Katja Lembke: Mehr Kooperation mit ägyptischen Museen

10.02.2010
Die Direktorin des Hildesheimer Pelizaeus-Museums, Katja Lembke, hat sich in der Debatte um altägyptische Kunstschätze für eine stärkere Kooperation mit ägyptischen Museen ausgesprochen. Ihr Museum werde sein Glanzstück, die Statue des Hem-iunu, demnächst an das Ägyptische Museum Kairo ausleihen.
Frank Meyer: Ein neuer Streit um Nofretete ist im vergangenen Dezember ausgebrochen. Der Chef der ägyptischen Antikenverwaltung hat die berühmte Porträtbüste zurückgefordert, die deutsche Seite hat das prompt abgelehnt und genauso eine Ausleihe der Nofretete nach Ägypten. Die Nofretete steht im Ägyptischen Museum in Berlin, eine andere ganz bedeutende altägyptische Sammlung, die drittgrößte in Europa, die gibt es im Hildesheimer Pelizaeus-Museum. Dieses Museum plant nun eine Ausstellung, bei der es erstmals eine Partnerschaft mit dem Ägyptischen Museum Kairo eingehen will.

Und das Hildesheimer Museum will sein bedeutendstes Objekt, die Statue des Hemiunu durchaus nach Ägypten ausleihen. Katja Lembke, die Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim, ist jetzt für uns am Telefon. Frau Lembke, wenn es um eine Leihgabe der Nofretete nach Ägypten geht, dann wird da immer die Befürchtung geäußert, die Nofretete könnte nicht mehr nach Deutschland zurückkommen, wenn sie einmal in Ägypten ist. Sind Sie denn sicher, dass Sie Ihre Statue des Hemiunu aus Kairo zurück bekommen?

Katja Lembke: Ja, ich bin natürlich sicher, denn ansonsten hätten wir uns gar nicht entschlossen, eine solche Partnerschaft hier mit Kairo einzugehen. Die Sache ist ja so, dass wir eine große Ausstellung planen im nächsten Jahr, und zu dieser Ausstellung uns 16 Objekte aus Kairo zur Verfügung gestellt werden, und nach Abschluss der Ausstellung wird dann ein Teil nach Kairo gehen. Und auf diese Weise geht es also auch nicht um eine einzelne Statue, die Ägypten zur Verfügung gestellt wird für einen bestimmten Zeitraum, sondern es geht um eine Idee, um ein Gesamtkonzept.

Meyer: Und was sagt die ägyptische Seite zu diesem gemeinsamen Projekt?

Lembke: Die ägyptische Seite ist sehr, sehr unterstützend und förderlich. Ich habe von Wafaa El Saddik einen Letter of Intent bekommen, in dem sie sich schon bereiterklärt hat, die 16 Objekte nach Deutschland zu leihen.

Meyer: Das war die Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo?

Lembke: Das ist die Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo, mit der wir hervorragend zusammenarbeiten, und sie ist sehr an diesem Austausch interessiert und möchte gerade auch die Partnerschaft mit Deutschland pflegen. Und das freut uns nun ganz besonders, dass wir jetzt hier diesen Anfang setzen können.

Meyer: In Sachen Nofretete gab es ja eben immer wieder die Rückgabeforderung. Gab es in Bezug auf die Schätze, die Sie haben, gab es da nie Rückgabeforderungen?

Lembke: Nun, es ist natürlich eine andere Situation. Was die Nofretete angeht, da geht es immer um die Frage, war diese Fundteilung nun regelwidrig oder nicht. Diese Frage besteht bei unseren Objekten eindeutig nicht. Das ist eine ganz klare Fundteilung gewesen, die auch rechtlich, glaube ich, nicht zu hinterfragen ist. Allerdings ist es so, dass der Hemiunu schon immer im Fokus von Sahi Hawass gewesen ist, denn Hemiunu, das ist nicht irgendeine Statue irgendeiner Person, sondern es handelt sich hierbei um den Wesir des Cheops und denjenigen, der den Bau der Pyramide, also eines der sieben Weltwunder, selbst in die Wege geleitet und beaufsichtigt hat, also so was wie der wichtigste Mann nach dem Pharao im Staat. Außerdem ist diese Statue ungewöhnlich gut erhalten und zeigt einen Mann in den besten Jahren, und sie gilt als eine der bedeutendsten Privatbildnisse aus dem alten Reich, aus der Zeit der Pyramiden, und ist auch übrigens die einzige, die in Lebensgröße erhalten ist.

Meyer: Und der Mann ist genauso schön wie Nofretete? Das vielleicht nicht, oder?

Lembke: Na ja, das ist natürlich Geschmackssache. Also wenn man die damaligen Voraussetzungen ins Auge nimmt, dann würde ich sagen, dann ist er auf jeden Fall mindestens so schön wie Nofretete. Für unser heutiges Verständnis ist er ein wenig zu beleibt, aber man mag ja auch Rundungen.

Meyer: Die rechtliche Seite ist ja die eine Seite dieser Frage, kann man Kunstwerke ausleihen, es gibt noch andere, und darüber haben wir hier im Deutschlandradio Kultur mit Friederike Seyfried gesprochen, der neuen Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin, über eine mögliche Leihgabe der Nofretete. Und sie hat dazu gesagt:

Friederike Seyfried: Ich habe nie befürwortet, dass sie ausreist, und ich habe immer gesagt, eine Ausleihe muss immer an den konservatorischen Erfordernissen eines Objektes, davon hängt es ab. Das Objekt ist so fragil, das braucht wirklich jedweden Schutz, und insofern kann man auch über diesen Punkt erst mal noch gar nicht diskutieren.

Meyer: Also Nofretete, haben wir gerade gehört, ist zu zerbrechlich zum Ausleihen, die Statue des Hemiunu nicht?

Lembke: Nun, wie ich schon sagte, der Mann ist in seinen besten Jahren dargestellt und ist auch recht voluminös und angesichts eben dieser Situation kann ich kaum behaupten, dass der Mann zu zerbrechlich ist. Also die Statue des Hemiunu ist auch bereits vor einigen Jahren in Amerika in mehreren Stationen zu sehen gewesen, und wir haben ebenfalls mit unserem Kooperationspartner, dem Kunsthistorischen Museum Wien, verabredet, dass nach Ende der Ausstellung hier in Hildesheim der Hemiunu auch nach Wien gehen wird. Also wir sind prinzipiell nicht nur bereit, die Statue auszuleihen, sondern wir sehen konservatorisch hier auch keine Probleme.

Meyer: Sie haben einmal gesagt, Frau Lembke, in einem anderen Interview, Sie würden diese ganze Debatte, die ja zum Teil schon 90 Jahre anhält, die Debatte um altägyptische Leihgaben, Sie würden sie entnofretetesieren wollen. Was soll das heißen?

Lembke: Nun ja, also gerade die Frage, ist nun Nofretete transportfähig oder nicht, dann auch das Problem der damaligen Fundteilung ist einfach ein ganz besonderes, das sich immer nur um diesen einen Kopf dreht. Und im Endeffekt glaube ich, ist es aber viel wichtiger, dass wir uns der Situation bewusst werden, dass wir heute im postkolonialen Zeitalter leben und aus diesem Grunde hier nicht mehr nur in die Wege leiten sollten, einen Kopf oder ein Objekt nach Kairo zu schicken oder nicht zu schicken, sondern uns die Frage stellen müssen, wie gehen wir prinzipiell mit diesen Herkunftsländern um. Das ist das, was ich mit dem Entnofretetesieren meine. Also die Frage, dass wir eine Partnerschaft wollen oder aber welchen anderen Umgang wir jetzt hier den Ägyptern vorschlagen können, einen Umgang auf jeden Fall, der auf Augenhöhe stattfinden muss.

Meyer: Also das Pelizaeus-Museum in Hildesheim wird seine Nofretete, seine Statue des Hemiunu nach Kairo ausleihen. Darüber haben wir gesprochen mit Katja Lembke, der Direktorin des Museums. Vielen Dank für das Gespräch!

Lembke: Danke Ihnen!

Meyer: Und in Kairo ist nun Esther Saoub für Deutschlandradio Kultur im Studio. Frau Saoub, wir haben gerade von Katja Lembke erfahren, also sie vertraut der ägyptischen Seite, dass die Statue des Hemiunu und die anderen Leihgaben dann auch wieder nach Hildesheim zurückkehren, und sie sagt, es sei Zeit für eine neue, eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der ägyptischen Seite. Was sagen Sie als Kennerin der Szene in Kairo selbst? Ist dieses Vertrauen gerechtfertigt?

Esther Saoub: Absolut, da bin ich absolut der Meinung von Katja Lembke. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ägypter ein Ausstellungsstück hierbehalten würden, das sie nur ausgeliehen haben. Sahi Hawass, der Chef der Antikenverwaltung, dessen Name ja auch schon gefallen ist, hat dazu gesagt: Wir sind keine karibischen Piraten, wenn wir Verträge unterschreiben, halten wir die auch. Und ich denke, das kann man ernst nehmen.

Meyer: Wie ist das aber wieder, bei uns wird das ja immer so dargestellt, es gibt eben diese Rückgabeforderung, von Sahi Hawass insbesondere, dem obersten Antikenverwalter, der erst im Dezember wieder die Rückkehr der Nofretete-Büste gefordert haben soll, auf der anderen Seite unterstützt aber der ägyptische Staat diese Forderung gar nicht – das ist eine etwas verwirrende Gemengelage. Wie ist die denn zu verstehen?

Saoub: Also um jetzt noch, bevor wir entnofretetesieren noch mal ein bisschen zu differenzieren vielleicht: Die Sache der Nofretete ist wirklich sehr speziell. Weil die Fundteilung damals – es gibt viele Dokumente, die drauf hinweisen, dass bei der Fundteilung damals wirklich nicht alles ganz sauber abgelaufen ist, dass Ludwig Borchardt, der Entdecker der Nofretete, vielleicht wirklich dafür gesorgt hat, dass der damalige Antikeninspekteur, der ja ein Franzose war, die Nofretete nicht so deutlich in ihrer Schönheit hat erkennen können – so weit folge ich da den Dokumenten. Das heißt für mich trotzdem nicht, dass Ägypten ein Recht hätte, sie wiederzubekommen. Aber man muss trotzdem auch unterscheiden, also die Forderung von Sahi Hawass war bislang immer: Wir wollen die Nofretete ausleihen, und zwar zur Eröffnung des großen, neuen Ägyptischen Museums.

Im Moment ist da von 2013 die Rede, es wird sich wahrscheinlich noch ein bisschen verzögern, wie ich das sehe. Und das Zweite war dann, als immer wieder Dokumente auftauchten, die die Fundteilung infrage gestellt haben, dann hat er gesagt: Wenn es denn so sein sollte, dass Nofretete illegal ausgeführt wurde, dann würden wir sie zurückfordern. Ich denke, eine Ausleihe, also ein Schritt auf die Ägypter zu – genauso wie Katja Lembke es jetzt gemacht hat im Fall des Hemiunu – ist der richtige Weg, denn dann nimmt man ihm sozusagen auch den Wind aus den Segeln, wobei wir bei der Nofretete eben das große Problem haben, dass sie so zerbrechlich ist. Aber den Rosetta-Stein zum Beispiel, der in London liegt und die Entzifferung der Hieroglyphen möglich gemacht hat, könnte sehr wohl mal nach Ägypten ausgeliehen werden, und dann würde man auch diesem Streit ein bisschen Feuer nehmen.

Meyer: Katja Lembke hat ja auch gesagt, für sie sei es Zeit jetzt, tatsächlich endlich mal in die postkoloniale Phase da auch der Kulturbeziehung überzutreten. Wird denn diese Verweigerung von Leihgaben seitens ja nicht nur der deutschen Museum Ägypten gegenüber, wird das tatsächlich dort als koloniales Verhalten verstanden?

Saoub: Ich denke schon, und ich sehe es ein bisschen auch so. Dem liegt auch so ein bisschen Arroganz zugrunde, um das mal ganz platt zu formulieren. Zum Beispiel die Direktorin des Ägyptischen Museums hier in Kairo, Wafaa El Saddik, die hat in Deutschland promoviert, die ist genauso ausgebildet wie ihre deutschen Kollegen. Dennoch schwingt für mich manchmal in den brüsken Zurückweisungen der Ägypter so ein Stück weit auch etwas mit wie: Wir wissen doch viel besser Bescheid als ihr.

Und die Zeiten sind wirklich vorbei, da können Sie auch deutsche Ägyptologen danach fragen – die sagen Ihnen: Wir sind inzwischen auf gleicher Augenhöhe, die Ägypter graben hier, wir graben da, die Spanier graben dort, und alle sind an derselben Sache dran. Das heißt, postkolonial heißt auch ein Stückchen postorientalistisch.

Wir dürfen nicht mehr so tun, als wäre der Westen, stünde der Westen woanders als der Orient, sondern da sollten wirklich alle am selben Strang ziehen. Und ich denke, dieses Hildesheimer Projekt ist wirklich ein sehr gutes Beispiel dafür, dass in dem Moment, wo man zusammenarbeitet, auch alle Schwierigkeiten aus der Welt sind.

Meyer: Also es ist Zeit für eine neue Partnerschaft zwischen den internationalen Museen und Ägpyten, sagt auch Esther Saoub, unsere Korrespondentin in Kairo. Herzlichen Dank!

Saoub: Bitteschön!