Katie Melua: "In Winter"

Heimkehr nach Georgien

Sängerin Katie Melua während eines Konzertes im Rahmen ihrer Sommer-Tour im Juli 2016 auf der Parkbühne in Leipzig.
Katie Melua während ihrer Tour im Sommer 2016 in Leipzig. © imago/STAR-MEDIA
Von Carsten Beyer · 14.10.2016
Für ihr neues Album "In Winter" ist Katie Melua in ihr Geburtsland Georgien gereist. Die mit einem Frauenchor aufgenommenen Songs unterscheiden sich deutlich von der Musik, die man bislang von der zierlichen Sängerin kennt.
"Die Idee zu diesem Album kam mir, als ich zum ersten Mal den Frauenchor aus der Stadt Gori hörte, aus meiner alten Heimat. Der Klang dieser Stimmen hat mich innerlich aufgewühlt. Ich wollte unbedingt mit diesen Frauen arbeiten. Doch englischen Singer- Songwriter Pop und klassische Poliphonie aus dem Kaukasus zu kombinieren ist gar nicht so leicht. Deswegen habe ich zehn Stücke ausgewählt, die alle ein bisschen melancholisch sind, und nachdenklich - Wintersongs eben. Ich hatte das Gefühl, so kommen die beiden Kulturen, die beiden musikalischen Welten, am Besten zusammen."
"Shchedryk" heißt dieses Stück, die kleine Schwalbe - ein traditionelles osteuropäisches Weihnachtslied. Die 25 Stimmen des Gori Womens Choir verschmelzen zu einem kraftvollen Klangteppich, Katie Melua ist dagegen nur ganz im Hintergrund zu hören - wie das entfernte Echo einer Frau, die einst ihre Heimat verlassen hat und die sich ihr nun – zögerlich – wieder annähert.
Ein ungewöhnlicher Auftakt für das neue Album einer Sängerin, die man zuvor eher im Pop- Mainstream verortet hatte.
Nach Georgien zu fahren und ein Album mit osteuropäischen Folksongs aufzunehmen, begleitet von einem Frauenchor – das war eine mutige Entscheidung.

"Es ist einfach Musik, die ich mag"

Die Verantwortlichen in ihrer Plattenfirma hätten zunächst die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, erzählt Katie Melua – und von britischen Journalisten wurde sie gefragt, ob das denn nun eine "neue" Katie sei, die sich hier der Welt präsentiert
"Klar, mein Name und mein Gesicht sind auf diesem Album – das heißt natürlich werden sich alle mit mir beschäftigen und mit meiner künstlerischen Identität. Aber ich muss ihnen sagen, das interessiert mich überhaupt nicht! Ob ich das bin, ob das eine neue Katie ist, wie die alte Katie zur neuen Katie steht, das ist für mich irrelevant. Es ist einfach Musik, die ich mag, für die ich Leidenschaft empfinde. Und ich bin glücklich, Teil dieses Projekts zu sein."
Zweimal im Abstand von einem halben Jahr flog Katie Melua nach Georgien – zusammen mit einem erfahrenen Toningenieur und dem nötigen Equipment, um das neue Album unmittelbar vor Ort aufzunehmen.

Dem Chor auf Augenhöhe begegnen

Natürlich hätte sie den Chor auch einfliegen lassen können, in ein Studio nach London beispielsweise, aber Katie Melua wollte sich Zeit lassen. Sie wollte in Ruhe an den Arrangements arbeiten und den georgischen Sängerinnen auf Augenhöhe begegnen:
"Sie haben mich unglaublich inspiriert und ich habe viel von ihnen gelernt. Noch wichtiger war mir aber das gegenseitige Vertrauen. Wenn man mit anderen Musikern zusammenarbeitet, dann muss man über alles reden können. Schon um sicher zu stellen, dass auch wirklich alle das Gleiche wollen. Es sollte auf keinen Fall so sein: 'Ich, der Popstar, erzähle Euch jetzt mal, wo es lang geht.' Falls diese Erwartung je bestand, hat sie sich sehr schnell in Luft aufgelöst, als wir angefangen haben, an dem Rachmaninov zu arbeiten."
"Nunc Dimitis", ein Chorstück aus Rachmaninoffs "Nachtwache", ist Herzstück und zugleich Höhepunkt von Katie Meluas neuem Album. Daneben singt sie Volkslieder, einige Eigen-Kompositionen und sogar ein Joni-Mitchell-Cover. Das klingt nach einer willkürlichen Auswahl, entpuppt sich aber bei genauem Hinhören als klug durchdachtes Konzeptalbum – über das Heimkommen im Winter, in einer Zeit, in der man endlich einmal Muße hat, in sich zu gehen und über das eigene Leben nachzudenken.

Eines ihrer Besten

"In Winter" ist sicher nicht das Album, das man von Katie Melua erwartet hätte, aber es ist gerade deshalb eines ihrer Besten. Nach einigen Jahren der Orientierungslosigkeit und einem Fast-Burnout hat sie endlich die Freude an der Musik wiedergefunden. Wozu eine Reise in die alte Heimat doch manchmal gut sein kann…
"Das ist mein siebtes Album. Ich muss gestehen, nach sechs Platten hatte ich schon fast vergessen, wie toll dieser Job ist: Was für ein Privileg es ist, von der Musik zu leben, Platten aufzunehmen und Konzerte zu spielen. Dieser Chor hat mich zum Glück wieder daran erinnert. Ihr Enthusiasmus, ihre Freude an diesem Projekt hat mich angesteckt – und ich freue mich schon darauf, zusammen auf Tour zu gehen: Einige der Sängerinnen haben Georgien noch nie verlassen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sie auf den Westen reagieren – auf das Straßenbild, auf die Gebäude, die Läden – und auf die Preise!"