Kameras auf dem Kutter

Von Almuth Knigge · 12.05.2011
Laut einer Studie soll der Fischfang an der Ostsee für den Tod tausender Seevögel verantwortlich sein. Die Fischer selbst bezweifeln das, fühlen sich als Opfer von Wissenschaft und Politik. Mit Kameras auf ihren Booten wollen einige nun Klarheit schaffen.
Da, wo die Ostsee am süßesten ist, wo das Salzwasser der Ostsee sich mit dem Süßwasser der Peene vermischt, da liegt Freestland. Frische Luft kommt von der See, Geräusche machen höchstens die zahlreichen Vögel, die in der Boddenlandschaft rasten und ihren Lebensraum haben, Tauch-und Meeresenten, Lappentaucher, Säger oder Eisenten. Im Freester Hafen liegen die Fischerkutter am Kai und machen die Küstenromantik vollkommen. Es ist zwei Uhr in der Nacht, die Sterne zwinkern und zum letzten Mal in dieser Saison geht Andreas Lüdke auf Heringsfang

"Richtung Karlshagen, rauf auf die Ostsee fahren wir hoch Insel Ruden, Peenestrom hier hoch, ungefähr eine Stunde und 20 Minuten."

Zeit genug, um zu reden.

"So gut, dann wollen wir jetzt mal los.."

… über Seevögel, Wissenschaftler, Umweltverbände, das Image der Küstenfischer.

"Den Fischer kann man ruhig erschlagen. Manchmal wären wir lieber eine Ente, dann hätten wir mehr Rechte in Deutschland."

Und warum Andreas Lüdke seit einiger Zeit auf seinem Kutter von drei Kameras beobachtet wird.

"Die hat den Holer, die hat den Tisch und die Hocke und die da hat den anderen Bereich hier vorne."

Der Computer, den die Wissenschaftler vom WWF eingebaut und den die Handelskette Edeka bezahlt hat, steht in der hintersten Ecke der winzigen Kajüte.

"Ich hab ihn in den Schrank eingesperrt, ich will ihn nicht sehen. Ich habe da ja doch keinen Einfluss drauf."

"Die erste Zeit war es ein bisschen komisch aber wir kriegen es ja anders nicht bewiesen, das Gegenteil."

Fischer Andreas Lüdke, ein Mann wie ein Baum, ist Stellnetzfischer - seit 30 Jahren. Diese an sich nachhaltige Fischerei steht im Verdacht, für den Tod von zigtausenden von Seevögeln verantwortlich zu sein. Das zumindest besagt eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz. Die Tiere, so das Ergebnis, verfangen sich bei der Nahrungssuche in den feinen Maschen der Stellnetze und ertrinken. Die Fischer bezweifeln das.

"Ich kann ja bloß für mich sprechen, dieses Jahr hatten wir bis jetzt 18 Stück, im letzten Jahr waren es vier. Das schwankt immer. Dass wir gar keine haben, haben wir ja nicht gesagt - aber ich würde sagen, ein Viertel von dem, was der gesagt hat – und selbst das... wenn das offen war, dann haben wir so gut wie gar keine Beifänge."

Deshalb hat er sich auf das WWF-Projekt eingelassen, das ihn jetzt zwei Jahre bei der Arbeit filmt. Mehr oder weniger freiwillig.
"Wenn wir diesem Doktor die Kameras in sein Büro einbauen würden, der würde sagen, das verstößt gegen den Datenschutz."

Die Fischer sehen sich seit Jahren als Opfer von Wissenschaft und Politik.

"Die vertreten ihre Meinung und die ist richtig, das ist dann wissenschaftlich fundiert, wir sind ja bloß Laien, die das hier schon 30 Jahre machen."

Michael Schütt, der Geschäftsführer der Genossenschaft, hat die Studie ganz genau gelesen. Alle Zahlen basieren nur auf einem "Könnte eventuell vielleicht", schimpft er.

"Besonders die Eisente und die Bergente sind bedroht, ihre Verluste sind bestandsgefährdend – und wenn ich dann lese, in vier Jahren wurden 40 Eisenten gefangen bei einem Bestand von 150.000 bis 200.000, dann geht mir das Messer in der Tasche auf."