Kanzlerfrage

Martin Schulz - ein Kanzlerkandidat für die SPD?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz reden während eines Gipfels in Brüssel zur Schuldenkrise in Griechenland
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) - ein mögliches Duell im Bundestagswahlkampf? © afp/MACDOUGALL
Von Thomas Otto · 28.09.2015
Von Brüssel nach Berlin? Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist als SPD-Kanzlerkandidat im Gespräch. Im Wahlkampf könnte die SPD den Europapolitiker gut gebrauchen.
Schulz stammt aus der Grenzregion um Aachen, die schon immer vom Austausch mit den Nachbarländern Niederlande, Belgien und Luxemburg gelebt hat. Damit verbunden ist eine Internationalität, die auch Schulz‘ Konkurrent im Europawahlkampf, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, zu schätzen weiß:
"Er versteht Luxemburgisch. Wann immer wir zusammensitzen, versuche ich immer Luxemburgisch zu reden mit meinen Mitarbeitern, damit er nicht versteht. Aber er versteht alle wichtigen Sprachen der Welt."
Die Kleinstadt Würselen bei Aachen: Hier hat der heute 59-Jährige die meiste Zeit seines Lebens verbracht und hier wohnt er noch heute. Im benachbarten Hehlrath aufgewachsen, ging Schulz in Würselen zur Schule, startete eine Fußball-Karriere, die er wegen einer Verletzung später aufgeben musste, und eröffnete 1982 eine eigene Buchhandlung. Zwei Jahre später zog er für die SPD erstmals in den Würselener Stadtrat ein.
"Das ist etwas, was er immer sehr stark zum Ausdruck gebracht hat, dass er eben halt für die Menschen auch ansprechbar war und ihre Sorgen und Nöte auch ernst genommen hat – bis heute zu",
sagt Arno Nelles, Bürgermeister von Würselen. Er ist damit Nachfolger von Schulz, der das Amt von 1987 bis 1998 elf Jahre lang begleitete. Und der hier seine politische Karriere begann. Schulz sei direkt und könne seinen Standpunkt auch sehr emotional vertreten, sagt Nelles. Er habe nicht nur ein hervorragendes Gedächtnis, sondern vor allem auch Humor:
"Das sind so flapsige Äußerungen, die unter Freunden, unter Menschen, die sich lange kennen, richtig eingespielt sind, die für Außenstehende dann manchmal etwas seltsam wirken. Da ist so die flapsige Formulierung: 'Ihr seid alle entlassen.' Aber diejenigen, die schon seit Jahren mit ihm zusammenarbeiten, die wissen das genau zu werten."
"Im persönlichen Gespräch ein sehr nachdenklicher Mann"
Schulz‘ direkte Art gefällt aber nicht allen – vor allem nicht dem politischen Gegner. Seit 1994 ist Schulz Abgeordneter des Europaparlaments. Elmar Brok von der CDU hat die EU-Karriere des Martin Schulz miterlebt. Und er hat mit ihm auch die eine oder andere Debatte geführt:
"Also er ist jemand, der politisch erstmal bollerig auf Draht, parteipolitisch hart, manchmal sehr laut ist. Das fanden wir damals am Anfang nicht sehr gut. Erst wenn man ihn näher kennenlernt sieht man, dass das eine Mauer ist, die er da vor sich her zieht. Im persönlichen Gespräch ist das ein sehr nachdenklicher Mann, der zuhören kann und der auch Handschlagsqualität hat."
Seit 2012 ist Schulz – mit Unterbrechung – nicht mehr der Parteipolitiker und Fraktionschef der Sozialdemokraten, sondern der Präsident des Europäischen Parlaments.
"Er hat nicht die Geduld dazu, ein Parlament zu präsidieren. Er ist ein handelnder Politiker, was natürlich bei uns manchmal auch zum Ärgern bringt. Wir sagen dann, dass muss nicht jetzt ein Präsident machen. Er ist manchmal an der Grenze, wo er das übertreibt",
findet Elmar Brok. Auch Bernd Lucke, damals noch Abgeordneter für die AfD, bekam das zu Beginn der Legislaturperiode zu spüren:
"Herr Abgeordneter, vielen Dank. Sie sind ein neuer Abgeordneter in diesem Hause, deshalb – das habe ich Ihnen ja schon mal gesagt – sehe ich auch Ihnen Ihre Irrtümer nach."
Intern soll er erklärt haben, bereit für den Wahlkampf zu sein
Noch bis Anfang 2017 wird Schulz die Sitzungen des EU-Parlaments leiten. Dann endet seine Amtszeit. Laut Spiegel erklärte Schulz intern, er sei bereit, in den Bundestagswahlkampf zu ziehen und nach der Wahl eine führende Rolle zu übernehmen. Sich selbst will Schulz an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Im Bundestagswahlkampf könnte ihn die SPD aber gut gebrauchen. Bernd Lange, Chef der SPD-Delegation im Europaparlament, schaut in die Glaskugel:
"Der eckt manchmal eben auch an und das finde ich auch richtig, weil ich glaube, manchmal in der bundesdeutschen Politik muss man mehr Europa hineinbringen und – das denke ich – wird Martin auch machen und wenn Frank-Walter Steinmeier jetzt Bundespräsident wird, dann ist natürlich der Job des Außenministers frei."
Und selbst CDU-Mann Elmar Brok würde es begrüßen, wenn mehr Politiker von der EU-Ebene in die Bundespolitik gehen und ihre internationale Perspektive mitbringen.
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