Junge Spanier in Niedersachsen

Hasta la vista?

Die Spanier Daniel Marín Carmona (l) und Silvia Gómez Bernal blicken in einer Werkshalle der Firma Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH in Emsbüren (Landkreis Emsland) in ein Infoblatt. Im Kampf gegen den Fachkräftemangel startet das Wirtschaftsbündnis Ems-Achse eine internationale Ausbildungsinitiative.
Junge Spanier starten ihr Arbeitsleben im Emsland. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Michael Frantzen · 28.10.2015
Im Mai 2014 hat der Länderreport über die Ankunft junger Spanier in Deutschland berichtet. Die jungen Menschen waren auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Einen Ausbildungsplatz haben sie alle in Emden gefunden. Aber wollen auch weiterhin hier arbeiten? Wie fühlen sie sich nach einem Jahr?
Jorge: "Wirtschaftsdienst. Wirtschaftsdienst?! Ya no hemos encontrado una traducción perfecta."
Schon wieder eines dieser komischen Wort-Ungetüme! Jorge Mesa Marero kratzt sich an der Stirn. Da hilft nur sein deutsch-spanisches Wörterbuch. Das, meint der 25-jährige Spanier an diesem trüben Herbsttag, ist selbst nach zwei Jahren in "Alemania", in Deutschland, immer noch unverzichtbar.
Jorge: "La próxima semana empezamos con el tema de: Arbeiten im Verkauf."
Nächste Woche ist "Arbeiten im Verkauf" an der Reihe – in der Berufsschule von Emden – der Stadt hoch im Norden, von der ist es immer heißt, sie sei das Tor zur Welt – wegen des Hafens. Es ist Donnerstag, kurz nach fünf. Draußen regnet es Bindfäden, drinnen, in Jorges Wohnküche, blättert der Hotel-Auszubildende in seinem Lehrbuch. Eigentlich wollte er noch ein paar Sachen nacharbeiten, aber irgendwie ist er zu geschafft. Der Unterricht an der Berufsschule heute hat ihn ziemlich geschlaucht. Der Mann, der lieber Spanisch redet, wenn er sich "vernünftig ausdrücken" will, wie er sagt, packt den dicken Wälzer zur Seite. Genug ist genug.
Jorge: "Ich habe schon ein bisschen Angst vor der Abschlussprüfung nächstes Jahr. Am meisten wegen der Sprache. Der Stoff an sich ist nicht das Thema. Aber es dauert, bis ich alles vom Deutschen ins Spanische übersetzt habe. Das Sprachproblem bereitet mir am meisten Sorgen."
Sorgen ist Jorge gewöhnt. Er schaut zu Beatriz, seiner Freundin, die mit ihm zusammen die Ausbildung macht. Es ist nicht unbedingt alles rund gelaufen bei ihrem Versuch, in den letzten zwei Jahren in der norddeutschen Provinz Fuß zu fassen. Ihr erstes Hotel entpuppte sich als Flop. Viel Arbeit, schlechtes Arbeitsklima – und die Chefs?! Auch nicht gerade Sympathen. Irgendwann hatten die beiden genug – und kündigten. Schließlich gibt es in Emden noch andere Hotels. Das "Upstalboom" beispielsweise. Beatriz – eine lebendige Frau mit Sinn für Humor - strahlt. Der Wechsel hat sich gelohnt: Gutes Klima, angenehmere Arbeitszeiten, auch mehr Azubis: 12 Deutsche und drei Spanier.
Beatriz: "Wie soll ich mich jetzt ausdrücken: Ich bin sehr dankbar, dass Deutschland uns die Chance gegeben hat hier arbeiten zu können. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Nur: Um ehrlich zu sein: Unser Alltag in Emden ist ziemlich eintönig. Es ist so kalt hier. Und langweilig. Richtige Freunde haben wir auch keine. Unsere Kollegen im Hotel sind zwar alle nett, aber mehr auch nicht. Deshalb gehen wir in unserer Freizeit auch nicht groß aus. Unser Leben besteht fast nur aus Arbeit und zu Hause abhängen. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Aber so ist es nun mal."
Besuch aus Spanien kommt selten
Besuch aus Spanien haben die beiden selten. Vor drei Monaten war Jorges Mutter aus Teneriffa da – das war es aber auch schon. Sie ist arbeitslos, genau wie die Eltern von Beatriz. Noch immer verharrt die Arbeitslosigkeit auf der Kanaren-Insel auf hohem Niveau – auch wenn es mit der Wirtschaft in Spanien langsam wieder bergauf geht.
Beatriz: "Kann schon sein, dass sich die wirtschaftliche Situation in Spanien etwas verbessert hat, aber so richtig kann ich es nicht glauben. Schau dir nur den spanischen Mindestlohn an: Meines Wissens sind es 650 Euro im Monat. Das ist doch ein Witz. Selbst als Auszubildende verdiene ich mit meinen rund 800 Euro in Deutschland mehr. Deshalb wollen wir auch auf jeden Fall nach der Ausbildung hier bleiben. Du musst dein Leben selbst in die Hand nehmen."
Meint Beatriz energisch – ehe sie sich die Schöpfkelle schnappt und die "Potaje" umrührt. Die Gemüsesuppe ist ein typisches Gericht auf Teneriffa. Deutsche Hausmannskost ist nicht so ihres. Aber zumindest bei der Uhrzeit haben sich Beatriz und ihr Freund heimischen Gepflogenheiten angepasst. Gegessen wird spätestens um acht – und nicht wie in Spanien üblich um halb zehn oder zehn. Abendbrot halt. Auch eines dieser ulkigen Wörter, die bei denen Jorge anfangs nur Bahnhof verstand.
Jorge: "Irgendwann habe ich auch endlich kapiert, was 'Feierabend' bedeutet. Das Wort existiert ja nicht im Spanischen. Anfangs habe ich mich immer gefragt: Was wollen meine Kollegen denn heute Abend feiern? Bis ich geschnallt habe: Das heißt einfach, wir können nach Hause gehen. Inzwischen benutzen Beatriz und ich das Wort ständig, selbst wenn wir Spanisch reden. Es gehört quasi zu unserem Grundwortschatz. Wir sagen immer: Ah! Feierabend!"
Beatriz lacht laut: "Ah! Feierabend!"
Feierabend müssten langsam eigentlich auch zwei Landsleute von Jorge haben – einmal die Ems runter, in Werpeloh, einem Kaff mit nicht viel mehr als einer Bäckerei und einem Kriegerdenkmal.
Maria Konken: "Ich guck mal eben, ob die beiden auch schon da sind."
Sind sie noch nicht. Die Arbeit auf der Großbaustelle hat länger gedauert, ergo: verspäten sich Xavi und Jose etwas. Erklärt Maria Konken, ihre Chefin.
Maria Konken: "Wir haben ein Elektrogeschäft. Sanitär- und Heizung."
Maria Konken hat nicht nur ein Elektrogeschäft, sondern zuweilen auch ein Problem mit ihren beiden Spaniern.
Maria Konken: "Mit dem Aussprechen. Rose sagen die ja. Das wird ja ganz anders geschrieben, näh?! Und der andere? Wie heißt der noch?"
Xavi – mit x. Nicht ganz so einfach, das mit der Aussprache. Der Job als Elektriker auch nicht.
Heinz Konken: "Stemmarbeiten; Leitungen verlegen; die Installationen da entsprechend mit Kabeln zusammenführen."
Die Untermieter wohnen im Kinderzimmer
Zwanzig Angestellte arbeiten für Heinz Konken, davon vier Azubis. Ein Familienbetrieb: Der Sohn ist Juniorchef, die Tochter macht die Buchhaltung - unterstützt von der Mutter.
Maria Konken: "Dies is mein Haus. Mein Mann is hier eingeheiratet."
In den umgebauten Bauernhof, der von vergangenen Zeiten kündet, als in Werpeloh noch fast alle von der Landwirtschaft lebten. Das ist längst vorbei. Kühe und Mähdrescher haben auf Konkens Hof Platz gemacht für Lagerhallen und einen ausgewachsenen Fuhrpark. Geräumig ist es immer noch. Oben, im ersten Stock, stehen die alten Kinderzimmer leer. Es sei denn, Konkens haben Untermieter - spanische.
Maria Konken: "Und dann hat der eine hier geschlafen. Auf dieser Seite. Und dann hatten die hier nen Bad. (macht Tür auf) Mit Dusche. So ging das ganz gut. Nur eben: Immer durch die Küche laufen – das war ja für diese kurze Zeit gut, aber so was kann man nich immer machen."
Inzwischen sind die zwei Untermieter ins Nachbarhaus gezogen. Ist besser so. Für Konkens. Und die zwei spanischen Glücksritter mit dem für norddeutsche Zungen so schwer aussprechbaren Namen.
Heinz Konken: "Hier: Der...ähm, Max?!"
Max: "Ja."
Heinz Konken: "Der Rabi – der muss doch hier sein, näh?!"
Max: "Ja. Der is hier."
Autor: "Hallo."
Xavi: "Hallo."
"Ich bin Michael vom Deutschlandradio."
"Ich bin Xavi."
"Ich bin José."
José und Xavi sehen einigermaßen geschafft aus. Kein Wunder. Seit dem frühen Morgen sind sie auf den Beinen, fast den ganzen Tag haben sie Steckdosen installiert. Umso mehr freuen sie sich auf den: Feier-Abend.
Heinz Konken: "Habt ihr eure Bude aufgeräumt? (Lachen)
Xavi: "Ja."
Über seinem Bett hängt die Spanienflagge
José: "Das ist die Wohnzimmer."
Drei Plastikstühle, ein Tisch, ein Kasten Bier: Viel mehr ist nicht. Neben der kleinen Küche und den zwei Schlafzimmern. Rechts schläft José, links Xavi. Über seinem Bett hängt die Spanien-Flagge. Der 27jährige grinst. Mit der Flagge hat es eine besondere Bewandtnis. Es ist nicht die offizielle, sondern die der Republikaner – sprich derjenigen, die den Rücktritt des spanischen Königs wollen. Die Feinheiten der spanischen Innenpolitik – damit kann Xavi in den Tiefen der niedersächsischen Provinz niemanden kommen. Gibt ja auch Wichtigeres. Selbst für Xavi: Vor allem, daß er voran kommt mit seiner Ausbildung. Genau wie Beatriz und Jorge hat der schlaksige Typ aus Zentralspanien schon einmal seine Ausbildungsstelle gewechselt, bevor er zu den Konkens kam.
Xavi: "Der Job hier gefällt mir weit aus mehr. Bei den Konkens herrscht eine viel angenehmere Atmosphäre als an unserer alten Arbeitsstelle. Da sind wir nur ausgebeutet worden. Wir mussten ständig Überstunden machen. Unbezahlt natürlich. Irgendwann hat der Laden Insolvenz gemeldet. Keine Ahnung wie es denen jetzt geht. Wir hatten einfach etwas Pech."
Ziemlich viel Pech – ergänzt Xavis Mitstreiter Josè. Der jüngere der zwei hat beim selben Unternehmen seine Ausbildung angefangen – und abgebrochen.
José: "Du bist weg von zu Hause, deiner Heimat. Und das einzige, was du von morgens bis abends tust, ist arbeiten. Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das war ziemlich schlimm. Es hat sich auch niemand im Betrieb richtig um uns gekümmert. Das mit der Ausbildung war ein Witz. Nach zwei Jahren hatten Xavi und ich dermaßen die Nase voll, dass wir uns gesagt haben: Lass uns etwas Neues suchen!"
Geholfen bei der Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz hat José und Xavi die Ems-Achse, ein Zusammenschluss von Kommunen, Unternehmen und Bildungseinrichtungen entlang der Ems, die 2012 die "deutsch-spanische Ausbildungsinitiative" ins Leben gerufen hat. Denn eines war auch klar: Zurück nach Spanien wollte keiner der beiden. Dann lieber Werpeloh. Trotz allem.
Xavi: "Es gibt Schützenfest und Kirmes. Aber ansonsten: Ist hier der Hund begraben. Du kannst wenig unternehmen in deiner Freizeit. Wenn du feiern willst, musst du mit dem Auto irgendwo hinfahren. Das ist der Nachteil."
Kurz vor Weihnachten will Xavis Freundin ihn aus Spanien besuchen kommen. Endlich. Immer nur Skypen und Text-Nachrichten schicken – auf Dauer ist das kein Zustand. Bis dahin werden Xavi und José das tun, was sie schon die letzten zweieinhalb Jahre getan haben: Viel arbeiten. Und sich Gedanken machen, wie es weiter gehen soll – nach der Ausbildung. José hat schon eine Idee.
José: "Im Moment würde ich sagen: Ich mache die Ausbildung zu Ende und bleibe dann ein paar Jahre in Deutschland. Drei, vier, fünf Jahre. Vielleicht hat sich bis dahin ja die wirtschaftliche Situation in Spanien verbessert. Das ist mein derzeitiger Plan. Aber wer weiß: Wenn ich einen Bomben-Job in Deutschland finde, könnte ich mir auch vorstellen ganz zu bleiben."
Fachkräftemangel in der Provinz
Josés Chef dürfte es gerne hören. Wenn es nach Heinz Konken ginge, könnten "seine" zwei Spanier nach der Ausbildung im Betrieb bleiben. Gut qualifizierte Elektriker in einer ländlichen Region wie dem Emsland zu finden ist nicht einfach. Wegen des Fachkräftemangels, erzählt Konken in seinem Büro, das von viel Arbeit und Sinn für Ordnung kündet.
Heinz Konken: "Einfach so Auszubildende zu kriegen is für unsere Handwerksbetriebe schwierig. Denn da is die Industrie einfach...die bieten mehr Geld, die suchen sich die besten Schüler aus. So! Und das, was über bleibt, is dann für die Handwerker. Und alle kann man se dann auch nich gebrauchen. Wir sind jetzt auch in technische Berufe, wo man auch nen bisschen lesen, schreiben und auch rechnen können muss. Und da fängt es an zu hapern. Dass man wirklich keine Auszubildende bekommt."
Der Fachkräftemangel – er war einer der Hauptgründe, warum die Ems-Achse vor drei Jahren die "Internationale Ausbildungsinitiative" ins Leben rief. Allein im Emsland sind in den letzten Jahren Hunderte Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben. Eine No-Name-Firma wie Konkens – das zieht immer weniger. Hinzu kommt der demographische Wandel. Aufgrund des Bevölkerungsrückgangs werden bis 2025 zwischen Ostfriesland und der Grafschaft Bentheim 35.000 Fachkräfte fehlen. Die jungen Spanier kommen da wie gerufen.
Anneliese Hanelt: "Als Hotel-Fachleute. Als Köche. Als Anlagen-Mechaniker. Als KFZ-Mechatroniker. Als Elektriker."
Seit gut zwei Jahren kümmert sich Anneliese Hanelt bei der Ems-Achse um die jungen Spanier. Ihr Büro ist in Papenburg, im einzigen Hochhaus weit und breit, mitten im Zentrum. Unten verbreiten Kanäle und diverse alte Segelschiffe niederländisches Flair, oben, von Hanelts nicht gerade klein bemessenem Arbeitszimmer, fällt der Blick über die Dächer der Kreisstadt. Ziemlich idyllisch. Doch die gelernte Spanisch- und Englisch-Übersetzerin hat wenig davon. Oft ist sie auf Achse: Einen ihrer 47 Schützlinge besuchen; wenn etwas ansteht: Behördengänge; sie bei Arztbesuchen dolmetscht; eine neue Ausbildungsstelle suchen muss - wie für José und Xavi. Die Spanier halten sie ziemlich auf Trapp. Ist schon OK, meint Hanelt. Nur im Büro rumsitzen – das sei so oder so nicht ihr Ding.
Junge Spanier haben nie alleine gelebt
Hanelt: "Bin aber nicht unbedingt davon ausgegangen, dass das so intensiv sein würde, wie es teilweise ist. Weil: Es ist schon ne andere Kultur. Und fast niemand der Spanier, die gekommen sind, um hier eine Ausbildung zu beginnen, hat vorher schon allein gelebt. Das heißt, sie waren eigentlich gewohnt, das Behördengänge, Arztbesuche, was auch immer...dass das alles von den Eltern begleitet oder auch erledigt wurde."
Jeder fünfte von Hanelts Schützlingen vom Jahrgang 2014 hat die Ausbildung abgebrochen und ist nach Spanien zurückgekehrt. Aus Heimweh; weil sie mit der deutschen Mentalität nicht klar kamen– oder überqualifiziert waren wie die junge Apothekerin, die eigentlich zwanzig Jahre bleiben wollte, als Hotelfachfrau aber nicht glücklich wurde. Kann alles passieren, meint Hanelt und zuckt die Schultern. Ihr Pilotprojekt hat trotzdem Vorbildcharakter.
Mehr als zweihundert deutsche Initiativen eifern den Emsländern nach: Erfurt, Lüneburg, die Gegend rum um den Bodensee: Alle wollen etwas abbekommen vom spanischen Kuchen. Dass der Exodus eines Tages dazu führen könnte, dass auch in Spanien Fachkräfte fehlen - Hanelt und CO blenden das aus. Über tausend Spanier haben sich letztes Jahr bei der Ems-Achse beworben. Dieses Jahr sind es weniger geworden – nicht zuletzt, weil Hanelt in Spanien nicht mehr groß für ihr Projekt wirbt.
Hanelt: "Im Moment nicht so. Weil wir im Moment ja eine Vielzahl von Flüchtlingen haben und auch noch bekommen. Wir haben schon noch Spanier auf einer Warteliste, die wir möglicherweise auch noch holen. Aber wir wollen jetzt erst mal gezielt versuchen Leute vor Ort zu helfen, die einfach hier sind. Ich hab in der letzten Woche schon einen jungen Mann aus Pakistan bei einer Firma praktisch für ne Ausbildung als Anlagen-Mechaniker vorgestellt. Der ist, soweit ich weiß, schon ein Jahr schon hier. Und hat auch gute Perspektiven bleiben zu dürfen. Weil er Christ ist. Der hat schon Deutsch gelernt. Da ist ne große Motivation auch zu lernen, auch um dann hierbleiben zu können."
Motiviert ist auch Antonio, einer von Anneliese Hanelt spanischen Schützlingen. Trotz seines "Handicaps". Der 25-jährige Südspanier verzieht in seiner Wohnung in Nordhorn das Gesicht. Beim Sport hat er sich vor ein paar Wochen den Knöchel verletzt. Deshalb auch die Krücken. Zurzeit ist der angehende Koch Krank geschrieben. Aber wird schon, macht sich Antonio Mut. Er hat schließlich schon ganz andere Sachen gemeistert. Die neurotische Perser-Katze seiner Mitbewohnerin etwa. Oder seinen alten Chef. Über seine erste Ausbildungsstelle, ein Hotel im nahe gelegenen Bad Bentheim, möchte er nicht so gerne reden. Gab halt Differenzen. Aber Gott sei Dank liegt das hinter ihm. Auf die Schnelle hat er eine neue Ausbildungsstelle gefunden. Bei "Casa Manuel", einem portugiesischen Restaurant in Nordhorn. Bald soll es losgehen.
Zu Hause rumsitzen und Delikatessen essen?
Antonio: "Es ist manchmal schon hart, keine Frage. Aber ich habe da meine Theorie: Deutschland ist ein guter Ort für die Arbeit, Spanien für Urlaub. Klar würde ich gerne mehr Zeit in Spanien verbringen, aber was bringt mir das, wenn ich dort keine vernünftige Arbeit habe - und kein vernünftiges Gehalt. In Spanien bewegt sich doch nichts. Ich will etwas in meinem Leben erreichen. Ich bin hier in Deutschland zufriedener. Urlaub machen in Spanien – einen Monat oder so: Super. Aber den Rest der Zeit bleibe ich in Deutschland. Ich fühle mich einfach besser, wenn ich produktiv bin."
Morgen geht Antonio wieder in die Berufsschule – auf Krücken. Die ganze Zeit zu Hause rumsitzen, in seinem WG-Zimmer, etwas von den spanischen Delikatessen essen, die seine Eltern ihm letztens geschickt haben – den Schinken und den Chorizo: Auf Dauer ist das nichts für ihn. Dann lieber Schule. Auch auf die Gefahr hin, dass seine Mitschüler ihn wieder in Diskussionen verwickeln über den Zustand seines Heimatlandes.
Antonio: "Die Deutschen sagen mir jetzt immer: Hör mal, in den Nachrichten heißt es, der spanischen Wirtschaft geht es wieder besser. Und ich nur so: Echt?! Den Eindruck habe ich nicht. Die Jugendarbeitslosigkeit ist immer noch astromisch hoch. Und dann noch diese permanente Unsicherheit. Mein Vater kann davon ein Lied singen. In der Fabrik, für die er arbeitet, streiken sie gerade. Früher haben da 400, 500 Leute gearbeitet, jetzt sind es noch zwanzig. Und denen droht auch das Aus. Spanien soll es besser gehen?! Das ich nicht lache. Wenn du es positiv sehen willst, kannst du sagen: OK, Spanien ist zumindest nicht Griechenland. Wir sind nicht total bankrott. Aber es geht uns auch nicht besser als vor drei Jahren."
Gut zwei Jahre dauert es noch, bis Antonio mit seiner Ausbildung zum Koch fertig ist. Ähnlich wie die anderen Spanier will er danach auf jeden Fall in Deutschland bleiben – zum Arbeiten.
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