"Jungs bleiben Jungs"

Gesehen von Hannelore Heider · 30.06.2010
Hervé und sein Freund Camel haben nur ein Ziel: Endlich ein Mädchen aufreißen! Der Weg dahin ist mit Peinlichkeiten gepflastert. Der Film nimmt die Nöte und Ängste der Jugendlichen ernst, bietet dennoch vergnügliche Unterhaltung.
Dass diese in Frankreich beim Publikum äußerst erfolgreiche Pubertätskomödie für den deutschen Kinoeinsatz ab 12 Jahren freigegeben wurde, ist eine angenehme Überraschung, denn sie setzt die Nöte und Qualen dieses ganz besonderen Lebensabschnittes so direkt und ungeschminkt ins Bild, dass moralische Entrüstung auch nicht sonderlich erstaunlich erstaunt hätte. Aber genau das ist ihre große Stärke, nicht nur für die auf den ersten Blick auszumachende Zielgruppe der 12- bis 16-Jährigen, sondern auch für alle, die mit pubertierenden Jugendlichen als Erzieher zu tun haben.

Im Mittelpunkt dieses Kosmos stehen die Schuljungen Hervé (Vincent Lacoste) und sein arabischstämmiger Freund Camel (Anthony Sonigo). Zu ihrem großen Kummer haben sie noch kein Mädchen für sich interessieren können: Neidvoll beobachten sie den Liebespärchen-Reigen auf dem Schulhof und rätseln über Kusstechniken und Flirtstategien.

Ihre sexuellen Wünsche erfüllen sie sich mit Hilfe alter Versandhauskataloge, die noch keine Retusche an den entscheidenden Körperteilen vornahmen. Das ist sehr komisch anzusehen, aber die Nöte und Qualen dieses Alters werden dabei durchaus ernst genommen. Denn wenn der Körper nicht so aussieht, wie es dem propagierten Idealbild entspricht und das Verhalten ganz andere Resultate zeitigt, als erhofft, geht das schwer ans Selbstwertgefühl und produziert genau die ruppigen, unbeherrschten Reaktionen, von denen Eltern und Lehrer ein Lied singen können.

Anders als in den deutschen Kinder- und Jugendfilmen sind die Erwachsenen in Riad Sattoufs Debütfilm keine milden Dulder. Sie bieten ein durchaus realistisches und damit problematisches Bild der allgemeinen Hilflosigkeit gegenüber dem Phänomen Pubertät.

So versagt Hervés Mutter (Noémie Lvovsky) mit ihrer ironischen Attitüde ebenso wie Lehrer, die mit müder Ignoranz einfach auf Zeit setzen. Pubertierende Jünglinge sind für diesen Abschnitt ihrer Entwicklung wohl wirklich unfähig zu sozialem Verhalten und schulischer Höchstleistung. Soziologen wissen das, Eltern könnten sich mit diesem so vergnüglichen wie nachdenklich stimmenden, von den jungen Darstellern absolut authentisch gestalteten Schulbeispiel im Kino wenigstens innerlich ein bisschen ausrüsten.

Frankreich 2009. Regie: Riad Sattouf. Darsteller: Vincent Lacoste, Anthony Sonigo, Alive Trémolière, Noémie Lvovsky, Valeria Golino. 88 Minuten, ab 12 Jahren

Filmhomepage Jungs bleiben Jungs