Kein Deutscher auf dem finnischen Thron

Von Marcel Roth · 20.12.2008
Im großen Buch der Weltgeschichte gehen die kleinen Ereignisse oft unter. Das finnische Königsabenteuer am Ende des Ersten Weltkrieges zum Beispiel, als die Finnen einen Deutschen zu ihrem König machen wollten. Vor 90 Jahren hat Prinz Friedrich Karl von Hessen die ihm angebotene Königskrone offiziell abgelehnt.
"Finnlands Parlament gibt kund: Da Finnland ein selbständiges Reich geworden und das Parlament verpflichtet ist, ein Königsgeschlecht auszuerwählen, hat also der Landtag Seine Hoheit Prinz Friedrich Karl von Hessen dazu ausersehen, als Finnlands König das Königreich Finnland entsprechend dessen Verfassung und Gesetzen zu regieren."

Am 4. November 1918 hält Prinz Friedrich Karl von Hessen diese Urkunde in seinen Händen. Die Überraschung war für ihn bereits sieben Wochen alt: Da hatte Friedrich Karl erfahren, dass er Königskandidat war. Das finnische Parlament, selbst zerstritten und kaum repräsentativ, hatte den hessischen Prinzen und Schwager des deutschen Kaisers mit 64 zu 44 Stimmen gewählt. Die Finnen wollten einen Deutschen auf ihrem Thron, weil das Land kaum Adlige hatte. Aber noch zwei andere Gründe sprachen dafür, sagt Vesa Vares, Historiker an der Universität Turku:

"Das hängt mit der Stimmung nach dem Bürgerkrieg 1918 zusammen, in der die Siegerpartei dachte, dass ein deutscher König eigentlich die einzige Möglichkeit war, zwei sehr wichtige Ziele für Finnland zu erreichen: erstens Finnland vor Russland zu schützen und zweitens, um die Gemeinschaft zu beruhigen."

Ein Deutscher auf dem finnischen Thron: Das erschien auch dem deutschen Kaiser und seiner Regierung verlockend. Es hätte Deutschland eine Vormachtstellung in der Region gesichert. Schließlich hatte sich Finnland 1917 von Russland für unabhängig erklärt. Im folgenden Bürgerkrieg um die Vorherrschaft im Land hatten 12.000 deutsche Soldaten die Finnen unterstützt, die gegen die Sozialisten kämpften. Und für diese monarchistisch gesinnten Finnen war Friedrich Karl perfekt.

"Wenn er nach Finnland gekommen wäre, dann wäre er sicher kein Diktator geworden, sondern hätte sich vermutlich so verhalten, wie die skandinavischen Könige."

Auch wenn sich nicht alle Finnen einig waren, trieb die Begeisterung der Regierung für Friedrich Karl kuriose Blüten: Nach dem Thronangebot stellte sie ihm drei Hauslehrer zur Verfügung, die ihn in Politik, Sprache und Kultur Finnlands unterrichteten. In Helsinki wurden Postkarten mit dem Foto von Friedrich Karl und seiner Frau Margarethe verkauft, Hofknickse geübt und Komitees gegründet, um das Königspaar gebührend zu empfangen und das Schlafgemach der Königin standesgemäß einzurichten. Selbst Livreen, Uniformen und eine Krone wurden entworfen. Im Gespräch soll auch ein finnischer Name für Friedrich Karl gewesen sein, sagt Historiker Vares.

"Man sagt, dass aus ihm ein Väinö hätte werden sollen, aber ich habe kein einziges Dokument dazu gefunden, dass so ein Entschluss gefasst worden wäre. Väinö ist ein traditioneller finnischer Vorname. Deshalb hätte so ein Königsname eine kulturelle Grundlage gehabt. Aber das Ganze scheint mir ein Mythos zu sein. Denn allgemein haben die Finnen immer auf ihn als 'Frederik Kaarl' hingewiesen, also seinen Namen ins Finnische oder Schwedische übersetzt."

In den unübersichtlichen Novemberwochen 1918 vollzog die finnische Regierung dann eine Rolle rückwärts und riet Friedrich Karl, die Krone bis auf weiteres nicht anzunehmen. Am Ende entschied die Weltpolitik den finnischen Königswunsch: Deutschland schloss einen Waffenstillstand mit seinen Kriegsgegnern und der deutsche Kaiser musste in die Niederlande fliehen, weil die Revolution ausgebrochen war. Kein gutes Zeichen für einen deutschen Königsimport. Abgelehnt hat Friedrich Karl das Thronangebot erst am 20. Dezember, als Frankreich und England einen Deutschen auf dem finnischen Thron offiziell ablehnten. Friedrich Karls Absage klang präsidial, fast pathetisch.

"Euere Exzellenz, Die Veränderung der allgemeinen politischen Lage wirkt notwendig auch auf Finnland zurück, dessen Volk entschlossen war, mir die Sorge für sein Wohl anzuvertrauen. Dafür treten andere Hindernisse unüberwindlich zwischen Finnlands Pflicht gegen sich selbst und seine Verpflichtungen gegen mich. Dies erkennend zögere ich keinen Augenblick, es von Letzterem zu entbinden. Ich schicke dem Land der ernsten Augen und der Meinigen Gruß und Dank aus treuem Herzen für manch freundliche Bekundung. Möge sein liebes Volk glücklich werden."

Auch wenn Friedrich Karl oft zu Gute gehalten wurde, dass die einzige Entscheidung, die er je für Finnland getroffen hat, ganz im Interesse des skandinavischen Landes war - er war nie offiziell König und seine Absage war mit den finnischen Monarchisten abgesprochen. Friedrich Karl war nie in Finnland. Heute ist eine erst später gefertigte Krone im Museum in Kemi ausgestellt, im für seine Familie vorgesehenen Wohnhaus lebt der italienische Botschafter und im alten Zarenpalast, in dem Friedrich Karl residiert hätte, arbeitet Finnlands Präsidentin.