Julia Albrecht

Das Stigma der Terroristen-Schwester

Julia Albrecht in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur
Julia Albrecht in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / Matthias Horn
Moderation: Susanne Führer · 11.11.2015
Julia Albrecht war 13, als ihre ältere Schwester Susanne zur RAF-Mittäterin am Mord von Jürgen Ponto wurde, dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Das hat sie später in dem Film "Die Folgen der Tat" aufgearbeitet. Dessen Thema sei auch die Verletzung der Idee von Menschlichkeit, sagte Albrecht.
Julia Albrecht war 13, als ihre ältere, geliebte Schwester Susanne zur Mittäterin am Mord von Jürgen Ponto wurde, dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Julia Albrecht war damals Schülerin, führte ein ganz normales Leben. Ihre Schwester Susanne Albrecht gehörte zur RAF und tauchte 1977 nach dem Mord an Jürgen Ponto unter.
Sie habe damals das Gefühl gehabt, sie werde nur noch als Schwester der RAF-Terroristin identifiziert, sagte Albrecht im Deutschlandradio Kultur: "Es war eine Stigmatisierung".
Aufarbeitung im Film
"Die Folgen der Tat" heißt der Film, den Julia Albrecht zusammen mit Dagmar Gallenmüller Jahrzehnte später darüber gemacht hat - er erhält den diesjährigen Regino-Preis für herausragende Justizberichterstattung und wird am 12.11.2015 im WDR-Fernsehen wiederholt.
Im Deutschlandradio Kultur sprach Julia Albrecht auch über die Motivation für die Arbeit an diesem Film:
"Ich glaube, dass in Bezug auf das Verbrechen meiner Schwester es immer das Bedürfnis gab, sich dazu zu verhalten. Und ich habe auch das Bedürfnis gehabt, dass andere sich dazu verhalten - mit andere meine ich jetzt meine Familie."

Julia Albrecht (rechts) und Moderatorin Susanne Führer in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur
Julia Albrecht (rechts) und Moderatorin Susanne Führer in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur© Deutschlandradio / Matthias Horn
Sie habe lange versucht, ihre Schwester Susanne davon zu überzeugen, bei dem Film mitzumachen, erzählte Albrecht:
"Vom Ausgangspunkt her war das mein Wunsch, dass die gesamte Familie sich damit auseinandersetzt. Das ist mir nicht gelungen. Susanne wollte das auf keinen Fall. Und ich glaube, dass dieses Bedürfnis damit zu tun hat, dass bei einem so schlimmen Verbrechen die Idee von Menschlichkeit verletzt wird."
"Es war eine individuelle Geschichte"
Es sei ihr manchmal gesagt worden, dass "Die Folgen der Tat" ein sehr persönlicher Film geworden sei, meinte Albrecht. Sie habe allerdings eine andere Perspektive:
"Ich glaube, es ist ein Film, der sozusagen darum ringt - indem die einzelnen Leute in dem Film darüber ringen -, wie man den Verlust von Menschlichkeit bearbeiten kann. Und den kann man nur individuell bearbeiten. Das geht nicht irgendwie und allgemein. Ich denke, dass unser Film der einzige Film zum Thema 'RAF' ist, der Tat oder Taten nicht mit den politischen Verhältnissen erklärt, sondern darauf besteht, dass es eine individuelle Geschichte ist."

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