Katholischer Theologe Chibueze Udeani

"Andersartigkeit anerkennen"

Papst Franziskus bei seiner Neujahrspredigt 2015.
Papst Franziskus bei seiner Neujahrspredigt 2015. © AFP/Andreas Solaro
Moderation: Ute Welty · 17.01.2015
Die katholische Kirche will sich in den Dialog mit der Welt begeben. Für eine Verständigung mit Menschen anderen Glaubens sei die differenzierte Wahrnehmung des Gegenübers notwendig, sagt der katholische Theologe Chibueze Udeani.
Der katholische Theologe Chibueze Udeani sieht in der Anerkennung der Andersartigkeit eine notwendige Voraussetzung für einen Dialog der Religionen.
"Religionen sind keine abstrakten Güter, überall einsetzbar", sagte Udeani am Samstag im Deutschlandradio Kultur anlässlich des Besuchs von Papst Franziskus auf Sri Lanka und den Philippinen.Eine wichtige Voraussetzung für die Verständigung mit anderen Religionen sei es, den Lebenskontext der Menschen zu berücksichtigen.
Dialog von Katholiken mit Buddhisten ist anders als mit Muslimen
Von der "Partikularität" der jeweiligen Religion ausgehend, müsse die katholische Kirche den interreligiösen Dialog suchen. Dabei müsse die "Andersartigkeit des Anderen", des Gegenübers, im Vordergrund bleiben. Entsprechend gestalte sich der Dialog von Katholiken mit Buddhisten anderes als mit Muslimen. Auch wenn die Rede von ein und demselben Gott sei, der "Sprache, die unterschiedlich ist, muss Rechnung getragen werden", erklärte der der aus Nigeria stammende Theologe, der alsProfessor für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen an der katholisch-theologischen Fakultät Universität Würzburg lehrt.
Neues Verständnis von Mission - Anerkennen, dass Unheil angerichtet wurde
Im heutigen Verständnis der katholischen Kirche von Mission stehe der Grundgedanke des Dialogs im Mittelpunkt: Es gehe darum Bekenntnis abzulegen, sich in den "Dialog mit der Welt zu begeben, zu diskutieren", und nicht, darum "Menschen hinterlistig zu gewinnen", betonte Udeani. Diese Neudefinition verdanke sich auch der kritischen Auseinandersetzung des Vatikans mit der zwiespältige Geschichte der christlichen Mission. Udeani plädierte für eine differenzierte Eigenwahrnehmung, die sich mit beiden Seiten dieses Unterfangens auseinandersetze, auch "im Sinne von Fehlern", so Udeani.
Der heutige Besuch von Papst Franziskus im vom Taifun Hayian verwüsteten Gebiet der Stadt Tacloban sende ein Zeichen der Verbundenheit. Er könne den Menschen helfen "Mut zu geben, ihre Situation zu meistern."
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Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Trost spenden und Zuversicht verbreiten – heute besucht Papst Franziskus das Katastrophengebiet von Tacloban, dort, wo der Taifun Hayan besonders gewütet hat. Die Reise des Papstes auf die Philippinen und nach Sri Lanka war von Anfang an dem Dialog gewidmet, dem Dialog mit den Menschen und dem Dialog der Religionen. Ein Vorhaben, das besondere Vorzeichen bekommen hat angesichts der Ereignisse von Paris, Verviers und auch angesichts der Durchsuchungen zum Beispiel in Berlin. Was ein solcher Dialog leisten kann und muss, das bespreche ich jetzt mit Chibueze Udeani. Der katholische Theologe ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen in Würzburg. Guten Morgen, Herr Udeani!
Chibueze Udeani: Guten Morgen!
Welty: Der Papst trifft sich heute mit philippinischen Taifun-Opfern. Was kann er diesen Menschen sagen, die Schlimmes und Schlimmstes erlebt haben.
Udeani: Jeder Mensch, der schon einmal einen Schicksalsschlag erlebt hat, weiß, wie schlimm es ist. In seiner Situation braucht solch ein Mensch jegliche Hilfe und Unterstützung. Auch solche Besuche wie der des Papstes trägt auch dazu bei, Menschen Hoffnung zu geben. Die Hoffnung hat auch damit zu tun, dass in einer Situation, wo Aussichtslosigkeit herrscht, dieses Zeichen der Verbundenheit mit der globalen Gemeinschaft, der Zusammenhang repräsentiert durch den Papst, ist auch oft etwas, wo Menschen nach so einer Erfahrung darauf hinweisen, dass solche Begegnungen ihnen den Mut gegeben haben, ihre Situation zu meistern. Oder wenn nichts anderes, die Tristheit der Lage aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Welty: 80 Prozent der Menschen auf den Philippinen sind katholisch. Das war auf Sri Lanka anders, wo die Mehrheit der Menschen sich zum buddhistischen Glauben bekennt. Inwieweit macht das für den Papst einen Unterschied für seine Begegnungen auf solchen Reisen?
Udeani: Im Prinzip wird es keinen Unterschied machen, weil die Botschaft Christi, die frohe Botschaft, ist für alle Menschen gedacht. Weil der Grundauftrag zur Missionierung von Jesus Christus lautet: Gehe hin zu allen Völkern. Hier hat er keinen Unterschied. Und seitdem hat diese Botschaft Christi die Fähigkeit, Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen, wenn es richtig vermittelt wird, auf eine Art zu treffen, dass sie dadurch diese Fröhlichkeit dieser Botschaft in ihren Lebenssituationen erfahren, egal, welche religiöse Bekenntnisse, Zusammenhängen diese Menschen ihre Leben zu gestalten versuchen. Daher denke ich mir, in dieser Situation wird es von der Basis dieser christlichen Botschaft her keinen Unterschied machen, ob man ein Buddhist ist oder Christ ist.
Welty: Jetzt sprechen Sie die Missionierung an. Im Rahmen der Kirchengeschichte ist in diesem Namen ja auch viel Unheil angerichtet worden.
Udeani: Das stimmt. Aber man muss auch sagen, trotz der Tatsache, dass Unheil angerichtet wurde, hat es auch viele gute Dinge, die erreicht wurden. In unserem 21. Jahrhundert müssen wir uns sicher mit diesen zwei Seiten dieses Unterfangens auseinandersetzen. Nicht nur zu sagen, alles war wunderbar oder alles war schlecht. Es ist ein Gedanke, Richtung dem man sagen sollte, es muss ein Sowohl-als-auch sein, diese kritische Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit im Sinne von Fehlern. Und das, kann man auch schon sagen, wurde im Zweiten Vatikanum aufgearbeitet auf eine Art, dass man sagt, okay, Mission muss man neu definieren, neu verstehen und diesen Grundauftrag neu angehen, dass es im Grunde genommen geht auch das Verständnis von Mission von heute nicht mehr primär, wie es früher gedacht wurde. Vielmehr ist der Grundtenor bei diesem Verständnis von Mission ist der Dialog. Im Zweiten Vatikanum sieht man grundlegend, dass die Bereitschaft der katholischen Kirche da ist, sich im Dialog mit der Welt zu begegnen, zu diskutieren, und genauso auch diesen Grundauftrag auf eine Art zu verbreiten als eine Einladung. Deswegen hat auch Johannes Paul VI. unmittelbar nach dem Konzil seine Enzyklika "Evangelii nuntiandi" positioniert, wo er versucht hat zu erklären, dass es um Evangelisierung geht. Evangelisierung im Sinne von, es Menschen nahezulegen, dass die Botschaft Christi für sie gedacht worden ist.
Welty: Den Menschen es nahezulegen – Sie nennen es eine Einladung. Es gibt aber auch die Interpretation andere Menschen, von seinem Glauben zu überzeugen. Wie passt das zusammen?
Udeani: Das ist nicht mehr der Stand der römisch-katholischen Kirche, weil auch in „Redemptoris missio" hat Johannes Paul II. das klar gesagt, dass es nicht darum geht, hinterlistig Menschen zu gewinnen, so sie zu überzeugen, sondern im echten Dialog Bekenntnis ablegend: Ich als Christ lege Bekenntnis ab im Sinne von, was diese Botschaft für mich bedeutet. Unter anderem die Möglichkeit gebe, dadurch vielleicht einen eigenen Zugang zu dieser Botschaft zu finden.
Welty: Ist der Dialog von Katholiken mit Buddhisten beispielsweise ein anderer als der von Katholiken mit Muslimen?
Udeani: Sicher. Weil im Dialog die Andersartigkeit des anderen, meines Gegenübers im Vordergrund bleiben muss. Und das heißt, dieser Begegnungsrahmen darf nie zu einer Verwechslung vor allem die des Gesprächspartners zugefügt werden, dass man eine Art von Gleichmacherei ist. Weil, diese zwei erwähnten Religionen haben unterschiedliche Grundsätze, Lehren, Doktrinen und Theologien. Und da sieht man, auch wenn die Rede von einem selben Gott ist, der "Sprache", die unterschiedlich ist, muss Rechnung getragen werden. Wenn hier anhand von Lebenskontextualitäten von Menschen – Religionen sind nicht abstrakte Güter, so die man sagt, überall einsetzbar. Von dieser Partikularität der jeweiligen Religion ausgehend muss die katholische Kirche oder andere Religionen auch den Dialog miteinander suchen.
Welty: Das ist der Merksatz für heute Morgen. Religionen sind keine abstrakten Güter. Professor Chibueze Udeani war das vom Stiftungslehrstuhl für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen, und er hat uns gedanklich begleitet bei einer Papstreise, die für Verständnis und Gleichberechtigung wirbt. Dafür herzlichen Dank!
Udeani: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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