Katholikentag in Leipzig

Maria fürs Bauchgefühl

Maria mit Jesuskind
Maria mit Jesuskind im Arm in der Kirche St. Alban in Hardheim, Baden-Württemberg. © picture alliance/dpa/Foto: Friedel Gierth
Von Marianne Allweiss · 29.05.2016
1000 Veranstaltungen beim Katholikentag in Leipzig lassen sich gar nicht abbilden, aber unserer Reporterin Marianne Allweiss ist aufgefallen, dass sich doch so einiges um eine Frau dreht, die den Katholiken besonders wichtig ist: Maria. Wofür steht sie heute?
Schon zu Beginn des Katholikentages hat Maria ihren ersten Auftritt. Beim Abend der Begegnungen in der Innenstadt. Dort stellen sich die fünf Ostbistümer vor. Mit kulinarischen Spezialitäten. Mit einem Bühnenprogramm. Und mit einer seltenen Kostbarkeit aus dem Erfurter Dom:
"Dieses Marienbild ist normalerweise ein Detail aus den Fenstern. Das besondere an diesem Bild, das vergrößert zu betrachten, das eröffnet eine völlig neue Perspektive. Maria ist dargestellt. Die trägt das Kind nicht auf den Armen, sondern noch unter ihrem Herzen."

Ist der Auftritt in Leipzig ein Zeichen?

Die schwangere Maria mit dem Jesuskind in der Gebärmutter verblüfft den Erfurter Diakon immer wieder. Er hat diesen Abend für sein Bistum vorbereitet und ausgerechnet dieses Bild ausgewählt, um den Mariendom zu repräsentieren. Im Mittelalter waren solche Darstellungen von "Maria in der Hoffnung" eine Zeit lang verbreitet. Ist dieser Auftritt hier in Leipzig also ein Zeichen dafür, dass Maria neu wahrgenommen wird? Nicht mehr als unbefleckte Heilige, sondern als normale Frau mit einer außergewöhnlichen Aufgabe? So weit will Thomas Kappe nicht gehen. Aber:
"Das ist wirklich eine persönliche Berühmtheit. Von dem Geschehen. Gott kommt in die Welt. Wie ein kleines Kind. Wie ich es erlebt habe mit meinen eigenen Kindern. Da ist nichts Abgefahrenes oder Außergewöhnliches dabei. Er wird geboren, wie jeder andere auch."
Das sagt ein Mann. Haben die neuen katholischen Männer die Mutter Jesu für sich entdeckt?

In der Liebfrauenkirche im Leipziger Westen findet gleich ein Mitsingkonzert mit Marianischen Liedern statt. Das Kirchencafé ist an diesem Abend voll. Viele der beteiligten Chorsänger stärken sich mit Kaffee und Kuchen oder mit Bier und Schmalzbrot und kommen schnell mit den ersten Besuchern ins Gespräch: Ob einer der Männer eine besondere Verbindung zu Maria hat, will ich wissen.
"Nein, das nicht. Sie ist eine Heilige, die wir ja sehr verehren. Aber so eine besondere Beziehung nicht. Autorin: Die haben eher die Frauen? Vermutlich. Manche Männer auch. Doch, doch, es gibt auch etliche Männer. Aber ich kenne jetzt bloß ältere."
Sind denn wenigstens die Sängerinnen von Maria und von diesem Konzert begeistert?
"Also ich war erst mal erstaunt, dass wir ein reines Marienprogramm singen. Das war auch ein bisschen fremd, weil wir das sonst nie machen. Aber uns gefällt es jetzt sehr gut."
Diese Frau vom Propsteichor Leipzig findet gut, dass Maria durch die Lieder in ganz unterschiedlichen Bildern wahrgenommen wird und in vielfältigen Weisen besungen wird:
Volksgut, Kitsch, aber auch klassische Stücke singt der Chor, der sich in der Kirche zwischen die Besucher auf die Bänke gesetzt hat. Angeleitet von einem engagierten musikalischen Leiter.
"Das klappt ja sehr gut. Jetzt würde ich mir nur noch mehr die österliche Freude wünschen. (…) Sie müssen alle entschuldigen, Ihr müsst entschuldigen, ich bin ein Kantor aus einer Diaspora-Gemeinde. Wir haben kleine Kirchen mit wenig Akustik. Und da wird flott gesungen. Wir können ja noch mal aufstehen, das aktiviert uns alle."

Nicht-Gläubige zum Mitsingen animieren

Michael Formella aus Gera will Gläubige und Nicht-Gläubige zum Mitsingen animieren, bevor es nachher noch ein richtiges Konzert gibt. Damit sie dann nicht wegnicken, sondern ausprobiert haben, wie es ist, selbst auch mal einen mehrstimmigen Gesang anzustimmen. So will er die Besucher noch näher an den Inhalt führen, also an Maria.
"Maria ist ja der Mensch, der am nächsten an Gott dran ist, dadurch, dass sie Jesus geboren hat. Und das Thema ´Seht da ist der Mensch` soll uns ja auch Menschen nahe bringen. (Wir sollen zu den Menschen gehen wir sollen alle miteinander was tun.) Aber wir sollen auch Menschen kennenlernen, die uns Vorbild sein können. Und Maria ist gerade für viele Katholiken unter uns ein sehr großes Vorbild."
Den Konzert- und Meditationsabend zu Maria im Anschluss hat allerdings ein protestantischer Christ mitgestaltet.
Vor den rund 130 Sängerinnen und Sängern, die sich nun im Chorraum aufgestellt haben, trägt der Dresdner Religionspädagoge Tobias Petzoldt selbst geschrieben Texte vor. Die sollen Maria auf die Erde holen, so als wäre sie an diesem Abend dabei.
"Ich finde das total spannend, das Feminine in der christlichen Religion sich mal vorzunehmen. Das fasziniert mich am katholischen Glauben, dass es eben nicht nur um den Gott und den Jesus und den Heiligen Geist geht, sondern dass es auch immer die Suche nach weiblichen Seiten Gottes gibt."
Taugt heutzutage vielleicht ausgerechnet die katholische Heilige Maria als Brücke für die Annäherung der christlichen Kirchen?

Mitmach-Gottesdienst auf dem Kirchentag

Der Höhepunkt für alle Maria-Fans auf dem Katholikentag ist auch wieder eine ökumenische Veranstaltung. Ein gut besuchter Mitmach-Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Bethlehemkirche. Schwester Vernita Weiß von der katholischen Schönstatt-Bewegung hat ihn organisiert. Ihr und ihrer Gemeinschaft war die Mutter Gottes schon immer wichtig.
"Maria ist eigentlich eher der Hinderungsgrund für Ökumene. Katholisch und viel Bombast und viele Blumen und Kerzen. Die verstellt uns den Weg zu Jesus. Das ist die herkömmliche Vorstellung. Aber es ist hier eine evangelische Gemeinschaft, die ganz offen ist. Und ich nehme das zunehmend wahr bei jungen Menschen und bei Freikirchen, dass die ganz unbelastet von traditionellen Vorstellungen einen Zugang zu Maria finden."
Für diesen Gottesdienst hat Schwester Vernita die Mariengeschichte modern interpretiert – unter dem Hashtag "Maria – weilGottdenMenschenfragt". Die Feier mit vielen Liedern, Texten und mit der Möglichkeit, eine Kerze anzuzünden, kommt bei allen Teilnehmern gut an: Bei Alt und Jung, bei den vielen Frauen, aber auch bei den Männern, bei Katholiken und Protestanten. Vernita Weiß denkt aber noch weiter:
"Das ist sogar eine Verbindung zu den Muslimen. Weil sie Maria verehren. Sie schätzen sie sehr. Da finden wir ganz viele Überschneidungen. Das wär sicherlich auch noch interessant, so eine ökumenische Marienfeier in der Zukunft."
Mehr zum Thema