"Kann sein, dass die Anleger jetzt vorsichtiger geworden sind"

Franz-Josef Leven im Gespräch mit Marcus Pindur · 01.08.2011
Der Direktor des Deutschen Aktieninstituts, Franz-Josef Leven, hält die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit der USA für vorübergehend gebannt. Anleger würden weiterhin in die US-Märkte gehen, aber nur mit einem "kleinen Risikoaufschlag".
Marcus Pindur: Es war ein wochenlanges Gezerre, die Debatte über eine Anhebung des Schuldenlimits in den USA. Präsident Obama konnte gestern Abend verkünden, er habe sich mit den Führern der Republikaner und Demokraten im Kongress über eine Erhöhung des Kreditrahmens und einen Plan für einen langfristigen Schuldenabbau geeinigt. In Teilen hat man aber die Probleme vertagt, die Schuldendebatte wird erst nach der Wahl wieder geführt, aber muss dann wieder geführt werden, und die Debatte über die Haushaltskürzungen, die ist in ein Komitee verlegt worden, das sich einigen muss. Ich begrüße jetzt Franz-Josef Leven, Direktor des Deutschen Aktieninstitutes, guten Morgen, Herr Leven!

Franz-Josef Leven: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Wir haben alle befürchtet, dass die amerikanische Schuldenkrise und besonders eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit der USA schwere Rückwirkungen auch auf die deutsche Wirtschaft haben würde. Ist denn diese Gefahr jetzt tatsächlich gebannt?

Leven: Also, ich denke, sie ist zumindestens mal vorübergehend gebannt. Man hat sich geeinigt, man hat die weitere Finanzierung der Staatsausgaben der USA sichergestellt und dadurch auch weitere Verwerfungen an den Märkten verhindert. Natürlich bleibt das Grundthema, dass die USA einer der größten Schuldner der Weltwirtschaft sind und dass dieses Schuldenproblem mal mittelfristig gelöst werden muss, noch auf der Tagesordnung, ist in einen Arbeitskreis jetzt erst mal abgeschoben worden, aber es wird uns weiter beschäftigen.

Pindur: Wie sehr sind denn überhaupt deutsche Anleger auf dem Markt der amerikanischen Staatsanleihen engagiert?

Leven: Das direkte Engagement deutscher Anleger in den USA dürfte eher beschränkt sein. Also, wenn ein deutscher Anleger US-Papiere kauft, dann sind es in der Regel Aktien bekannter US-Firmen, zum Beispiel Microsoft oder was man so kennt. Das Engagement in amerikanische Staatsanleihen dürfte eher indirekt über Aktienfonds laufen, über Versicherungen, die in Staatsanleihen investieren und so weiter. Das heißt, da sind dann die privaten Anleger auf dem Umweg über die Kapitalsammelstellen betroffen.

Pindur: Kommen wir mal weg vom Anleihenmarkt, schauen uns die Aktien an. Sie haben das gerade schon erwähnt: Hat es da bisher schon Reaktionen gegeben an den Märkten auf dieses politische Gerangel?

Leven: Es hat ja zunächst mal die fundamentalen Werte der Aktien nicht betroffen. Es hat in der letzten Woche ja schon einige Rückschläge gegeben aus Nervosität, aus, sag ich mal, Spannungen aus der Idee heraus, sich Liquidität zu beschaffen, aber eine große Nervosität vermag ich eigentlich nicht zu erkennen. Trotzdem wird heute wahrscheinlich die Börse ein Stück fester eröffnen, wäre meine Erwartung, weil halt diese Unsicherheit weg ist über die grundlegende wirtschaftliche Lage in den USA.

Pindur: Die Unsicherheit stellt wohl das größte Problem dar und hätte es wahrscheinlich auch im Falle einer Zahlungsunfähigkeit dargestellt. Glauben Sie, dass allein schon durch diese Unsicherheit die Anleger weltweit auf Distanz zu amerikanischen Papieren gehen werden?

Leven: Ich glaube, an den US-Märkten als Anlagewinkel kann man auf Dauer nicht vorbeigehen. Und es wird vielleicht zu ein wenig Vorsicht führen, es wird vielleicht zu einem Risikoaufschlag führen. Bei Geldanlagen ist es ja nicht selten die Frage, alles oder nichts, sondern meistens die Frage, wie viel Rendite für wie viel Risiko. Und es kann sein, dass die Anleger jetzt vorsichtiger geworden sind, dass ihnen das Ausmaß der US-Schulden deutlicher vor Augen geführt wurde und dass sie vielleicht mit einem kleinen Risikoaufschlag bereit sind, in die US-Märkte reinzugehen.

Pindur: Die deutschen Anleihen sind ja ein wenig auch Profiteure dieser ganzen Rangelei gewesen, denn sie sind in der letzten Woche stark gefragt gewesen.

Leven: Ja natürlich, man sucht dann auch als institutioneller Anleger natürlich nach Alternativen, und was dann an Neuanlage zu tätigen ist, wird sich in den sicheren Hafen bewegen. Das Renditerisikoprofil der US-Anleihen hat sich im Vergleich zu deutschen Anleihen in den letzten Tagen verschlechtert.

Pindur: Also noch mal hypothetisch der Fall durchgespielt: Die amerikanische Zahlungsunfähigkeit hätte aber dazu geführt, auch Ihrer Ansicht nach, dass es doch eine Schockwelle nicht nur durch die Finanzwelt gegeben hätte, sondern auch durch die Realwirtschaft?

Leven: Ja, es wäre ja keine Zahlungsunfähigkeit in dem Sinne gewesen, wie wir ihn zum Beispiel im griechischen Fall befürchten oder vielleicht auch sehen, dass die USA nicht zahlungsfähig gewesen wären aus ökonomischen Gründen. Die USA sind ja nach wie vor ein solider Schuldner. Es war ja eher ein juristisch bedingter Problemzustand, dass halt die USA aus rechtlichen Gründen nicht hätten zahlen oder hätten Kredite aufnehmen dürfen. Das ist quasi dazu benutzt worden von politischen Parteien, ihre Positionen in den Verhandlungen durchzusetzen. Man hat es mal drauf ankommen lassen. Ich habe nicht ernsthaft damit gerechnet, dass die Parteien es zum Äußersten kommen lassen würden, und ich glaube, viele Marktteilnehmer haben auch da gesagt, es wird nicht bis zum Äußersten kommen.

Pindur: Zum Schluss mal zusammenfassend: Sie raten also Anlegern im Großen und Ganzen nicht dazu, ihre Anlagestrategie jetzt grundlegend zu verändern?

Leven: Wir raten Anlegern dazu, grundsätzlich breit zu streuen. Und im Rahmen eines sogenannten Welt-Portfolios ist bei einem großen Portfolio natürlich auch die USA zu berücksichtigen. Inwiefern man jetzt da größere Risiken für die Zukunft sieht, weiß ich nicht. Vielleicht hat sogar die jetzige Diskussion dazu geführt, dass die USA Weichen stellen in eine positive Richtung. Das bleibt abzuwarten.

Pindur: Vielen Dank für diese Information und Einschätzung, Herr Leven!

Leven: Gerne!

Pindur: Franz-Josef Leven, Direktor des Deutschen Aktieninstituts im Deutschlandradio Kultur.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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