Kampf um den Tasmanischen Teufel

Von Monika Seynsche · 10.01.2010
Tasmanien wird von unzähligen Beuteltieren bewohnt - darunter ist der Tasmanische Teufel. Schon seit einigen Jahren werden diese kleinen Raubtiere von einem seltsamen Tumor dahingerafft. Und das könnte Folgen für das gesamte Ökosystem der Insel haben.
Nick Mooney deutet auf den steilen Hang hinter ihm. Ein lichter Wald von Eukalyptusbäumen zieht sich hinauf bis zu einem felsigen Sattel.

"”We are going to check some traps. I have a line of traps in the bush here. If you come this way so I have some traps set in that saddle and we go around those.”"

Er habe einige Fallen dort oben aufgestellt, erzählt der Wildtierbiologe vom Tasmanischen Umweltamt. In den Fallen fangen Nick Mooney und seine Kollegen Teufel, um sie zu untersuchen und mit einem Sender auszustatten.

Seit 13 Jahren breitet sich unter den Tasmanischen Teufeln ein merkwürdiger Gesichtstumor aus. Ein ansteckender Krebs, der wie ein Virus von Tier zu Tier springt. Bislang gibt es keine Überlebende. Nick Mooney bückt sich zu einem hüftdicken Plastikzylinder hinunter. Vorsichtig öffnet er eine weiße Klappe.

In der Plastikfalle sitzt ein tasmanischer Teufel: schwarzes Fell mit einem weißen Querstreifen auf der Brust und der Statur eines kleinen, stämmigen Hundes. Die Krallen vorgestreckt taxiert das Tier Mooney mit weit geöffneten schwarzen Augen und einer nach vorn gereckten Nase. Die Schnurrbarthaare zittern. Sie sehe gut aus, sagt Mooney und richtet sich erleichtert auf.

"Hier in den von der Krankheit befallenen Gebieten zu arbeiten, macht nicht viel Spaß. Manchmal öffnet man so eine Falle und da sitzt ein Teufel mit einem riesigen Tumor, der aussieht wie eine Pizza. Da ist es schön, hin und wieder ein gesundes Tier zu sehen."

Etwa eine halbe Autostunde vom Wald entfernt am Stadtrand von Hobart hängt das Poster eines Tasmanischen Teufels an der Wand eines schmalen Büros. Auf dem Tisch darunter häufen sich Landkarten und Papierstapel. Hamish McCallum schiebt einen von ihnen beiseite und kratzt sich am rotblonden Bart.

"Die Krankheit tauchte zum ersten Mal 1996 im Nordosten der Insel auf. Dort hat sie mittlerweile über 90 Prozent aller Teufel getötet. In ganz Tasmanien ist die Population um immerhin 60 Prozent eingebrochen. Und die Krankheit breitet sich immer weiter nach Westen aus."

Der Professor für Wildtierforschung an der Universität von Tasmanien leitet das Programm zur Rettung des Tasmanischen Teufels.

"In erster Linie versuchen wir, gesunde Tiere in Sicherheit zu bringen, zum Beispiel in große Freilandgehege und eventuell später auch auf Inseln vor der Küste Tasmaniens. Und wir schicken sie in Zoos und Wildparks, um sie dort zu züchten. Außerdem denken wir darüber nach, Zäune aufzustellen, um die noch gesunden Populationen auf Tasmanien zu schützen. Wir versuchen also, die verbliebenen Tiere von der Krankheit zu trennen."

Aber die Krankheit zieht noch ein ganz anderes Problem nach sich. Aus Europa eingeschleppte Füchse haben auf dem Australischen Festland schon Hunderte von Tierarten ausgerottet. Auf Tasmanien dagegen haben die Füchse nie Fuß fassen können. Der Wildtierbiologe Nick Mooney vermutet, dass dafür die Tasmanischen Teufel gesorgt haben.

"Es wäre sehr schwer für einen Fuchs, seine Jungen aufzuziehen, während überall Teufel herumlaufen. Tasmanische Teufel sind extrem neugierig, kein Fuchsbau wäre vor ihnen sicher. Sie würden sich über die Nahrungsreste und über die Jungfüchse hermachen. Und Teufel sind stärker als Füchse, sie wären also im Zweifelsfall überlegen. Aber diese Krankheit verändert die Machtverhältnisse."

Bislang leben nur sehr wenige Füchse auf Tasmanien. Der Biologe fürchtet aber, dass der Gesichtstumor die Tasmanischen Teufel so sehr zurückdrängt, dass die Füchse Gelegenheit bekommen sich auszubreiten. Das hätte gravierende Folgen für das gesamte Ökosystem der Insel. Nicht zuletzt für ein hellbraunes Fellknäuel mit weißen Punkten, dass sich in den hintersten Winkel einer von Nick Mooneys Fallen verkrochen hat.

Das Tier starrt den Forscher mit großen braunen Augen an. Kaum größer als ein Kaninchen, mit einer spitzen Schnauze, kurzen, krallenbehafteten Beinen und einem langen Schwanz: ein Tüpfelbeutelmarder. Auf dem australischen Festland haben Millionen von ihnen gelebt – bis die Füchse kamen und sie jagten. Heute kommen Tüpfelbeutelmarder nur noch auf Tasmanien vor. Falls der Rotfuchs die Insel übernimmt, werden sie vermutlich aussterben. Und nicht nur sie.

"Ganz oben auf der Liste stehen neben dem Tüpfelbeutelmarder das tasmanische Bürstenkänguru, das sich von Pilzen ernährt, der Tasmanische Langnasenbeutler – ein kleiner Insektenfresser, der Rotbauchfilander – ein kleines känguruartiges Tier und das flugunfähige Tasmanische Pfuhlhuhn. Und von diesen Arten hängen wieder andere Arten ab, die durch den Verlust sehr selten würden und unter Umständen ebenfalls aussterben könnten."

Eine Kettenreaktion mit unabsehbaren Folgen. Deswegen versuchen die Forscher, die Füchse mit vergifteten Ködern zurückzudrängen und von den Tieren der Insel fernzuhalten. Sie hoffen darauf, dass irgendwann der Krebs besiegt ist und der Tasmanische Teufel selbst diese Aufgabe wieder übernehmen kann.

Etwas abseits vom Wald ist ein Teufelmännchen ganz und gar nicht begeistert, als Nick Mooney sich vorsichtig nähert.

Der verheerende Krebs hat das Ansehen der teuflisch schreienden Tiere enorm steigen lassen. Ein Millionenschweres Rettungsprogramm wurde aufgelegt und jeder Souvenirladen der Insel wirbt mit kleinen Stoffteufeln. Nick Mooney allerdings traut dem plötzlichen Interesse nicht.

"Tasmanische Teufel hatten bis vor kurzem einen sehr schlechten Ruf. Die meisten Leute hielten sie für dreckige, stinkende und verabscheuungswürdige Kreaturen. Daher irritiert mich dieser neue Enthusiasmus für den Schutz der Teufel.

Ich fürchte, das ist nur eine Modeerscheinung. Deswegen müssen wir uns beeilen und so viel für den Teufel tun wie wir können, bevor die Menschen ihr Interesse verlieren. Denn sollten sich die Teufel erholen, wird auch der alte Hass auf diese Tiere wieder hervorbrechen."

Eine gute Nachricht zumindest gibt es: den äußersten Nordwesten Tasmaniens hat der Krebs noch nicht erreicht. Dort sind die Teufel gesund. Wie lange noch, weiß niemand.