"Keine Energiewende am Ende für den Verbraucher noch viel teurer"

Heiko von Tschischwitz im Gespräch mit Ute Welty · 07.06.2012
Die Industrie zahle für ihren Strom viel weniger als noch vor vier Jahren, der normale Endverbraucher allerdings deutlich mehr, kritisiert Heiko von Tschischwitz, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Hamburger Energieversorgers LichtBlick AG. Er regt ein Preissystem an, das Kunden für gezieltes Stromsparen finanziell belohne.
Ute Welty: Die Netze schneller ausbauen und die Kosten besser im Griff halten – die Bundesregierung scheint es jetzt ein Jahr nach der Energiewende wirklich ernst zu meinen, aber wirklich ganz ernst.

Peter Altmaier: Diese Energiewende, die wir machen, wird beobachtet, argwöhnisch beobachtet, mit Interesse beobachtet. Und es ist so, dass alle diese Leute uns zutrauen, dass wir die Energiewende schaffen, sie gehen davon aus. Sie sagen, wenn es ein Land auf der Welt schafft, dann ist es Deutschland.

Angela Merkel: Die Energiewende ist ein zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode. Es sind die Grundlagen dafür gelegt worden, aber wir haben noch ein Stück Arbeit vor uns.

Philipp Rösler: Wenn Sie den Strompreis für die großen Konzerne senken, für die unteren Einkommen auch, wissen Sie, wer dann übrig bleibt? Die ganz normalen Menschen, die Unternehmen, die Mittelständler, die bleiben übrig. Das heißt, die Mitte hat am Ende den Preis zu bezahlen für die Subventionen im oberen Bereich und die Subventionen im unteren Bereich.

Welty: Soweit Umweltminister, Kanzlerin und Wirtschaftsminister. Und wenn es um die Strompreise geht, da wird einer ganz besonders hellhörig, nämlich Heiko von Tschischwitz, Vorstandsvorsitzender und Gründer der LichtBlick AG, und damit inzwischen Marktführer in Sachen Ökostrom. Guten Morgen nach Hamburg!

Heiko von Tschischwitz: Guten Morgen!

Welty: Wirtschaftsminister Rösler will bezahlbare Preise für alle, Umweltminister Altmaier denkt über Stromstaatshilfe für Geringverdiener nach – welches Projekt halten Sie für das sinnvollere?

von Tschischwitz: Ich glaube, dass es richtig ist, dass man darüber nachdenken muss, wie man eigentlich gegebenenfalls weiter steigende Strompreise für Verbraucher, insbesondere für die nicht so zahlungskräftigen Verbraucher dämpfen kann oder sogar reduzieren kann. Ich glaube aber nicht, dass es richtig ist, dass man mit neuen Subventionen, mit neuen Umlageverfahren das erledigt, sondern man sollte viel mehr darauf achten, dass sämtliche Verbraucher, also nicht nur die Endverbraucher, sondern insbesondere auch die Industrie und das Gewerbe, die Kosten der Energiewende mittragen müssen.

Das ist ja im Moment nicht der Fall, sondern die Industrie ist ja sehr weitgehend befreit von der EEG-Umlage, also von den Kosten der Energiewende, und partizipiert aber unwahrscheinlich, weil die Einspeisung von Wind und Sonne in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Nachfrage nach konventionellen Kraftwerken stark runtergegangen ist, und dadurch haben die Preise an der Strombörse stark nachgelassen. Das heißt, die Industrie zahlt viel weniger für Ihren Strom als noch vor vier Jahren, der Endverbraucher zahlt viel mehr, und ich würde der Politik raten, an der Stelle noch mal nachzudenken, ob die Verteilung, die im Moment stattfindet, eigentlich die richtige ist.

Welty: Aber ist es nicht auch an der Zeit, Ökostrom nicht länger als die förderwürdige Ausnahme zu betrachten, sondern als etwas ganz Normales, was eben auch seinen Preis hat?

von Tschischwitz: Ja, unbedingt, und mit dem Preis ist das ja auch so eine Sache. Mich stört das immer so, dass so viel über die Kosten der Energiewende gesprochen wird. Entscheidend ist ja, dass die Energiewende zwar teuer ist, aber dass keine Energiewende noch viel teurer ist. Wir können ja nicht gar nichts tun, sondern wir müssen uns ja für die Zukunft positionieren, und ich glaube – ich bin davon überzeugt! –, dass Deutschland da ganz weit vorne dabei ist. Wir werden die Energiewende international als Erster durchsetzen und werden dadurch mittelfristig ja unabhängig von Rohstoffen, Rohstoffe werden immer teurer, sodass das, was wir im Moment machen, in Zukunft für uns ein riesiger Wettbewerbsvorteil sein wird.

Welty: Tatsache ist ja, dass bisher alle für die Förderung von Ökostrom bezahlen, auch die, die zum Beispiel Kohlestrom völlig okay finden. Ist das gerecht, dass jemand für etwas bezahlt, dass er gar nicht will?

von Tschischwitz: Das glaube ich schon, dass das gerecht ist, und ich glaube auch nicht, dass die Leute, die Kohlestrom beziehen, die Energiewende gar nicht wollen, sondern die Energiewende ist ja nichts anderes als eine Transformation der Energiewirtschaft in die Zukunft hinein, ja? Insofern ist das ein volkswirtschaftliches Projekt, das volkswirtschaftlich sinnvoll ist, und da finde ich es auch richtig, dass jeder daran partizipieren kann und jeder auch die Kosten dann entsprechend anteilig mitträgt.

Welty: Auf der anderen Seite sehen wir Menschen, die ihren Strom nicht mehr bezahlen können, mit der Folge, dass 200.000 im Dunkeln saßen oder sitzen, weil ihnen der Strom abgedreht worden ist. Auch Ihnen als Vorstandsvorsitzender kann es ja nicht recht sein, wenn die Kunden ihre Rechnung nicht bezahlen.

von Tschischwitz: Nein, das stimmt, aber ich glaube wie gesagt, dass keine Energiewende am Ende für den Verbraucher noch viel teurer wird, insofern bin ich der Überzeugung, dass wir den richtigen Weg gehen, und dass wir natürlich eine Lösung finden müssen, wie Haushalte, die ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, das trotzdem hinbekommen. Man muss da, glaube ich, über ...

Welty: Und das heißt Steuergeld?

von Tschischwitz: Nein, das glaube ich nicht, dass das Steuergeld heißt, sondern Entlastung der Haushalte durch eine Beteiligung der Industrie und, sicherlich auch sinnvoll für Haushalte, vielleicht sogar exklusiv für sozial und finanziell schwache Haushalte, dass man versucht, Energiesparen zu belohnen. Man kann ja ganz viel Stromkosten sparen, indem man zu einem günstigeren Anbieter wechselt, indem man wirklich pro Kilowattstunde weniger bezahlt, man kann aber viel effizienter seine Stromrechnung reduzieren, indem man weniger Strom verbraucht.

Welty: Haben Sie eine Vorstellung davon, um wie viel Ihre Preise steigen würden, wenn sich Philipp Rösler, der Wirtschaftsminister durchsetzt, und die Förderung von Ökostrom weiter eindampft?

von Tschischwitz: Nein, da habe ich heute noch keine Vorstellung von, weil der Strompreis sich ja aus vielen verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Wir haben wieder ein Gerichtsurteil gesehen, nach dem die Netzentgelte jetzt offenbar wieder steigen sollen, die EEG-Umlage wird ja völlig unabhängig davon, was Herr Rösler gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen festlegen wird, sich zum Jahreswechsel 2012/2013 verändern.

Das sind aber alles Kostenkomponenten, die wir für unsere Kalkulation brauchen, die erst Ende des Jahres, Mitte Oktober, Anfang November veröffentlicht werden, und wir haben da auch heute noch keinen Überblick, in welche Richtung sich das entwickelt. Deshalb ist das heute noch ganz schwer zu sagen.

Welty: Es gibt ja kaum jemanden, der mit dem Verlauf der Energiewende bis hierher so richtig zufrieden ist. Sagen Sie uns doch mal was Nettes zum Schluss: Was, finden Sie, hat richtig gut geklappt?

von Tschischwitz: Es ist ein Riesenprojekt, und da gibt es viele Interessen, und deshalb ist es insgesamt natürlich auch wirklich, wirklich politisch und auch für die Unternehmen anspruchsvoll. Ich würde das aber gar nicht so sehen, wie Sie das sagen, es hat nicht gut geklappt. Wir sind in Deutschland, wenn Sie das mit dem Ausland vergleichen, sind wir absolut führend. Es gibt kein Land, was so viel Wind und Sonne einspeist und so weit ist, auch was dezentrale Strukturen anbetrifft, was Vernetzung – Stichwort virtuelle Kraftwerke – anbetrifft, wie kann ich eigentlich in Zukunft aktiv meine Energie steuern, da sagen alle Wissenschaftler, kein Land ist so weit wie Deutschland.

Wir sind die Spielwiese, in der die ganzen Geschäftsmodelle ausprobiert werden, und wir werden das alles mit Leben füllen. Und das ist ein Riesenvorteil für Deutschland, und ich glaube, dass wir insofern auch mit dem EEG, auch wenn es jetzt zunächst mal so wirkt, als wäre es sehr teuer, als würde es uns sehr viel kosten, erreichen wir einen riesigen Wettbewerbsvorteil und haben jedenfalls viel mehr geschafft als jedes andere Land auf der Welt, und das ist, finde ich, gar nicht so schlecht.

Welty: Dann doch mal eine positive Bilanz von Heiko von Tschischwitz, Vorstandsvorsitzender der LichtBlick AG. Ich danke!

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