Kanadische Sängerin über "Goodnight City"

Im Wohnzimmer bei Martha Wainwright

Sängerin Martha Wainwright, aufgenommen am Rande der 63. Berlinale in Berlin
Sängerin Martha Wainwright © imago/Seeliger
Von Jutta Petermann · 09.11.2016
Ein senfgelbes Sofa steht neben dem Flügel, darunter stapeln sich Instrumentenkästen. Martha Wainwrights Wohnzimmer wirkt so wenig poliert wie die kanadische Sängerin selbst. Ihr Musik ist eng verknüpft mit ihrer Familie - auch ihr neues Album "Goodnight City".
"Ich schreibe überall, ich komponiere auf meiner Gitarre. Hier steht zwar ein Flügel, der gehörte meiner Mutter, aber darauf komponiere ich nicht. Ich sitze meist hier auf der blauen Couch, aber den Song 'So down' den habe ich direkt hier auf dem Teppich geschrieben, gleich reingeschrammelt in den roten Amplifier hier, den ich so mag. Ich kann meinen Amplifier laut aufdrehen, meine Nachbarn beschweren sich nicht, es sind chassidische Juden, für die existiere ich nicht."
Optimales Umfeld also, um künstlerischen Impulsen nachzugeben. Martha Wainwright mit verwuscheltem aschblonden Haar, in Jeans und in rot-schwarz-weiß kariertem Flanellhemd lacht verschmitzt, als sie auf dem besagten blau-rot gemusterten Teppich von ihren etwas weltabgewandten Nachbarn spricht. Ihr Wohnzimmer ist gleichzeitig auch Musikzimmer und geht mit einem Knick um die Ecke in die sonnige Küche über. Ein Ort, an dem alles zusammen kommt. Martha ist hier unterwegs in Richtung zurück in die Zukunft, familiär wie musikalisch.
Als Teenager hörte sie hier Sonic Youth, der Song "So down" sei ein bisschen von ihnen abgekupfert, lacht sie. Rock, Jazz, Musical, Indie Pop und auch elektronische Elemente - die 40-Jährige präsentiert sich stilistisch variantenreich auf "Goodnight City".

Wainwright: Als Frau nicht immer nur zurückhaltend sein

Kein Wunder, wenn die Songs in diesem bunt durcheinandergewürfelten Wohnzimmer entstanden sind. Ein senfgelbes größeres Sofa steht neben dem blauen, unter dem Flügel stapeln sich Instrumentenkästen, farbige ältere Teppiche dämpfen dann doch die Geräuschkulisse.
Nichts ist stylisch oder poliert, alles benutzt und gelebt, fast ein bisschen verwohnt. Im Grunde so, wie man Martha Wainwright auch als Performerin kennt – ohne Angst auch mal einen schrägen Ton rauszulassen, sie zeigt die Kratzer im Lack.
"Ich denke, dass die Lieder, die Worte, die ich singe, das oft einfordern, es passiert einfach. Als Frau will ich außerdem nicht immer nur zurückhaltend sein müssen oder niedlich oder so, auch wenn ich denke, das ist auch was Schönes. Aber wir alle haben alle möglichen Gefühle, die sollten ausgedrückt werden mit der Stimme und man sollte davor keine Angst haben. Wir sind eben nicht immer das, was die Leute in uns sehen möchten."
Mal Engel, mal gefallener Engel, in Marthas Stimme klingt das alles an. Gesanglich war sie immer schon wagemutig und musikalisch, nie nur Singer-Songwriterin. Doch so eklektisch wie auf "Goodnight City" aufzutreten, das ist selbst für sie couragiert.
"Vielleicht einfach, weil ich älter geworden bin und mich nicht mehr so darum schere, zu der gerade angesagten Mode zu passen. Ein anderer Grund ist auch, dass die Hälfte der Songs von anderen geschrieben wurde, das bringt deren jeweiligen Sound mit rein und das wollte ich auch so. Mein Bruder Rufus Wainwright hat einen Song über meinen Sohn Francis geschrieben und er spielt Piano auf dem Album und der klingt eben total nach ihm. Oder Merrill Garbus von tune-yards, eine unglaubliche Künstlerin, sie hat einen Song beigesteuert mit elektronischen Elementen, die von ihr programmiert wurden."

Michael Ondaatje lieferte Text für neues Album

Martha Wainwright arbeitet oft mit prominenten und renommierten Persönlichkeiten zusammen. Diesmal u.a. auch mit Glen Hansard oder Beth Orton. Aber wie kam es, dass sogar Michael Ondaatje, der Autor des preisgekrönten Buches "Der englische Patient" für sie getextet hat?
"Michael Ondaatje ist tatsächlich ein großer Fan von mir, er war schon ein Fan meiner Mutter und meiner Tante, dem Folkduo Kate & Anna McGarrigle. Er hat in zweien seiner Bücher aus ihren Songtexten zitiert. Etwa vor zehn Jahren kam er zu einem Konzert von mir, schrieb mir danach einen Brief und hielt über die Jahre den Kontakt. Und als es darum ging Leute zu finden, die für mich Songs schreiben könnten, stand er natürlich auf der Liste. Und dann hat Thomas Bartlett, der zweite Produzent Melodie und Musik zu seinem Text komponiert."
Der andere Produzent ist Brad Albetta, Marthas Ehemann. Familie gehört für die 40-Jährige fast automatisch zum Musikmachen dazu, das war seit ihrer Geburt so und das ist seit der Geburt ihrer eigenen Kinder nicht anders geworden.
Songs über ihre Ängste um die Kinder hat sie geschrieben, aber auch Liebeslieder für sie. Der kleine Francis hat auch den Anstoß gegeben zum Albumtitel.
"Francis ist Fan etwas kitschiger, amerikanischer Kinderbücher, eines heißt 'Good Night New York City'. Er fragt aber immer, kann ich 'Good Night City' lesen und ich fand das klingt sehr schön und es spiegelt gleichzeitig meine Abkehr vom Leben in der großen Stadt, von meiner Jugend. Auf dem Albumcover sind zwei Fotos von mir übereinander gelegt. Auf einem schaue ich nach vorne und auf einem schaue ich nach hinten, es ist ein Abschied von der Vergangenheit und eine Öffnung hin zur Zukunft."
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