Kampf gegen Korruption in Rumänien

"Leider werden wir nicht überflüssig"

A Romanian man holding a placard that reads 'I WANT A FUTURE FOR MY COUNTRY' shouts slogans against the political establishment during a rally in reaction to the nightclub fire accident at University Plaza in downtown Bucharest, Romania, 06 November 2015.
Ein Mann demonstriert Anfang November in Bukarest. © dpa / Robert Ghement
Von Manfred Götzke · 11.11.2015
Die Brandkatastrophe in einem Bukarester Nachtclub mit fast 50 Toten deutet auf die Zustände in vielen rumänischen Behörden: Dort sollen die Baubehörden bestochen worden sein. Regierungschef Ponta trat zurück. Dies ist auch ein Erfolg der Antikorruptionsaktivistin Laura Codurta Kövesi.
Am Boulevard Stirbei Voda, im Zentrum von Bukarest stehen sich Kameramänner und Journalisten die Füße in den Bauch. Hier, liegt die Antikorruptionsbehörde, die die Politiker so fürchten. Vor dem Haupteingang sirren die Übertragungswagen, die Journalisten lassen sich die Herbstsonne ins Gesicht scheinen. Sie warten heute auf eine ehemalige Tourismusministerin. Gegen sie wird wegen Vorteilsnahme ermittelt.
Drinnen hinter zwei dicken lederbespannten Türen liegt das Büro von Rumäniens oberster Korruptionsbekämpferin, Laura Codruta Kövesi. Was hier besprochen wird, soll nicht draußen dringen. Schließlich ermitteln sie hier jeden Tag gegen die Spitzen des Staates.
"Wir haben in den letzten zehn Jahren bewiesen, dass wir unerbittlich sind – aber unabhängig arbeiten. Wir haben gegen Politiker aus allen Parteien, in allen Regionen ermittelt."
Auf ihrem simplen Holzschreibtisch steht nichts außer Monitor und Drucker. Die kahlen Wände ziert nur ein großes Logo der Behörde: Eine Justitia mit Waage – und Schwert.
"Ja, wir arbeiten hier sehr effizient. 90 Prozent der Politiker, die wir anklagen, werden später auch verurteilt. Das liegt weit über dem europäischen Durchschnitt."
Gründung der DNA sollte Rumänien fit für die EU machen
2002 hat die damalige Justizministerin Monica Macovei die Behörde gegründet, um die Korruption an der Staatsspitze zu bekämpfen – und Rumänien fit für die EU zu machen.
"Ich glaube so wie wir hier arbeiten, sind wir ein Modell für Europa: wir haben hier Staatsanwälte und Polizisten, die mir direkt unterstehen, nicht dem Innenminister - der ja selbst Politiker ist. Das hilft uns sehr."
Die DNA ermittelt ausschließlich gegen Politiker und hohe Beamte. Damit haben wir hier leider genug zu tun, sagt Laura Kövesi fast resigniert. Die 42-jährige Spitzenjuristin mit schulterlangen, schwarzen Haaren beugt sich aus ihrem Sessel vor:
"Leider werden wir nicht überflüssig, im Gegenteil: Die Hälfte unserer Bürgermeister wurde von uns vorgeladen, sind angeklagt oder verurteilt – und trotzdem lassen sich die anderen weiter bestechen."
Tausende gehen gegen die Korruption auf die Straße
"Coruptia ucide, coruptia ucide." – "Korruption tötet, Korruption tötet", skandieren Tausende Demonstranten einen guten Kilometer entfernt von der Behörde. Und das seit Tagen. Nach dem Rücktritt des rumänischen Premierministers Victor Ponta kommen sie jeden Abend hierher. Ein Demonstrant sagt:
"Diese Rücktritte sind nur Fassade. Wir brauchen einen kompletten Neuanfang. Wir müssen Leute wählen können, die uns repräsentieren. Die nicht nur in ihre eigenen Taschen wirtschaften."
Der Geschichtsstudent Alexandru Nica ist zum dritten Mal auf dem Universitätsplatz, er ist mit seinen Kommilitonen gekommen. "DNA, bring sie alle hinter Gitter!", steht auf Nicas Banner. Die ganzen Hoffnungen der Demonstranten liegen auf der Anti-Korruptionsbehörde. Und die liefert – spätestens seit 2013, seit Kövesi die DNA leitet. Die Juristin geht zu ihrem Rechner und druckt die neuesten Ermittlungserfolge aus. Bis Oktober dieses Jahres haben sie so viele Politiker angeklagt wie in keinem anderen Jahr zuvor.
"Also allein bis Oktober haben wir hier 14 Parlamentarier, vier Minister, zehn Bürgermeister von Großstädten und neun Landräte angeklagt."
Mit dem Rücktritt von Ponta könnte sich das Blatt wenden
Ihren größten Coup hat sie noch nicht auf der Liste vermerkt, sagt Kövesi. Victor Ponta, den amtierenden Ministerpräsidenten. Im September hat ihre Behörde ihn wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Dokumentenfälschung angeklagt. So etwas hat es weder in Rumänien noch in irgend einem anderen europäischen Land zuvor gegeben, erklärt Kövesi:
"Das war trotzdem eine Ermittlung wie jede andere. Wir wurden auch immer wieder von Ponta-Lager angegriffen. Trotzdem haben wir die Ermittlungen schnell und effizient abgeschlossen – und Ponta angeklagt. Warten wir ab, wie das Gericht entscheidet."
Die Ermittlungen im Sommer, die Anklage im September – nichts davon konnte den Regierungschef damals zum Rücktritt bewegen. Erst der Protest der Straße hat Victor Ponta schließlich besiegt.
Kövesi will das – ganz Beamtin – nicht kommentieren.
"Ich kann dazu nur sagen, dass zum Teil sogar verurteilte Politiker nicht zurücktreten. Das ist nicht in Ordnung – und die Gesetze müssen geändert werden. Wir haben hier Abgeordnete, die wegen Korruption verurteilt sind und im Parlament verhindern, dass genau diese Gesetze geändert werden."
Mit dem Rücktritt Pontas könnte sich das Blatt wenden – die Demonstranten, die Abend für Abend auf den Straßen Bukarests protestieren, fordern Gesetzesreformen und die konsequente Strafverfolgung. Auch dazu sagt Laura Codurta Kövesi ganz diplomatisch nichts und zieht nur ihre dunklen Augenbrauen hoch.
"I can’t comment this."
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