Kartografie

Mit dem Zeichenstift um die Welt

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Himmelsglobus aus dem Jahr 1715, Kulturhistorisches Museum Stralsund © picture alliance / ZB
Von Günther Wessel · 10.03.2014
Alte Landkarten üben auf viele Menschen eine große Faszination aus: Sie berichten von der Vergangenheit, von der Zeit der Weltentdeckung und dem Erwachen unseres Weltverständnisses. Der englische Sachbuchautor Simon Garfield erzählt in seinem neuen Buch kenntnisreich und unterhaltsam die Geschichte der Kartografie – vom Altertum bis zur Satellitennavigation.
Etwa 194 v. Chr. zeichnete Eratosthenes von Kyrene in Alexandria die erste bekannte Weltkarte und berechnete den Umfang der Erde: Sein Ergebnis von ca. 40.230 Kilometern kommt dem heutigen von 40.075,16 Kilometern erstaunlich nahe. Griechische Geographen wie Strabon und Ptolemäus wussten, dass die Erde kugelförmig ist. Auch späteren Entdeckern war das klar: Kolumbus verschätzte sich nur bei der Größe des Erdumfanges.
Die gekrümmte Oberfläche des Erdballs auf einer Fläche darzustellen, war das große Problem der frühen Kartenzeichner. Gerhard Mercator löste es 1569: Er zeichnete eine winkelgetreue Weltkarte, in die er alle Orte genau im Breiten- und Längengradsystem einzeichnen konnte. Winkeltreue führt aber zu Verzerrungen in der Fläche: Nach Norden werden die Länder daher immer größer, weshalb Grönland auf den meisten Weltkarten etwa so groß wie Afrika aussieht, obwohl Letzteres in Wirklichkeit 14 mal so groß ist.
Kalifornien wurde 1662 versehentlich zur Insel
Simon Garfield beschreibt solch eher schwierige Sachverhalte mit leichter Hand. Mehr Spaß machen ihm aber Anekdoten, vor allem Geschichten fehlerhafter Darstellungen: beispielsweise, dass Kalifornien 1662 erstmals als Insel gezeichnet wird. Der Fehler hat lange Bestand, er findet sich noch 1865 auf japanischen Karten. Denn diese werden im Wortsinn abgekupfert. Die Kong-Berge, die 1798 der Engländer James Rendell auf einer Länge von etwa 1000 Kilometern parallel zum 10. Breitengrad in Afrika einzeichnet, verschwinden erst aus den Atlanten, nachdem der Franzose Louis-Gustave Binger 1888 vor Ort ihre Nicht-Existenz feststellt. Warum sie überhaupt gezeichnet wurden? Laut Garfield hassen Kartografen weiße Flecken auf ihren Karten.
So reiht der Autor Geschichte an Geschichte. Er schreibt über die Vinland-Karte, die zeigt, dass Wikinger 500 Jahre vor Kolumbus in Amerika landeten – ob sie eine Fälschung oder ein Original ist, ist immer noch umstritten. Er berichtet von John Snow, der 1854 eine Karte der Wohnorte von Cholera-Opfern in London zeichnete und so herausfand, das die Krankheit durch verseuchtes Wasser – die Opfer wohnten alle nahe von bestimmten Wasserpumpen – übertragen wurde. Und zuletzt über die Satellitennavigation von heute. Wichtiger als Geschichten von fehlgeleiteten Autofahrern, die statt auf Brücken in Flüssen landen, ist Garfield aber hier, dass GPS-Systeme im Unterschied zur Karte den Zusammenhang zerstören: Man kann über viele hundert Kilometer vom einen zum anderen Ort reisen, ohne eine Ahnung zu haben, wie die Orte wirklich zueinander liegen.
Simon Garfield ist eine glänzende, sehr gut lesbare Einführung in die Kartografie gelungen. Nur eines ist schade: Kartografie lebt von der Anschauung; die wenigen Abbildungen im Buch sind allerdings leider nur wenig brauchbar.

Simon Garfield: Karten! Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab
Aus dem Englischen von Katja Hald und Karin Schuler
Theiss Verlag, Darmstadt 2014
520 Seiten, 29,95 Euro