Jung, schlagfertig, schwarz

Rezensiert von Jochen Thies · 30.12.2007
Barack Obama ist einer der Überraschungskandidaten im amerikanischen Wahlkampf: Der junge Politiker ist ein begnadeter Redner und nutzt das Internet als neue Wahlkampf-Plattform. So heizt er Hillary Clinton, die ebenfalls für die Demokraten antreten möchte, ordentlich ein. In dem Buch "Barack Obama" porträtiert der Journalist Christoph von Marschall den Politiker und seine Gegner.
Bereits der Untertitel des Buches, das der Washingtoner Korrespondent des "Tagesspiegels", Christoph von Marschall, vorlegt, zeigt an, worum es im amerikanischen Wahlkampf geht: um das Herausstellen von Führungspersönlichkeiten, um einen Bewerber, der an die hoffnungsvollen Zeiten vor 50 Jahren erinnert, als John F. Kennedy Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde.

Und mit dem dunkelhäutigen Senator Barack Obama, der gegen Hillary Clinton bei den Demokraten antritt, wird zugleich deutlich, welche Fortschritte die amerikanische Gesellschaft gemacht hat, um wie viel toleranter sie seit den Tagen von Kennedy und Martin Luther King, dem farbigen Bürgerrechtler, der wie Kennedy einem Attentat zum Opfer fiel, geworden ist. Der Rassenkonflikt sei nicht gelöst, meint der Autor, aber er habe an Gewicht verloren; infolge der Zunahme von Minderheiten an der Gesamtbevölkerung. Die USA zählen mittlerweile 300 Millionen Einwohner.

Von Marschall stellt in seinem flott geschriebenen Buch, das den Lebensweg von Obama mit einer Fülle von Details nachzeichnet, heraus, dass diese Wahl, auf deren Ausgang auch die Europäer mit Spannung warten, in einem besonderen Umfeld stattfindet:

Das Wahljahr 2008 verspricht also eine Gelegenheit, wie es sie seit 80 Jahren nicht mehr gegeben hat. Kein Kandidat tritt an, der den Bonus des Amtsinhabers oder seines Stellvertreters mitbringt. "Open Seat" nennen die Amerikaner diesen strategischen Vorteil für neue Bewerber. Im Herbst 2006 und im Winter 2006/07 plagt die Ehrgeizigen in beiden Parteien nicht mehr die Frage, ob ein zu früher Start schaden könnte, sondern ob es nicht bald zu spät sei.

Die Demokratin Hillary Clinton und der Republikaner John McCain haben bereits im Sommer 2006 Spitzenteams um sich geschart, die sie wohl kaum allein für ihre Senatorentätigkeit benötigen. Außerdem haben sie begonnen, die Wahlkampfkassen zu füllen. Konkurrenten, die erst im Lauf des Jahres 2007 anfangen, über eine Kandidatur nachzudenken, haben es schwerer. Zum Duell der beiden Bewerber hält von Marschall zunächst für die Frau von Ex-Amtsinhaber Bill Clinton fest:

Für Hillary Clinton war klar: Sie kann und will nicht länger warten. 2008 ist ihre letzte Chance, dann ist sie 60 Jahre alt. Gewinnt ein anderer Kandidat die Wahl und wird 2012 für eine zweite Amtszeit bestätigt, könnte Hillary erst 2016 erneut antreten. Dann wäre sie mit 68 Jahren wohl schon zu alt, um doch noch als erste Frau das höchste Amt zu erlangen.

Wesentlich günstiger gestaltet sich von Marschall zufolge das zeitliche Umfeld für den Konkurrenten:

Barack Obama dagegen könnte sich Zeit lassen. Zu Jahresbeginn 2008 ist er erst 46 Jahre alt, Anfang 2016 wäre er 54; statistisch gesehen noch immer kein hohes Alter für ein Leben im Weißen Haus. Das gäbe ihm Zeit, noch mehr Erfahrungen zu sammeln, die seine Eignung untermauern. Doch Barack Obama versteht auch, welchen Vorteil ein "Open Seat" für ihn bedeutet. "Unbezahlbar", sagen seine Berater.
Der Autor hat beide Bewerber in der anlaufenden Phase des Wahlkampfes genau beobachtet. Sein Buch gewinnt an Aussagekraft auch dadurch, dass er in seine Analysen immer wieder Reportageelemente einstreut. Aber von Marschalls Stärke bleibt am Ende die Lageanalyse. Er tippt auf einen Wahlsieg der Demokraten.

Hillary tritt als die Erfahrene an, Barack Obama als der Mann, der die Massen begeistert. Er ist der bessere Redner - und er wirkt authentischer, wenn er spricht. Auch sie hat griffige Formeln, die 60- bis 90-Sekunden-Antworten in den Präsidentschaftsdebatten beherrscht sie sogar besser als er, aber es wirkt auch ein bisschen einstudiert. Hillary ist die Einser-Schülerin, die überall bestens vorbereitet auftritt.

Für den "schwarzen Kennedy", dem von Marschall zufolge in der Außenpolitik ein solides Rundumwissen fehlt, spricht am Ende auch ein Umstand, auf den der Verfasser zu Recht hinweist: das Internet.

In diesem relativ jungen Medium ist er der klare Sieger. Über seinen Internetauftritt sammelt er Wahlkampfspenden und Sympathiebekundungen. Ein wichtiger Teil dieses Onlineduells spielt sich auf einer neuen Plattform ab, der Videobörse Youtube.

Das Fazit von Marschalls für den Fall eines Wahlsiegs der Demokraten lautet: Die Zusammenarbeit mit Obama oder Hillary Clinton für die Europäer wird atmosphärisch einfacher, aber nicht unbedingt in der Substanz.


Christoph von Marschall: Barack Obama. Der schwarze Kennedy
Orell füssli Verlag, Zürich 2007