Karlsruhe verhandelt über "Deals" in Strafprozessen

Von Annette Wilmes · 07.11.2012
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagten zulässig sind. Den Richtern des Zweiten Senats liegen drei Verfassungsbeschwerden vor.
Ob Untreue, Subventionsbetrug, Steuerhinterziehung oder Bestechung – Wirtschaftsdelikte zu ermitteln und vor Gericht zu bringen, ist meist eine äußerst schwierige Angelegenheit. Oft dauert es Jahre, bis die Taten erkannt werden, weil die Täter ihre Machenschaften so geschickt vertuschen. Und hat der Prozess erst begonnen, wird es nicht einfacher.

Deshalb kommt es immer häufiger zu Absprachen in Strafprozessen: Der Angeklagte legt zu bestimmten Tatvorwürfen ein Geständnis ab. Andere Punkte werden von der Anklage fallengelassen. Man einigt sich mit dem Gericht auf ein bestimmtes Strafmaß, der Deal ist perfekt.

Fast 30 Jahre stritten sich die Experten darüber, ob solche Absprachen oder Verständigungen rechtlich zulässig sind. In der Strafprozessordnung waren sie lange nicht vorgesehen, aber im Gerichtsalltag gang und gäbe, nicht nur in Wirtschaftsstrafverfahren.

Am 4. August 2009 trat das "Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren" in Kraft. Wichtigste Punkte des neuen Paragraphen 257c StPO: Die gerichtliche Aufklärungspflicht bleibt weiter bestehen, über den Schuldspruch darf eine Absprache nicht stattfinden, und das Hauptverhandlungsprotokoll muss den wesentlichen Ablauf und den Inhalt einer Verfahrensabsprache enthalten. So will man der Kungelei hinter verschlossenen Türen begegnen. Es darf auf keinen Fall vereinbart werden, dass auf Rechtsmittel verzichtet wird.

In den drei Verfassungsbeschwerden, über die heute in Karlsruhe verhandelt wird, rügen die Beschwerdeführer Verletzungen der Selbstbelastungsfreiheit, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Schuldprinzips. Er wurde vor die Alternative gestellt, bei einem Geständnis mit zwei Jahren auf Bewährung davonzukommen oder aber mit mindestens vier Jahren Freiheitsentzug bestraft zu werden.

Mittelbar greifen die Beschwerdeführer jedoch auch die gesetzliche Regelung selbst an. "Handel mit der Gerechtigkeit" oder "Sachgerechte Entscheidung" - was der Deal sein kann und sein darf, das wird heute in Karlsruhe zur Debatte stehen.


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