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Digitalisierung im Arbeitsleben
Mit KI den persönlichen Wirkungsgrad erhöhen

Künstliche Intelligenz sei wie ein moderner Hammer: "Wir brauchen Leute, die das bedienen", sagte Kai Anderson im Dlf. Der Spezialist für Veränderungsprozesse in Unternehmen mahnt, sich auf das Werkzeug einzulassen, um für den Arbeitsmarkt weiter attraktiv zu bleiben.

Kai Anderson im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 03.04.2019
A humanoid robot. The seventh edition of Futurapolis, organized by Le Point magazine, was inaugurated in Toulouse (France) on November 16, 2018. For 2 days, the event, which is aimed at both the general public and businesses, is an opportunity to an inventory of technological advances, and to imagine the transformations of tomorrow. Photo by Patrick BATARD / ABACAPRESS.com |
Mit künstlichen Intelligenzen zusammenzuarbeiten wird der Normalzustand sein, sagt Digitalisierungsexperte Kai Anderson. (abaca)
Jessica Sturmberg: Wir wollen diese Fragen zur Zukunft der Arbeit an der Stelle vertiefen mit einem Unternehmensberater, der sich darauf spezialisiert hat, Digitalisierung und damit Veränderungsprozesse in Unternehmen zu begleiten. Kai Anderson hat zu diesem Zweck das Unternehmen Promerit gegründet und er hat heute auch auf der Hannover Messe mitdiskutiert. Was viele Menschen bewegt, ist die Frage, ist man Getriebener oder Handelnder in diesem Prozess? Ich habe vor der Sendung mit Kai Anderson darüber gesprochen und ihn gefragt: Sie sagen der Mensch muss im Mittelpunkt der Digitalisierung stehen. Was heißt das für Sie genau?
Kai Anderson: Vielleicht fangen wir genau da an, nämlich bei den Ängsten, die das Ganze mit sich bringt. Die Ängste müssen wir ernst nehmen. Die Ängste sind erst mal real. Und das, was Angst macht, ist einerseits Unsicherheit, nämlich was passiert mit mir in Zukunft, andererseits die Geschwindigkeit, mit der sich alles gerade verändert, und die ist tatsächlich einmalig, wenn wir uns anschauen, wie sich bisher die Dinge verändert haben. Sie kennen den Spruch, die Veränderung war noch nie so schnell wie heute und sie wird nie wieder so langsam sein wie heute, und das ist das, was bei vielen Menschen wirklich Angst macht.
Mitgestalten oder getrieben werden
Sturmberg: Welches Rezept halten Sie dann bereit für die Unternehmen? Ist das eine Frage von Kommunikation, oder ist das auch mehr?
Anderson: Das ist erst mal, ich sage mal, wir haben da drei Ebenen. Das ist mal eine sehr persönliche Ebene, auf der da etwas passieren muss. Wir haben natürlich in den Unternehmen – und das ist der Schwerpunkt unserer Tätigkeit – viel zu tun und wir haben gesellschaftlich einiges zu tun. Es nützt uns ja nichts, wenn wir die Augen zumachen und sagen, ich will das alles nicht. Die Frau Kugel hat es heute ganz gut gesagt: Die Leute kommen zu ihr und sagen, jetzt haben wir hier eine große Veränderung gemacht und wann hört das denn mal auf. Das erste, was man mit den Leuten wirklich im Dialog erarbeiten muss, ist die Feststellung, das hört nicht mehr auf, und da setzen wir ganz stark auf Dialog, dass wir sagen, habt ihr hinreichend genug darüber geredet, dass es grundsätzlich mal keine Alternative zur Veränderung gibt und sich nur die Frage stellt, wollen wir sie selber mitgestalten, oder lassen wir sie geschehen und lassen wir uns da irgendwo drin treiben.
"Mit KI zusammenzuarbeiten wird der Normalzustand sein"
Sturmberg: Das klingt immer alles sehr abstrakt: Veränderungen mitmachen und offen sein. Müssen wir alle IT-Spezialisten werden, oder welche Qualifikationen sind gefragt? Wie kann ich mich davor schützen, dass ich mit meiner Qualifikation nicht mehr gefragt bin? Das sind ja alles die Fragen, die die Menschen sehr konkret umtreiben.
Anderson: Nein, wir müssen nicht alle IT-Spezialisten werden. Aber wir müssen verstehen, dass es nicht die IT gibt versus, ich sage jetzt mal, den Fachbereich, den Einkauf, den HR-Bereich, die Produktion.
Sturmberg: Vielleicht sollten wir HR-Bereich kurz erklären. Damit ist "Human Ressources" gemeint.
Anderson: "Human Ressources", der Personalbereich, die Funktionen im Unternehmen, und wir neigen dazu, da sind wir im Silo-Denken, zu sagen, Digitalisierung ist IT, das hat ja nichts mit mir zu tun, ich bin ja im Einkauf, ich bin ja in der Personalabteilung, ich bin ja in der Produktion, ich bin ja in der Entwicklung. Das ist etwas, was wir über Jahrzehnte hinweg kultiviert haben: Das ist IT, das hat mit mir nichts zu tun. Wir werden uns daran gewöhnen, dass wir mit Menschen ganz anders zusammenarbeiten, aber auch mit Technologien, mit künstlichen Intelligenzen zusammenarbeiten werden, und das wird der Normalzustand sein. Das fängt ja im unmittelbaren Arbeitsumfeld an und die Frage ist, bin ich denn in der Lage, mit den mir zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln vernünftig umzugehen.
"Meinen Wirkungsgrad persönlich erhöhen"
Sturmberg: Wird Ihrer Ansicht nach die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz nüchterner, kühler, effizienter?
Anderson: Nüchterner nein, effizienter ja, ganz sicher. Chris Buce hat gesagt, jeder Prozess wird irgendwann von einer Künstlichen Intelligenz gesteuert werden. Das kann die besser als wir. – Das ist ganz stark das Effizienzthema. Darum muss ich mich nicht mehr kümmern. Am Ende des Tages ist Künstliche Intelligenz ein Werkzeug, was von Menschen bedient werden wird. Wir können uns das wie einen modernen Hammer vorstellen. Wenn ich das nicht richtig einsetze, dann wird das auch nicht die Ergebnisse bringen, die ich brauche, und wir brauchen die Leute, die das bedienen. Je eher ich mich darauf einlasse und sage, ich verstehe, wie ich meinen Wirkungsgrad persönlich erhöhen kann, desto eher bin ich auch in meiner persönlichen Entwicklung weiter und mache mich auch für den Arbeitsmarkt und das Arbeitsleben natürlich weiter attraktiv.
Vernünftige Informationen von unvernünftigen unterscheiden
Sturmberg: Die Digitalisierung bringt ja auch einen Aspekt mit sich, der der einen Gruppe egal ist, aber andere auch eher verunsichert, und zwar das Thema vollkommene Transparenz, aber jetzt nicht unbedingt für den Mitarbeiter. Der wird zwar transparent; er selbst bekommt zwar sehr, sehr viele Informationen, kann diese aber kaum noch für sich sortieren. Was bedeutet diese doch eher, ich würde sagen, asymmetrische Transparenz?
Anderson: Ich weiß gar nicht, ob wir wirklich asymmetrische Transparenz haben. Aber ich bin komplett dabei, dass wir natürlich jetzt schon einen massiven Overflow an Informationen haben und dass der Umgang mit Informationen natürlich essenziell ist. Das fängt aber im Privaten an. Dieses ganze Thema, wir reden von Fake News und Ähnlichem: Bin ich denn in der Lage, vernünftige Informationen von unvernünftigen Informationen zu unterscheiden. Da sind wir dann ganz schnell im Gesellschaftlichen, da sind wir in der Bildung. - Die Asymmetrie, die entsteht ja erst, wenn wir es nicht schaffen, der Information Herr zu werden, weil eine Informationshoheit gibt es heute eigentlich nicht mehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.