Kasachstan

Angst lähmt die Menschen

Demonstration in der kasachischen Hauptstadt Almaty im Dezember 2011
Immer weniger Menschen trauen sich wie hier 2011 in der kasachischen Hauptstadt Almaty gegen die Regierung und die Polizei zu demonstrieren. © picture alliance / dpa / Foto: Anatoly Ustinenko
Von Vanja Budde und Edda Schlager · 02.08.2014
Die Pressefreiheit ist in der zentralasiatischen Republik Kasachstan sogar in der Verfassung garantiert. Das hindert das autokratische Regime von Präsident Nursultan Nasarbajew aber nicht an einem neuen Mediengesetz, mit dem kritische Journalisten und Blogger noch effektiver mundtot gemacht werden können.
Redaktionskonferenz bei der "Uralskaya Nedely", eine Wochenzeitung in der Stadt Uralsk im äußersten Nordwesten Kasachstans. Die sechs Redakteurinnen und Redakteure besprechen die Themen für die nächste Ausgabe der "Uralsker Woche". Die aktuelle Ausgabe ist am Vortag wie immer auf den letzten Drücker fertig geworden. "Wem gehört das Öl?" lautet die Titelzeile: Die Korruption in Kasachstans Öl- und Erdgasindustrie ist eines der Schwerpunktehemen des unabhängigen Blattes, erzählt Herausgeberin Tamara Jeslyamova. Die 51-Jährige hat die Wochenzeitung vor zwölf Jahren gegründet, seitdem gibt es immer wieder staatliche Repressionen.
Tamara Jeslyamova: "Sie haben Angst. Unsere Regierung fürchtet, dass sich der Maidan hier bei uns wiederholt. Das kann man daran sehen, in was für einem Tempo sie Korrekturen in der Gesetzgebung vornimmt. Demonstrationen und andere zivilgesellschaftliche Aktionen werden immer schärfer bestraft. Die Gesetze werden immer strenger."
Zeitungen als Verlautbarungsorgane der Regierung
Das gilt auch und in besonderer Weise für Journalisten. Zwar ist Kasachstans Medienlandschaft auf den ersten Blick recht vielfältig, es gibt hunderte Zeitungen, Radiosender und Fernsehprogramme. Doch die allermeisten sind nur pro forma in Privatbesitz, tatsächlich aber Verlautbarungsorgane der Regierung.
"Adil Soz" heißt eine Nichtregierungsorganisation in Almaty, Kasachstans mit knapp zwei Millionen Einwohnern größten Stadt ganz im Süden, an der Grenze zu Kirgistan. "Adil Soz" ist Kasachisch für "Das freie Wort" und daran herrscht im neuntgrößten Land der Erde trotz boomender Wirtschaft großer Mangel, meint Zhanna Beytelova. Sie hat lange als Journalistin gearbeitet, bevor sie sich in der NGO engagierte.
Zhanna Beytelova: "Seit kurzem steht die bewusste Verbreitung von falschen Angaben unter Strafe. Das ist ein neuer Artikel im geltendem Strafgesetzbuch, der hinzugefügt wurde. Wir müssen jetzt fürchten, für die Verbreitung von solchen so genannten falschen Angaben verantwortlich gemacht werden können, zum Beispiel im Gespräch mit einem Experten, einem Politiker oder Analytiker, der uns seine Meinung sagt."
Obwohl es offiziell nicht gestattet ist, Journalisten an ihrer Arbeit zu hindern, würden Reporter bei den seltenen Demonstrationen, die es im Land gibt, festgenommen und später als angebliche Organisatoren verurteilt, erzählt Zhanna Beytelova aus eigener Erfahrung. Und es droht neues Ungemach.
"Jetzt gerade passiert Folgendes: Dem Senat, das ist das Oberhaus des Parlamentes, liegt ein neues Strafgesetzbuch zur Prüfung vor, das das Vorgehen gegen angebliche Lügen und Beleidigungen verschärfen soll. Es wird die Situation von Journalisten weiter verschlimmern. Wir haben leider keinen Zweifel, dass das neue Strafgesetz in Kraft treten wird."
Wer zu tief bohrt, bekommt Ärger
Schon heute ist die Recherche in Kasachstan schwierig, nur mühsam kommen Journalisten an Informationen. Wer allzu tief bohrt, bekomme es mit einem Gesetzesartikel zu tun, der angebliche "falsche Verdächtigungen" ahndet, erläutert Beytelova. Öffentliche Debatten verlaufen in Kasachstan zum großen Teil im Internet. Für Journalisten sei das aber auch kein Ausweg.
Beytelova: "2009 wurde eine Reihe von Korrekturen eingeführt. Das Ganze nennt sich ´Gesetzgebung zur Regulierung des Internets`. Heute wird sogar der persönliche Account auf Facebook als Medium eingestuft. Für seinen Account muss man wie für ein Medium gerade stehen und nicht wie ein Bürger. Wenn ich auf Facebook meine persönliche Meinung wiedergebe, versteht man mich gleich als Journalistin und Journalisten werden schwerer bestraft. Auch wenn ich als Blogger meine Meinung äußere, kann ich verurteilt werden. Denn heutzutage sieht man Blogger als Journalisten an, weswegen die Strafe härter ausfällt, denn Blogger verbreiten Informationen massenweise wie die Medien. So etwas wird immer strenger bestraft."
Aufgestört vom Arabischen Frühling und der Orangenen Revolution in der Ukraine setzt Nasarbajews Regierung auf Kontrolle statt auf Dialog, moniert auch die Friedrich-Ebert-Stiftung in Almaty. Der kasachische Theatermacher und Regimekritiker Bolat Atabayev ist vor diesen Verhältnissen ins deutsche Exil geflohen.
Bolat Atabayev: "20 Prozent der ganzen Bevölkerung hat Internet, vielleicht sogar weniger. Deswegen haben die meisten Ahnung, was alles im Land passiert, aber dieses Zivilkulturniveau ist sehr niedrig. Man will was dagegen sagen, die Meinung äußern, aber man erschießt den Opponenten oder wirft ihn ins Gefängnis, und die Menschen sehen es und haben Angst. Man manipuliert die ganze Gesellschaft, Angst einjagen. Und Angst lähmt, die Menschen sind gelähmt."
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