Karstadt: Möning-Raane fordert Eingreifen der Politik

Margret Mönig-Raane im Gespräch mit Gabi Wuttke · 06.07.2010
Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane fordert im Ringen um die Karstadt-Rettung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ein Eingreifen in die Verhandlungen. Der Zeitdruck sei sehr groß.
Gabi Wuttke: Poker unter Profis – das ist das bislang immer noch unvollendete Spiel um den Warenhausklassiker Karstadt mit seinen 25.000 Mitarbeitern. Der Investor Nicolas Berggruen, Sohn des großen Kunstsammlers und Menschenfreundes Heinz Berggruen, will gewinnen gegen das Vermieterkonsortium Highstreet. Deshalb hat er jetzt die Politikkarte gezogen. Er will von der Bundesregierung wenigstens verbal unterstützt werden.

Am Telefon ist Margret Mönig-Raane, die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Mitglied im Aufsichtsrat von Arcandor. Guten Morgen!

Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!

Wuttke: Berggruen sagt selbst, nur noch zehn Prozent des Deals seien offen. Muss es ihn also wirklich scheren, dass ihm Bundeswirtschaftsminister Brüderle die Unterstützung bei den Verhandlungen versagt hat?

Mönig-Raane: Ich habe das gar nicht so wahrgenommen, dass er ihm das versagt hat, sondern er hat darauf verwiesen, was wir ja durchaus auch sagen, dass beide Seiten hohe Verantwortung tragen, und ich glaube, man kann zur aktuellen Zeit auch sagen, wo Verantwortung offensichtlich nicht wirklich wahrgenommen wird.

Wuttke: Wo?

Mönig-Raane: Innerhalb von Highstreet gibt es ja eine ganz komplizierte Vertragsgeschichte, wer wem welche Darlehen gegeben hat und so was alles, und einer der ganz großen Darlehensgeber ist die Valovis-Bank, die ja auch schon im Zusammenhang mit der Quelle-Liquidation nicht so angenehm aufgefallen ist, und die Valovis-Bank sperrt sich offensichtlich dagegen, die mit Highstreet gefundenen Vereinbarungen mit abzusegnen, nach dem Motto, dann sind unsere Risiken zu groß.

Wuttke: Aber reicht diese Tatsache zu dem, sage ich mal, Oppositionsgehabe aus, das der SPD-Chef an den Tag gelegt hat, der die Haltung von Brüderle als Schande bezeichnet und die Karstadt-Rettung für mindestens ansatzweise gescheitert hält?

Mönig-Raane: Nein. Ich halte die Karstadt-Rettung erstens für nicht gescheitert und zweitens hätte ich mir von Herrn Brüderle schon auch gewünscht, er hätte sich genauer erkundigt, wo hakt es denn eigentlich, und hätte vielleicht nicht vor der Öffentlichkeit, aber sozusagen hinter dem Bühnenvorhang mit den Verantwortlichen da mal Tacheles geredet. Das hätte ich schon erwartet, ja.

Wuttke: Sie haben Nicolas Berggruen ja persönlich kennengelernt. Sieht man hinter diesem Investor, der ja auch bei Ihnen große Sympathien genießt, als Alter Ego immer auch ein bisschen seinen großzügigen und klugen Vater?

Mönig-Raane: Ja, nicht so direkt, weil die erste Frage ist immer, wie seriös ist ein Anbieter oder ein Investor, der daher kommt (er ist ja nicht der erste), was hat er für Pläne, sind die belastbar, passen die mit den Interessen der Beschäftigten bei Karstadt eigentlich überein. Solche Fragen stellt man als Erstes. Aber dann kommt man natürlich auch auf die Persönlichkeit und fragt, aus welchem Umfeld kommt er, was hat er bisher gemacht, welche Investitionen gab es bisher, welche Erfahrungen.

All diese Fragen haben wir natürlich gestellt, auch ihm selber gestellt, und da muss ich sagen: Klar ist er ein Unternehmer und klar wird es auch in Zukunft mindestens Diskussionen geben, aber er hat eine Idee von der Weiterführung dieses Unternehmens, die mir sehr gut gefällt. Er sieht das eben nicht nur als na ja Geldanlage-Veranstaltung an, sondern hat wirklich Ideen, wie dieses Unternehmen weiterentwickelt werden kann.

Wuttke: Aber tatsächlich mehr als eine Idee hat er nicht, denn tatsächlich und zweifelsfrei kennt er sich in der Warenhausbranche ja überhaupt nicht aus?

Mönig-Raane: Ja. Er hat ja sehr, sehr unterschiedliche Investments und nicht nur in der Regel, sondern er hat das bisher nie gemacht und wird das auch hier nicht machen, dass er ins Tagesgeschäft einsteigt. Aber als Investor muss ich schon eine Fantasie und eine Vorstellung haben, wohin kann es denn gehen, damit man einschätzen kann, also er einschätzen kann, lohnt es sich, da einzusteigen, oder ist das hier ein totes Gleis, und das mindestens muss er ja schon einschätzen können.

Wuttke: Aber was schätzen Sie denn ein, warum er meint, es sei jetzt an der Zeit, die Politikkarte gezogen zu haben?

Mönig-Raane: Weil die Zeit davonläuft. Eigentlich muss bis 15. Juli alles unter Dach und Fach sein. Da aber Highstreet so eine ganz, ganz komplizierte Veranstaltung innen ist und die Ladungsfristen haben von drei Wochen, wie ich gehört habe, deswegen ist es richtig zu sagen, jetzt aber bitte Anlauf nehmen und die letzte Hürde schaffen, und alle müssen an den Tisch, auch die Valovis-Bank, und mit dazu beitragen, dass wirklich nicht nur im Interesse der Beschäftigten – die stehen an erster Stelle -, die bei Karstadt und die der Lieferanten, sondern auch im Interesse derjenigen, die da Geld reingegeben haben, ist es doch sinnvoller und richtiger zu sagen, das Unternehmen wird weitergeführt, macht dann auch in absehbarer Zeit wieder richtige Erträge und die bekommen auch ihr Geld wieder. Das ist doch nun eigentlich vernünftig, könnte man sich vorstellen.

So, und weil diese Zeit aber abläuft und der Insolvenzverwalter gesagt hat und auch dargelegt hat, warum es dann nicht weitergehen kann, sondern dann Einzelverkauf stattfindet, deswegen eilt die Zeit so und deswegen finde ich auch – und ich hoffe, dass Herr Brüderle das hinter den Kulissen auch tut -, dass alle mit ans Rad packen und helfen, dass das was wird.

Wuttke: Frau Mönig-Raane, 2005 wurden 74 kleine Karstadt-Filialen abgestoßen und gingen in die Insolvenz. Die übrigen wurden später eben an Highstreet verkauft. Wie selbstkritisch sehen Sie dabei Ihre eigenen Entscheidungen, auch mit Blick darauf, dass Sie unbedingt hoffen, dass es jetzt mit Berggruen klappt?

Mönig-Raane: Damals, als die 74 Filialen verkauft wurden - da war ich selber noch nicht im Aufsichtsrat, aber das ist auch unabhängig davon meine Meinung dazu -, ist das an einen Investor verkauft worden, oder an einen Fonds verkauft worden, der sich nachher als gruselig herausgestellt hat, das heißt, der null Interesse daran hatte, dieses Unternehmen, was dann später Hertie war, vernünftig fortzuführen, weil es gab seriöse Interessenten, die das weitergeführt hätten, aber dann sind von Dawnay Day Forderungen zu Mieten und Mietverträgen gemacht worden, wo man wirklich nur sagen kann, das kam aus der Geisterbahn, völlig indiskutabel, so dass wir ohnmächtig zugucken mussten, wie ein Immobilienfonds, dem man das vorher natürlich nicht angesehen hat – der hat das ja nicht gesagt, ich verhalte mich hier asozial -, dieses Unternehmen richtig in die Grütze gefahren hat.

Und was meine eigene Rolle angeht, als Aufsichtsratsmitglied von Arcandor: Als damals die Immobilien verkauft wurden, da war Karstadt mit Krediten belastet und Zinsen belastet, die zweistellig waren, in einer prominenten Höhe, und da war die Idee, wenn man die Immobilien verkauft, dann kann man diese Bankschulden ablösen und man kann dann auch wieder Gewinne machen, was ja nötig ist. Dass das alles so nicht gekommen ist, dass die Gelder sogar nicht alle geflossen sind, wie angekündigt, dass die Investitionen, die nach Karstadt gehen sollten, nämlich fast 500 Millionen, gar nicht gekommen sind, all das weiß man heute, aber das wussten wir natürlich nicht, als die Entscheidung gefallen ist.

Wuttke: Und jetzt zählt das Geld, denn das Geld ist die Zeit. Berggruen, Highstreet und Karstadt. Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane, Aufsichtsratsmitglied von Arcandor. Frau Mönig-Raane, vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Tag.

Mönig-Raane: Gerne! Schönen Tag noch!