag – vier Jahre dauert das Verfahren, in dieser Zeit fängt Detlef Bierstedt an, Filme zu synchronisieren:
"Die haben gesagt, die Leute sind anonym, man sieht sie nicht so. Von daher ging es denen nur um die Stimme und die Leistung und so konnte ich da vier Jahre ganz gut arbeiten."
1984 reist er aus der DDR aus und landet er mit seiner Familie im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde – wenig Platz für viele Menschen. Vorsprechrollen übt er in der Badewanne. Er will wieder als Schauspieler oder Synchronsprecher arbeiten:
"Wenn ick dann mich vorgestellt hab, dann haben die mich immer anjekiekt wenn ick jesagt hab: 'Tach, ich bin Bierstedt, ich komme aus dem Osten und würde gerne synchronisieren.' Hä, sagen Sie mal, berlinern sie immer so?' Da hab ick jesagt: 'Nee, natürlich nicht, wenn ich vor dem Mikro stehe, spreche ich.' Dann haben sie mich etwas skeptisch behandelt, aber sie haben dann doch in so kleineren Rollen gemerkt, dass der Bierstedt das Handwerk beherrscht, und dann wurden die kleineren Rollen zu mittleren Rollen."
"Ich werde selten erkannt"
Und zu großen und ganz großen Rollen: 1994 wird er die deutsche Stimme von George Clooney – und mit ihm immer größer.
Filmausschnitt "The American": "Für alles was ich getan hab hatte ich gute Gründe."
Da könnte man denken, dass Detlef Bierstedt im Alltag ständig auf seine Stimme angesprochen wird:
"Ditt is' weniger der Fall, weil ick ja 'Hallo' sage, so in meiner Berliner Art. Ich könnte es drauf anlegen, wenn ich jetzt beim Fleischer sagen würde (stellt Stimme in den Clooney-Modus) 'Hallo, gnädige Frau, ich hätt gern 200 Gramm Hackepeter', dann würden sie wahrscheinlich hinter den Tresen fallen. Aber ditt mach ick ja nich. Also, ich werde selten erkannt."
Immer erkannt zu werden wäre ihm auch viel zu stressig. Detlef Bierstedt genießt das Leben, so wie es ist.
"Ich fühl mich so, wie wir sind und wie wir leben, sauwohl. Ich bin 100 Prozent zufrieden, 44 Jahre, verheiratet, drei Kinder, sechs Enkelkinder – ist alles schön."
Und wenn er bei Live-Lesungen auch mal mit Gedichten von Christian Morgenstern auf der Bühne steht, dann sieht man gelegentlich den einen oder vor allem die andere die Augen schließen und wohlig lächeln. Da wird Detlef Bierstedt vor dem geistigen Auge wohl einmal mehr zu George Clooney.
Gedichtlesung live: "Glühend zwischen dir und mir Julinächte brüten;
gleiche Sterne dort und hier unsern Schlaf behüten.
Wähl das schönste Sternelein, will das gleiche tuen; –
morgen droben Stelldichein auf geheimen Schuhen.
Gibt du nur nichts anderm Raum, als mich dort zu finden,
Wird ein gleicher süßer Traum dich und mich verbinden."
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