Kiew im Januar (2)

Winterlieder in a capella, Pop und Punk

Frauenchor in Tracht im ukrainischen Parlament.
Das Lied "Stschedryk", im Westen als "Caroll of the Bells", sollte von jedem ukrainischen Chor gesungen werden. © picture alliance / dpa / Nikitin Maxim
Von Katja Petrowskaja · 27.01.2015
Die ukrainisch-deutsche Schriftstellerin Katja Petrowskaja hat als Kind "Stschedrivki" gesungen - Winterlieder aus ihrer Heimat, die auch in Hollywood-Filmen zu hören sind. In der Reihe "Originalton" porträtiert sie ihre Geburtsstadt Kiew.
Ukrainische Stschedrivki, Winterlieder, wurden zu Weihnachten am 7. Januar und später am 13. Januar gesungen, Stschedrivki von "stschedryj Vechir" - "guter, großzügiger Abend". So soll auch das ganze Jahr sein.
Die bekannteste Stschedrivka heißt "Stschedryk" und zählt zu den berühmtesten ukrainischen Liedern, im Westen als "Caroll of the Bells" bekannt. Man hört es in zahlreichen Hollywood-Filmen und sogar bei Harry Potter. Es gibt zahlreiche Bearbeitungen dieses Liedes in etwas kitschiger Pop-Form, es gibt eine Punk-Version, die dritte ist sehr lyrisch, als wäre es ein Liebeslied. Hier auf dem Markt vor dem Sophien-Kloster in Kiew werden viele von diesen Stschedrivki gespielt.
Die eigentlich Ur-Fassung aber wurde a capella gesungen. Jeder Chor sollte dieses Lied singen. Jeder ukrainische auf jedem Fall. Ich habe als Kind in einem Chor gesungen, der Chor hieß "Stschedryk" und hat natürlich Stschedrik gesungen. Hören sie bitte dieses A-capella-Lied in einer Aufführung meines Chores. Die Aufnahme ist circa zehn Jahre alt, ich war natürlich nicht mehr dabei.

Kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen: "Originalton" heißt eine tägliche Rubrik unserer Sendung "Lesart" - kurze Texte, um die wir Schriftsteller bitten. In dieser Woche stammen sie von der ukrainisch-deutschen Schriftstellerin Katja Petrowskaja:

"Sie beschreibt eine Situation nicht nur, sie wendet sie mit vielen Bewegungen hin und her, und dann wird sie emotional. Sie kann im selben Moment lachen und äußerst dezidiert sein, wirkt mit ihren feinen Gesichtszügen konzentriert, angespannt wie eine Feder und überwach",

das sagt unser Kritiker Hemut Böttiger über die in Kiew geborene und in Berlin lebende Autorin.

Katja Petrowskaja stammt aus einer jüdischen Familie, "sowjetisch, russisch, jüdisch" nennt sie als ihre Einflüsse. Von 1987 bis 1992, in der Zeit des großen Umbruchs, studierte die 1970 Geborene im entlegenen estnischen Tartu, wo Professoren wie Juri Lotman "einen nichtideologischen Raum entwickelten". Als sie 1993 in Moskau weiterstudieren wollte, galt sie plötzlich als Ukrainerin und war Bürgerin eines anderen Staates.

Die Gewinnerin des Bachman-Preises 2013 ist häufig in ihrer Geburtsstadt Kiew, zuletzt war sie dort Anfang des Monats - zu Weihnachten und Jahreswechsel. Beides findet in der Ukraine Anfang und Mitte Januar statt. Sie hat aus Kiew ihre "Originaltöne" mitgebracht, in denen sie ein Bild der Stadt zeichnet, das über die üblichen Bilder in den Nachrichten hinausgeht.

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