Jüdisches Bayreuth

Von Thomas Senne · 29.07.2009
Die Geschichte Bayreuths ist vor allem von Richard Wagner geprägt, der bekanntermaßen Antisemit war. Jetzt hat die Touristenzentrale zusammen mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit einen Faltplan herausgegeben, auf dem das jüdische Bayreuth vorgestellt wird - auch mit Verweis auf Musiker, die für Wagner eine Rolle spielten.
Bayreuth – Stadt Richard Wagners, aber auch der musenbegeisterten Voltaire-Freundin und Markgräfin Wilhelmine. Ihr Gatte Friedrich gestattete in dem Ort 1759 wieder die Ansiedlung von zehn jüdischen Familien. Denn Juden durften ab dem 16. Jahrhundert nur vereinzelt in der Markgrafschaft leben. In Geldangelegenheiten ließ sich der freigeistige Potentat von Moses Seckel beraten, einem sogenannten "Hofjuden". Der konnte vom Markgrafen ein direkt neben der Oper gelegenes Redoutenhaus erwerben und durfte dahinter sogar eine Synagoge bauen.

Heute ist in dem ehemaligen Redoutenhaus ein Café untergebracht, von dem aus man einen guten Blick auf die Barocksynagoge hat. Die ist ebenso wie das Wohnhaus des höfischen Financiers eine von mehreren Stationen, die jetzt auf einem Stadtplan der besonderen Art zu finden sind.

""Jeder, der sich für diese Seite der Geschichte Bayreuths interessiert, kann sich dieses Faltblatt holen und kann anhand dieses Faltblatts die Stätten abwandern, sich informieren. Das ist ein Stück dokumentierte Zusammenarbeit zwischen der Stadt Bayreuth und der Jüdischen Kultusgemeinde, die mir persönlich sehr wichtig ist"."

Also folgen wir der Empfehlung des Bayreuther Oberbürgermeisters Michael Hohl, besorgen uns vom Tourismusbüro besagten Stadtführer und lenken unsere Schritte zur Opernstraße 7, einem Gebäude, das im Plan mit der Nummer 26 bezeichnet ist, heute eine Lederwarenboutique beherbergt, eigentlich aber einem jüdischen Advokaten gehörte: das Wohnhaus von

""Dr. Fischel-Arnheim. Der lebte von 1812 bis 1864. Er ist in Bayreuth gebürtig, war aus einer strenggläubigen jüdischen Familie. Sein Vater hatte ihn eigentlich für den Handel vorgesehen. Aber er wurde dann Jurist und er ist dann 1849 als zweiter Jude in den Bayerischen Landtag eingezogen","

und setzte sich dort, so erzählt Christine Bartholomäus vom Bayreuther Stadtarchiv weiter, besonders für die Belange jüdischer Bürger ein. In dem mit historischen Hinweisen ausgestatteten Folder informieren verschiedene Rubriken über das "Erwerbsleben" einstiger mosaischer Geschäftsinhaber und Fabrikanten, berichten über die Wohnhäuser namhafter Persönlichkeiten sowie über Einrichtungen der heutigen, 500 Mitglieder zählenden Israelitischen Kultusgemeinde.

Ihr Leiter Felix Gothart freut sich, dass das Faltblatt bei Touristen und Einheimischen so gefragt ist. In der Broschüre sieht er die Chance, über Geschichte und Gegenwart seiner Gemeinde zu informieren.

""Wir versuchen einfach neben den beiden großen Kirchen hier zu zeigen, dass es noch das Judentum auch gibt"."

Dunkle Kapitel, wie Verfolgungen durch die Nazis, werden in dem Faltblatt ebenfalls erwähnt. Auch der Schwiegersohn Richard Wagners, ein gewisser Houston Stewart Chamberlain,

""der in der Wahnfriedstraße, also direkt neben dem Haus Wahnfried gewohnt hat, die letzten Jahre seines Lebens, und mit seinen antisemitisch geprägten Werken, in denen er die Überlegenheit der arischen Rasse betont hat, war einer der Wegbereiter Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus"."

Und der Maestro selber? Richard Wagner, der im 19. Jahrhundert mit seiner polemischen Schrift "Das Judentum in der Musik" als bekennender Antisemit von sich reden machte und momentan bei den Bayreuther Festspielen wieder en vogue ist, fehlt in dem Infoblatt überraschenderweise. Immerhin lieferten die antijüdischen Ressentiments des Komponisten den Braunhemden seinerzeit willkommenen Stoff für Hasstiraden und Propaganda. Im Dritten Reich verkam der Grüne Hügel zur nationalsozialistischen Weihestätte, in der Winifred Wagner ihrem "Führer" Adolf Hitler huldigte. Im Stadtplan über das jüdische Bayreuth wird in diesem Zusammenhang allerdings nur vage auf eine "Gedenktafel" im Festspielpark verwiesen. Erklärungsversuche der Stadtarchivarin Christine Bartholomäus:

""Wagner ist so ein großer Komplex, den wir nicht auf so einen Punkt reduzieren wollten. Wir wollten jetzt halt nicht den Wagner so in den Mittelpunkt rücken, wie es sonst geschieht, sondern eben mehr – in Anführungszeichen – die normale jüdische Geschichte, das Leben der jüdischen Bürger innerhalb der Stadtgemeinde"."

Immerhin: Sein Antisemitismus hinderte Richard Wagner nicht daran, Hermann Levi, einen Juden, die Uraufführung seines "Parsifal" dirigieren zu lassen. Nach dem Dirigenten ist heute eine Straße benannt: ebenso wie jetzt der Stadtplan ein Versuch, dem jüdischen Bayreuth irgendwie gerecht zu werden.