Junge Schauspielerin mit großem Spektrum

Von Bernd Sobolla · 30.05.2011
Der Film "Das Blaue vom Himmel", der ins Kino kommt, erzählt von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, die 1990 in Deutschland beginnt, dann aber nach Riga und in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg führt. Karoline Herfurth glänzt in einer der Hauptrollen über ein Stück deutsch-baltischer Geschichte. Der Film kommt am Donnerstag ins Kino.
Szene aus dem Film "Das Blaue vom Himmel": "Schau uns an! / Sehen Sie die Alte? / Wie die uns anblickt ... ekelhaft. / Das bist du, Mutter! / Welche? / Die Linke. / Ist gut. Die andere ist noch hässlicher."

Marga und ihre Tochter Sofia unterhalten sich vor einem Spiegel. Marga ist demenzkrank, ihre Wahrnehmung schwer gestört. Und als sie plötzlich Ereignisse aus ihrer Jugendzeit in Lettland schildert, von denen Sofia nie gehört hat, und dann auch noch unbekannte Familienfotos aus dieser Zeit auftauchen, ist Sofia irritiert. Sofia, TV-Journalistin und gerade dabei, über die sich anbahnende Abspaltung der baltischen Länder von der Sowjetunion zu berichten, wird hellhörig.

Zeit ihres Lebens fühlte sie sich von ihrer Mutter auf Distanz gehalten. Eine gemeinsame Reise nach Riga könnte Marga helfen, sich genauer zu erinnern und Mutter und Tochter einander näherzubringen. In Rückblenden erlebt der Zuschauer, wie Karoline Herfurth, die die junge Marga spielt, dort in den 30er-Jahren ihre große Liebe heiratet.

Karoline Herfurth: "Was mich total interessiert, ist: Was macht Menschen zu den Menschen in ihrer Zeit? Historische Zeiten, die Möglichkeiten geben, Täter zu werden, das finde ich schon sehr spannend. Das ist natürlich für mich auch in dieser Rollenarbeit ein ganz besonderer Punkt. ... Alle Themen, die sozusagen mit menschlichen Emotionen zu tun haben, interessieren mich. Sowohl die Liebe, die da drin steckt als auch die Schuld, die da drin steckt, als auch diese Thematik zwischen Mutter und Tochter."

Karoline Herfurth, 1984 in Berlin geboren und aufgewachsen, besucht die erste freie Waldorfschule in Ost-Berlin. Kunst, Musik und Theater prägen ihre Schulzeit. Aber vor allem lernt sie dort Eurythmie, eine Tanzkunst mit weichen, aber expressiven Bewegungen.

"Wenn man in einen vollen Raum kommt mit Menschen, sieht man, wer Eurythmie gemacht hat und wer nicht. Weil es gibt so eine gewissen Aufmerksamkeit dem Raum gegenüber, den Menschen gegenüber. ... Und das ist, glaube ich, was einem vielleicht hilft."

Ihre erste kleine Filmrolle hat Karoline Herfurth mit zehn Jahren. Ihren ersten Kinofilm, "Crazy", dreht sie mit 15. Dann folgen diverse Teeniefilme, wie "Mädchen, Mädchen". Obwohl sie erst 2008 ihr Schauspielstudium abschließt, gehört sie da schon zur ersten deutschen Schauspielriege. Das beweist sie 2005 in dem Film "Eine andere Liga" von Buket Alakus als türkisches Mädchen Hayat, das Fußball spielt und an Krebs erkrankt. Seither wird Karoline Herfurth zunehmend in tragenden Rollen besetzt: So als Tanzstudentin in Caroline Links Familiendrama "Im Winter ein Jahr", als Star bei Olympia in "Berlin '36" oder als magersüchtige Frau in dem Roadmovie "Vincent will meer".

"Also das Spannendste für mich an diesem Beruf ist immer, Dinge auszuprobieren, die ich noch nie gemacht habe. Vor Herausforderungen gestellt zu werden, die ich noch nie machen musste."

Genau das merkt man ihr an in "Das Blaue vom Himmel": Wenn sie überglücklich mit Juris, ihrer großen Liebe, im Ballon in die Lüfte steigt, beim Holzhacken ihre Entschlusskraft in den Baumstumpf rammt oder entdeckt, dass ihr Freund Osvalds Flugblätter gegen die russische Besatzung druckt.

Szene aus dem Film "Das Blaue vom Himmel": " Kannst du nicht anklopfen? / Die Tür war offen. Bist Du verrückt? Wenn die Russen das hier finden." "

Oder wenn sie erfährt, dass ihr Mann eine andere liebt und dennoch nicht von ihm ablässt.

Szene aus dem Film "Das Blaue vom Himmel": "Was soll das? / Wir gehen nach Deutschland. / Weiß Juris davon? / Das ist ein Überraschung. / Klemmte hinter dem Klavier. / Lassen Sie uns bitte allein! / Los raus! Er hat dich nicht verdient, Marga. / Das macht nichts. Ich bin die größte Liebende der Welt. Er weiß das."

Karoline Herfurths Schauspiel wirkt umso frappierender vor dem Hintergrund, dass Juliane Köhler als Journalistin relativ blass bleibt. Und Hannelore Elsner wirkt als kranke Marga eher peinlich. Mit demselben Grinsen, das sie in jeder anderen Rolle zeigt, und Gewaltausbrüchen, die an Kinderstreiche erinnern. Dennoch gelingt es Regisseur Hans Steinbichler, ein spannendes Familiendrama vor dem politischen Hintergrund deutsch-baltischer Geschichte zu erzählen. Mit vielen schönen Bildern, einem guten Gespür, die stillen emotionalen Momente voll auszureizen und natürlich mit Karoline Herfurth, die mit ihrer ganzen schauspielerischen Bandbreite den Film prägt, die sich mit überbordender Lebenslust durch die Birkenwälder Lettlands treiben lässt oder schicksalsbestimmend die Bahngleise zurück nach Riga stampft, weil sie nie aufgibt, um ihren Mann zu kämpfen - bis hin zum ultimativen Liebesbeweis.

"Also es ist ganz wichtig für mich, dass ich vor dem Dreh die Figur geknackt habe. (...) Und wenn man den Schlüssel hat, (...) dann fängt es an zu sprudeln. Und dann, (...) wenn ich so eine Szene zu spielen habe, dann ist es manchmal so, dass (...) mein Unterbewusstsein arbeitet dann schon so ein bisschen."

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Film Das Blaue vom Himmel
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