Kickers Emden und Wilhelmshavener HV

Die Sport-Diaspora im Nordwesten

Lang ist's her: Enrico Neitzel von Kickers Emden trifft beim Auswärtsspiel in der Dritten Liga gegen Dynamo Dresden, Archivbild vom 13.08.2008
Lang ist's her: Enrico Neitzel von Kickers Emden trifft beim Auswärtsspiel gegen Dynamo Dresden (13.08.2008). © dpa / Thomas Eisenhuth
Von Heinz Schindler · 04.10.2015
Der Nordwesten Deutschlands ist nicht gerade dicht besiedelt - entsprechend schwer ist es für die Vereine, Sponsoren und damit auch hochklassige Spielerinnen und Spieler zu gewinnen. Unterhalb der Deiche müssen viele Clubs mit wenig Geld auskommen.
Die Stahlrohrtribüne ist längst verschwunden und die alte Sprecherkabine steht am Rande des weitläufigen Stadiongeländes. Nach überstandener Insolvenz heißt der Alltag bei Kickers Emden nun wieder Landesliga. Bersenbrück und Bad Rothenfelde. Am Ende von vier Jahren in der Drittklassigkeit stand der Verein blank da, erinnert sich der Vorsitzende Günther Kunz:
"Wenn Sie durch so eine gescheiterte Exkursion wie unsere Drittligazeit einen Schuldenberg angehäuft haben, ist es schlichtweg nicht möglich, Sponsoren zu gewinnen, weil man kann nicht zu einem Wirtschaftsunternehmen gehen und sagen: wir brauchen Hilfe dabei, unsere Schulden zu bezahlen. Insofern war der Schuldenschnitt durch die Insolvenz richtig. Wir haben hinterher wieder Vertrauen bei den Sponsoren gewonnen und es geht aufwärts, wenn auch in kleinen Schritten. Landesliga ist eben nicht dritte Liga."
Schuldenberg durch drittliga-taugliches Stadion
Zum Lizenzverlust für Liga drei trug seinerzeit auch der gescheiterte Stadionneubau bei. 15.000 Zuschauer Fassungsvermögen schrieb der DFB vor, trotz nur 5.000 Zuschauern im Schnitt und der geographischen Randlage Emdens.
"Uns ist also vorgehalten worden, dass beispielsweise Burghausen in der Randlage zur österreichischen Grenze 'nen ähnliches Anliegen hatte. Denen hat man das auch abgeschlagen. Ich habe damals einen Zirkel genommen, in die Landkarte einen Fünfzig- Kilometer- Umkreis um unser Stadion geschlagen und wenn man sich das anguckt, sind davon drei Viertel Wasser und Holland. Und daher kommen schlichtweg keine Zuschauer. Das wurde alles über einen Kamm geschoren, da gibt es kein Entgegenkommen."
Rau, herzlich, bodenständig – dieses Auftreten der selbsternannten Deichkicker fand deutschlandweit Sympathien. Doch in der dünn besiedelten Region war stets nur ein Mini- Etat möglich. Obwohl Emden VW-Standort ist und man sich insgeheim mehr von Volkswagen erhofft hatte als die kolportierten 400.000 Euro pro Jahr.
"Ich muss gestehen, es ist uns nicht gelungen, die Kontakte zu den Entscheidungsträgern in Wolfsburg wirklich so intensiv zu gestalten, dass wir da auf freundschaftliche Hilfe hätten rechnen können. - Auf der anderen Seite muss ich sagen, Volkswagen hilft uns auch heute noch. Obwohl es für 'nen Landesligisten eigentlich in den Volkswagen- Richtlinien gar keine Benchmark gibt."
Handballer aus Wilhelmshaven sind zurück in der Zweiten Liga
Etwa sechzig Kilometer östlich von Emden, beim Wilhelmshavener Handball-Verein, geht es gerade wieder einen Schritt vorwärts. Der WHV ist in die zweite Liga zurückgekehrt, auf die man 2011 wirtschaftlich vernünftig noch verzichtet hatte. Neben dem Hauptsponsor Nordfrost setzt Manager Dieter Koopmann auf zweihundert Sponsoren aus der Region.
"Die ostfriesische Halbinsel, hier wird fleißig gearbeitet. Ob es im Wittmunder Bereich ist, Wangerland oder auch in Richtung Oldenburg, Ammerland oder die Vareler oder Friesländer Gegend. Da gibt es schon sehr, sehr interessante Unternehmungen, fleißige Leute, sehr, sehr gute Unternehmer, mit denen man schon mal einen Termin abmachen kann. Und wenn man ein gutes Konzept hat – das haben wir, das ist meine Meinung – Ausbildung plus Handball, dann sind wir da auf 'nem guten Weg."
Sechs Jahre hielten Koopmann und der damalige Trainer Michael Biegler den WHV mit kleinem Etat in der Bundesliga. Ähnlich familiär wie heute. Manche Spieler von einst lassen hier nun ihre Karriere ausklingen, obwohl das Voll-Profitum längst Geschichte ist.
"Hier morgens um elf Uhr als Profi das Ei aufzuschlagen, bringt dem Spieler grundsätzlich nichts. Der Spieler muss sich grundsätzlich auch darüber im Klaren sein, dass er auch für die Zukunft etwas machen muss. Er muss nach Möglichkeit vor Ablauf des 30. Lebensjahres die qualifizierte Ausbildung haben, damit er auch dann nahtlos übergleiten kann in einen jeweiligen Beruf. Alles andere, so nach dem Motto: Profi, hier ist Dein Bankkonto, hier ist Dein Fahrzeug, hier ist die Sporthalle, ist für mich aufgrund meines Alters auch nicht meine Welt."
Mit klaren Worten hat Dieter Koopmann mit dem WHV manchen Sturm überstanden. Jetzt, im ruhigen Fahrwasser, darf gern wieder Rückenwind aufkommen.

Hören Sie zum Thema Sport im Nordwesten auch unser Gespräch mit Sportsoziologe Bero Rigauer.

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