Killer auf Entzug

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 11.06.2008
Ben Kingsley wurde vor allem durch seine Charakterdarstellungen von Mahatma Ghandi bis Moses bekannt. In "You kill me" spielt er einen alkoholsüchtigen Profikiller, der von seiner Familie zur Entziehungskur geschleift wird und sich bald verliebt. Eine pointenreiche Krimikomödie mit hervorragendem Darstellerensemble.
You kill me
USA 2007
Regie: John Dahl
Darsteller: Ben Kingsley, Téa Leoni, Luke Wilson, Dennis Farina, Philip Baker Hall, Bill Pullman u.a. FSK: ab 16. Länge: 92 min.


"You kill me " von John Dahl ist eine Independent-Produktion (USA 2006), die in San Francisco und in einem Studio in Winnipeg für rund 4 Millionen Dollar entstand. John Dahl gehört zu d e n Regisseuren, auf deren Filme man immer neugierig ist, weil er zu jener kleinen Gemeinde von außergewöhnlichen Filmemachern zählt, denen man attestieren kann, stets und ständig wirklich originelle Genre-Movies herzustellen.

Mit exquisiten Spannungsfilmen wie "Kill Me Again" (1989, mit Val Kilmer), "Red Rock West" (1992, mit Nicolas Cage und Dennis Hopper), "Die letzte Verführung" (1994, mit Linda Fiorentino), "Unforgettable" (1996, mit Ray Liotta und Linda Fiorentino), "Rounders" (1998, das Poker-Drama mit Matt Damon und Edward Norton) katapultierte sich Dahl in die erste cineastische Außenseiterliga.

Hier nun setzt er einen absoluten Profi in Bewegung, bildlich wie namhaft, den heute 64-jährigen "Oscar"-Mimen Sir Ben Kingsley ("Gandhi"; "Schindlers Liste"). Der Brite ist für seine enorme darstellerische Wandlungsfähigkeit bekannt und geschätzt und hat bekanntlich historischen Persönlichkeiten wie Moses, Mahatma Ghandi, Simon Wiesenthal und Wladimir Iljitsch Lenin großartig-eindrucksvoll in TV- und Kinofilmen Leben eingehaucht.

Jetzt mimt er Killer Frank. Der ist in seiner Heimat Buffalo in "familiärem (Mafia-)Auftrag" unterwegs, aber zuletzt nicht sehr "erfolgreich". Der Grund: Frank ist alkoholkrank und verschläft schon mal im Rausch seinen Job. Deshalb schickt ihn auch sein Onkel zum Entzug nach San Francisco. Unter der strengen Kontrolle des dortigen Immobilienhais und Familien-Freundes Dave (Bill Pullman) muss er regelmäßig zu den Anonymen Alkoholikern gehen, währenddessen er tagsüber als Einbalsamierer in einem Bestattungsunternehmen "werkelt".

Als er die Managerin Laurel kennen und lieben lernt, beginnt eine ganz andere Geschichte, doch Zuhause ist inzwischen der familiäre Mafia-Krieg in vollem Gange. Und Frank steht vor der Entscheidung zwischen privaten und "beruflichen" Gefühlen. Mit "Brügge sehen und sterben" lief kürzlich eine ganz vorzügliche schwarze Komödie in den Kinos mit zwei britischen Auftragskillern, die in Belgiens Kulturmetropole "geparkt" werden und dort in eine emotionale wie kulturelle Bredouille geraten.

So in der (ganz vorzüglichen) unterhaltsamen Art geht es jetzt weiter: Wieder wird ein gestandener Killer-Profi aus der Bahn geworfen. Weil er mit sich und seinen Problemen nicht (mehr) klarkommt; weil er persönliche Gefühle entdeckt und zulässt und überhaupt: Weil er im Grunde ein ganz passabler Mensch ist, den er nun auch selbst in bzw. mit sich entdeckt. Eine relaxte, außerordentlich fein-witzige, lakonische Komödie mit hübschen Pointen, süffisant-zweideutigen Gedanken und Ideen; in der genau stimmigen wie stimmungsvollen Show zwischen augenzwinkerndem Spaß, unterkühlter Charme-Romanze und skurrilem Thriller.

Natürlich gelingt das vor allem deshalb, weil die Akteure so prächtig mitmischen: Neben dem wunderbaren, mal "ganz anderen" Ben Kingsley darf Téa Leoni ("Family Man"/2000, neben Nicolas Cage; neulich "Spanglish", neben Adam Sandler) eine ebenfalls "ganz andere", also mehr selbstbewusste, "tatkräftige" Liebschaft sein, während in Nebenrollen prominente Stichwortgeber wie Bill Pullman und Luke Wilson ebenfalls kernig mitwirken. Eine köstliche, eine witzige, eine originelle, eine darstellerisch ganz vorzügliche Killer-Komödie; eine schön-schräge Prima-Unterhaltung pur.

The Happening
USA 2008
Regie: M. Night Shyamalan
Darsteller: Mark Wahlberg, Zooey Deschanel, John Leguizamo
FSK: ab 16. Länge: 90 min

Der 37-jährige indisch-stämmige amerikanische Filmregisseur, Drehbuch-Autor, Produzent und Schauspieler Shyamalan zählt seit Jahren zu den "Wunderkindern" Hollywoods. Der Grund: Schon mit seinem 3. eigenen Spielfilm schaffte er es auf den "Olymp", sowohl beim Publikum wie auch bei der Kritik: Sein 1999 gedrehter Psycho-Thriller "The Sixth Sense" mit Bruce Willis und dem damals elfjährigen Haley Joel Osment in den Hauptrollen, spielte bei Produktionskosten von etwa 40 Millionen Dollar weltweit 672 Mio. Dollar ein. (Und erzielt auch heute noch per DVD gute Verkaufsergebnisse).

Danach folgten: Der Horror-Mystery-Thriller "Unbreakable - Unzerbrechlich" (2000 / mit Bruce Willis und Samuel L. Jackson); der Science-Fiction-Thriller "Signs - Zeichen" (2002, mit Joachim Phoenix); der Mystery-Thriller "The Village - Das Dorf" (2004) sowie der Fantasy-Film "Das Mädchen aus dem Wasser" (2006), sein bislang größter Flop. Mit den ersten vier genannten Filmen aber konnte seine Produktionsfirma "Walt Disney" Einnahmen von rund zwei Milliarden Dollar verbuchen. Dauer-Thema in allen seinen Filmen: Der Glaube an das Übernatürliche; irgendwo zwischen Himmel und Erde gibt es Dinge, die "tatsächlicher", bedrohlicher sind als alles Andere.

"The Happening" ist eine Art Öko-Thriller. Die Menschheit hat es mit der Belastung, der Zerstörung der Natur endgültig übertrieben. Jetzt "wehrt" beziehungsweise jetzt schlägt Natur zurück. Anfangs in New York. In der Umgebung vom Central Park. Wo der menschliche Überlebenswille mittenmal, ganz unvermittelt, ausgeschaltet ist. Plötzlich schmeißen sich Bauarbeiter von Hochhäusern, verüben Park-Besucher "einfach so" Selbstmord, richtet sich der (offensichtlich willenlose) Mensch permanent selbst hin. Und das setzt sich in den Metropolen fort. Sind Terroristen am Werk? Haben fehlgeschlagene militärische Experimente dafür gesorgt? Ist ein Atomkraftwerk leck? Werden unbekannte biochemische Waffen "getestet"? Handelt es sich um einen sich schnell verbreitenden unbekannten Virus? Was ist los? Wer ist dafür verantwortlich? Die sogenannten Experten sind ratlos, die Menschen geraten mehr und mehr in Panik, bis dann zumindest feststeht: Der Wind überträgt dieses "Gift" in die Menschen, lässt es sie tödlich einatmen. Offensichtlich haben sich Pflanzen, Gräser und Bäume "zusammengetan", um sich mit allen Mitteln gegen den (für sie) bedrohlichen Menschen entgegenzustemmen.

Der Film erzählt von einer Lehrer-Familie "auf der Flucht". Elliot und Alma Moore haben die kleine Tochter einer befreundeten Familie bei sich. Ihr Weg über beziehungsweise durch das Land wird zum Alptraum und Erklärungsversuch für das Unbegreifliche. Sie können überleben, denn "das Phänomen", "der Spuk", ist dann genauso schnell vorbei wie es gekommen ist. Man kehrt in die Zivilisation zurück, um weiterzuleben. Auch so wie bisher weiterzumachen? Währenddessen, so die Abschiedsbilder des Films, zeigen sich in einem Park in Paris die ersten ähnlichen Symptome; das gute alte Europa also auch … Der Film will Kopf und Bauch attackieren: Hier die Warnung an die Menschheit, der Natur viel zu viel Schaden zugefügt zu haben, auf dass sie sich jetzt zu wehren versteht; dort der viel zu bemühte, konstruierte, wenig aufregende Versuch, "dazu" auch einen unterhaltsamen Spannungsfilm zu entwickeln.

"The Happening" fehlt die Kraft, sowohl intellektuell wie entertainmäßig. Er schlingert - auch musikalisch - angestrengt, aber wirkungslos dahin. Vom schlimmen menschlichen Umgang mit der Natur und ihre Folgen … , das haben andere Filme schon sehr viel aufregender, eindringlicher sowie spannender zuletzt abgehandelt (zum Beispiel. "Unsere Erde", aber auch der Blockbuster "I Am Legend" und der Animations-Gigant "Happy Feet"). Die Botschaft höre ich wohl, aber so lau, so herumeiernd, bleibt sie träge, bemüht, wohlwollend, alibihaft. Während die Personen - hier identitätslos sind, bleiben und agieren; das Interesse an ihnen ist äußerst begrenzt, bleibt eher uninteressant. Mark Wahlberg (zuletzt in "Shooter" und "Departed - Unter Feinden" von Scorsese) und Zooey Deschanel besitzen wenig Anziehungskraft und Nähe; vermitteln kaum Neugier, Sympathie, tiefere Gefühle; besitzen zu wenig Glaubwürdigkeit und dafür zuviel Beliebigkeit. Einer dieser Aha-Filme, mit guter Absicht, aber viel zu substanzlos als emotionale wie ökologische Kritik-Kino-Keule. Respekt alleine ist nicht allzu abendfüllend-unterhaltsam.