Kino-Charts

Top 5 des Mainstream-Kinos

O'Shea Jackson Jr. als Ice Cube in einer Szene des Kinofilms "Straight Outta Compton" (undatierte Filmszene).
O'Shea Jackson Jr. als Ice Cube in einer Szene des Kinofilms "Straight Outta Compton" © picture alliance / dpa / Jaimie Trueblood / Universal Pictures
Von Hartwig Tegeler · 05.09.2015
Das N.W.A.-Biopic "Straight Outta Compton" ist satt angefüllt mit Realität und präzisen Szenen, leidet aber gleichzeitig unter einer blinden Legendenbildung. Auf Platz 1 schafft es der Film trotzdem.
"Ich habe all Ihre Filme gesehen. 'Der Herr der sieben Meere' gleich fünf Mal. Den fand ich am allerbesten."
"Ach wirklich? Ich habe es kaum einmal geschafft."
Gut, diese Woche jetzt mal zu den ganz harten Fragen ans Kino. Und zwar die nach der Realität, dem Realitätsgehalt, der Dichtigkeit von Realitätserfahrungen bzw. dem Verlust von Wirklichkeit im Kino.
"Niemand interessiert sich mehr für die Wirklichkeit."
Sagt eine Figur in Terence Malicks neuem Film "Knight of Cups", der nächste Woche ja bei uns anläuft. Was im Prinzip dem entspricht, was vor gut vier Dekaden Robert de Niro als Hollywood-Produzent in Elia Kazans "Der letzte Tycoon" fragt:
"Haben wir noch Autoren, die wissen, wie Menschen reden."
Für die Frage nach der Realität im zeitgenössischen Kino, schiebe ich, um mich nicht zu verlaufen also den Animations-Slapstick von ...
Platz 4: "Minions" von Pierre Coffin und Kyle Balda
... vor. Gesagt, getan, erledigt. Und mache einen Schlenker zurück zu ...
Platz 5: "Southpaw" von Antoine Fuqua.
"Was sucht ein Billy Hope in meinem Gym?"
"Ich brauch einen Job. Und einen Ort zum Trainieren."
"Nur, wenn du dich an unsere Regeln hältst."
Der Abstieg des Boxers - Halbschwergewichts-Weltmeister immerhin - nach dem Tod der Ehefrau - Drogen, Alkohol - und das mühselige Wiederaufstehen als Boxer und als Vater ist natürlich Hollywood-Klischee pur. Aber vielleicht springt uns die Realität in diesem Film - und damit die Lust, ihn anzuschauen - damit an, das wir wieder sehen dürfen, wie Jake Gyllenhaal für jede Rolle - auch für die hier als Boxer - seinen Körper umformt.
Wenn wir mal alles Misstrauen über digitale Tricks beiseite lassen, dann gibt es im Boxer-Film wie im Musical schlicht die Realität der Arbeit. Nicht Mimik, Gestik etec., nein, der Schauspieler muss arbeiten. Körperlich. Da hilft auch die ausgefeilteste Montage nichts.
So hört sich ...
Platz 3: "Hitman: Agent 47" von Aleksander Bach
an, die zweite Verfilmung der Computerspielserie "Hitman".
So hört sich - nein, das ist keine Verwechselung des O-Tons - ...
Platz 2: "Mission Impossible - Rogue Nation" von Christopher McQuarrie
... an. Ob hier die gleichen Sounddesigner angeheuert waren in der Postproduktion, das weiß ich nicht. Aber Realität ist in diesen Filmen insofern präsent, als uns etwas um die Augen und die Ohren gehauen wird. Das repräsentiert unsere Alltags-Grunderfahrung: extremste Beschleunigung nämlich der Wahrnehmung in einer immer beschleunigteren Welt. Akustik ist da ganz erheblicher Parameter. Kino als Realitätsschwamm - irgendwie immer auch!
Was sich wie von der Realität ablagert im Kino, ist scheinbar - scheinbar! - am einfachsten auszumachen auf ...
Platz 1 ...
... bei ...
"Straight Outta Compton" von F. Gary Gray.
Die Geschichte der Hip-Hop-Crew "N.W.A." - in Langform "Niggaz Wit Attitudes" - um Ice Cube, Dr. Dre und Easy E, die mit ihren Beats und Lyrics den Gangsta-Rap begründeten und mit ihren kontroversen Geschichten über das Leben der Afroamerikaner nicht nur Musikgeschichte schrieb.
"Entschuldigung, was ist hier los?"
"Sir, würden Sie bitte dort stehenbleiben. Diese Gang-Mitglieder werden gerade von uns überprüft."
"Sie können nicht herkommen und einfach aufgrund ihres Aussehens festnehmen. Sie sind verrückt? [Brüllt.] Sie können nicht herkommen und diese Leute festnehmen, nur, weil sie schwarz sind."
Szenen aus den 1980er-Jahren aus Los Angeles, die - wie wir jede Woche auf grauenvolle Weise immer wieder erfahren dürfen -, die heute genauso passieren könnten. Willkür, Polizeigewalt. Der Gangsta-Rap von "N.W.A." als Antwort auf den Rassismus in den USA. Stark, wie "Straight Outta Compton" das erzählt. Satt angefüllt mit Realität also ist dieser Film.
Präzise Szenen. Und doch - so ist das Biopic als omnipräsentes Genre der Illusionsmaschine Kino - lässt F. Gary Gray in dieser Heldenlegende die Gewalt gegen Frauen, die die Hauptfigur Dr. Dre nachweislich ausgeübt hat, vollkommen außen vor. Würde eben nicht in diese Art von Legendenbildung oder zum Monument-Bau passen. Das mit der Realität im Film, ouh, ouh, das ist, quod errat demonstrandum, was zu beweisen war, eine äußerst heikle Angelegenheit.
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